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# taz.de -- Erinnerungen an Preußlers Werk: Grandios-gefährliche Fantasiewelt…
> Otfried Preußler ist gestorben. Vier Kindheitserinnerungen an den Vater
> der „Kleinen Hexe“ und des „Kleinen Wassermanns“, von „Hotzenplotz�…
> „Krabat“.
Bild: Fantasiewelten, millionenfach gelesen: Preußlers Bücher.
## Heile Welt mit Rissen
Am liebsten erinnere ich mich beim Namen Otfried Preußler eigentlich an den
„Räuber Hotzenplotz“. In meiner frühkindlichen Erinnerung sind dessen
Gaunereien mit oder ohne den Zauberer Petrosilius Zwackelmann als einige
der witzigsten Momente der Literatur gespeichert.
Preußler hat mir aber auch eines meiner ersten haarsträubenden
Horrorerlebnisse beschert. Zwar nicht direkt, sondern über eine
Buchverfilmung, dafür hat mir jedoch Karel Zemans Trickfilmfassung von
„Krabat“, in der man zusammen mit dem Titelhelden Augenzeuge eines
grausigen Mords wird, damals richtig große Angst gemacht. Was ich da zu
sehen bekam, passte so gar nicht in mein geschlossenes Preußler-Bild, in
dem das Komische das Bedrohlich-Unheimliche eindeutig besiegte.
Das Buch wollte ich daraufhin lieber nicht lesen, obwohl mir
Gespenstergeschichten, also nicht „Das kleine Gespenst“, sondern die zum
Fürchten, als Kind ziemlich gut gefielen. Preußler hat es geschafft, mir
eine einigermaßen heile fiktive Welt zu bescheren, durch dessen
versöhnlich-heitere Oberfläche er zugleich einen tiefen Riss laufen ließ.
„Krabat“ habe ich mir erst als Erwachsener zugelegt. TIM CASPAR BOEHME
***
## Umschreiben? Ach nö
„Ich höre nie wieder den kleinen Wassermann! Das Neunauge ist so gruselig,
davon kriege ich Albträume!“ Genau wie dem kleinen Wassermann ging es mir
und auch meinen Kindern, geht es vielen Kindern, die ich kenne. Völlig
entspannt bei meditativer Musik tauchen sie ein in die Hörspielwelt des
„Kleinen Wassermanns“ – „tief unten auf dem Grunde des Mühlenweihers“
schwant einem nichts Böses.
Doch plötzlich begegnet der kleine Wassermann dem hässlichen Fisch
„Neunauge“ bei einem seiner Streifzüge durch den ansonsten so geschützten,
der Kindheit gleichenden Raum des Mühlenweihers. Erschrocken und angewidert
flieht der kleine Wassermann, doch der Fisch sucht ihn in seinen Träumen
heim, ebenso wie die Kinder.
Das ist ebenso bedrohlich wie jede reale Begegnung mit einem unheimlichen
Fremden – und sehr viel bedrohlicher als trockene Füße, ausbleibender Regen
oder ein Angler am Weiherrand. Ansonsten ist die Welt des kleinen
Wassermanns noch in Ordnung – Mutter Wassermann kocht und putzt und wünscht
sich laut ihrem Gatten, dass ihr Kinder zeitlebens am Schürzenband hängen.
Sollte man das umschreiben? Ach nö. JULIA NIEMANN
***
## Süßes Gift der Reaktion
Mit neun lief ich dann zu Nöstlinger über. Auslöser war ein Briefwechsel
mit Otfried Preußer, meinem damaligen Idol. Ich hatte ihn gefragt, wie man
Schriftsteller wird. Und, ob er Tipps geben könne. Die Antwort kam prompt:
Ein Schriftseller müsse eigene Ideen entdecken. Und lesen schade auch
nicht. Ich solle doch sein bald erscheinendes Buch „Hörbe mit dem großen
Hut“ erwerben. Oh, war ich stolz!
Ich antwortete postwendend, wie toll ich alles von ihm fände. Bis auf die
Sache, dass seine „Hotzenplotz“-Bände alle mit denselben Worten beginnen.
Und enden. Die Antwort kam prompt. Ein Schriftsteller müsse eigene Ideen
entdecken und seinen Weg finden. Das war’s.
Ich kapierte damals nicht, dass diese Verweigerung von Reflexion erklärt,
warum man Preußler lieben muss, obwohl er mit seinen grandiosen
Fantasiewelten auch das süße Gift der Reaktion verbreitete – durch ein
selbst für die 1950er konservatives Frauenbild, getragen vom Begehren, eine
zerbrochene Ordnung zu restaurieren. Er hat es vielleicht nie selbst
bemerkt oder gewollt. Er ist wohl zu erinnern als wichtiger, und nicht
ungefährlicher, Dichter der Gegenaufklärung.
BENNO SCHIRRMEISTER
***
## Eine erste Verliebtheit
Da ist diese Geschichte von einem Kater, der voll schlechten Gewissens
seine Heimat verlässt, weil er an der Treppe zum Keller die kostbare Milch
verschüttet hat – und sich darob schämt. Otfried Preußler hat den „Kater
Mikesch“ des tschechischen Autors Josef Lada nachgedichtet, die „Augsburger
Puppenkiste“ hat die Geschichte fürs Fernsehen aufbereitet.
Das war 1964, und insofern sind meine Erinnerungen an diese in puncto
Dramatik kaum auszuhaltende Geschichte schwarz-weiß getönt. Im Gemüt selbst
sind gleichwohl farbige Szenen haften geblieben. Solche vom Schuster Peppik
und vom Dorf Holleschitz, von der Oma und vom Schwein Paschik, der Ziege
Bobesch und Sultan, dem Hund. Alle Namen standen im Preußler’schen Buch
nicht so geschrieben, wie sie ausgesprochen wurden: Aha, dachte das Kind,
das sich über sprechende Kater weder wunderte noch lustig machte, sondern
eher verzaubert war, aha, so ist das Tschechische.
Es war, wie bei den schwedischen Traumlandschaften Astrid Lindgrens, ein
erstes Verliebtsein in eine andere Sprache, in ein Anderes überhaupt.
Preußler hatte in unserer Welt damals den Rang eines Traumonkels, eines
Magiers fast. JAN FEDDERSEN
20 Feb 2013
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