# taz.de -- Korruption in Italien: Tiefflug in Indien | |
> 51 Millionen Euro „Provisionsgebühr“ waren dann doch zu viel. Der Chef | |
> des größten Technologiekonzerns Italiens sitzt nun wegen Bestechung im | |
> Knast. | |
Bild: Die Hubschrauber wurden ihm zum Verhängnis. Nun sitzt Orsi im Gefängnis. | |
ROM taz | Der Chef sitzt im Gefängnis, der Aktienkurs stürzt ab, ein | |
Hubschrauber-Großgeschäft mit Indien droht zu platzen: Mitten im Wahlkampf | |
wird die Bestechungsaffäre um Italiens größten Technologiekonzern, die | |
staatlich kontrollierte Finmeccanica, zum Zeichen für die moralische und | |
die ökonomische Krise des Landes. | |
Am vorvergangenen Dienstag rückte die Polizei im Morgengrauen an, um | |
Finmeccanica-Chef Giuseppe Orsi in Haft zu nehmen. Der Vorwurf: | |
internationale Bestechung. Es geht um seine Zeit als Boss der | |
Finmeccanica-Tochter Agusta-Westland. Und es geht um einen Auftrag über | |
zwölf Hubschrauber für 556 Millionen Euro aus Indien. | |
Davon sollen zwischen 2004 und 2007 rund 51 Millionen abgezweigt worden | |
sein, für „Provisionsgebühren“ und an den damaligen Chef des indischen | |
Luftwaffen-Generalstabs. Gleich drei „Vermittler“ hatte Agusta | |
eingeschaltet, um etwas nachzuhelfen. Die Inder hatten nämlich in der | |
Ausschreibung ursprünglich Hubschrauber mit einer Flughöhe von bis zu | |
18.000 Fuß verlangt. Dank der Gefälligkeiten aus Rom wurde diese Marke dann | |
auf 15.000 Fuß korrigiert – genau die Leistung, die die Agusta-Helis | |
bringen. | |
## Der Konzern hätte die Speerspitze einer Technologieoffensive sein können | |
Inzwischen drohte die indische Regierung, das gesamte Geschäft zu | |
stornieren, binnen weniger Tage stürzte der Finmeccanica-Kurs um 20 | |
Prozent. Am Freitag sank er erneut auf nur noch knapp vier Euro pro Aktie, | |
als der Konzern seine Bilanzvorstellung verschieben musste. | |
Finmeccanica ist Italiens größter Hochtechnologiekonzern, aktiv in Rüstung, | |
Raumfahrt, Sicherheitstechnologie, Kraftwerksbau und im Bau von Zügen und | |
Bussen. 70.000 Menschen beschäftigt das Unternehmen, davon 40.000 in | |
Italien. Umsatz 2011: 17 Milliarden Euro. | |
Mitten in der Krise könnte der Konzern eigentlich Speerspitze einer | |
Technologieoffensiven des Landes sein. Die Tatsache, dass der Staat mit gut | |
30 Prozent der Anteile der kontrollierende Großaktionär ist, sollte da | |
eigentlich nützlich sein. Stattdessen erscheint Finmeccanica derzeit wie | |
gelähmt. | |
## Nur Berlusconi ist sauer – auf die Staatsanwälte | |
Orsis Fall ist politisch hochbrisant. Ausgesucht hatte ihn 2011 noch die | |
Regierung Berlusconi. Orsis Hauptförderer war Berlusconis Koalitionär, die | |
rechtspopulistische Lega Nord. Angeblich hat Orsi selbst die | |
Vermittlungsgebühr beim Indien-Deal von 41 auf 51 Millionen Euro | |
hochgetrieben – um zehn Millionen Euro als Nominierungs-Dankeschön an die | |
Lega Nord zahlen zu können. | |
Unabhängig davon steht der Fall Orsi jedoch dafür, wie gerade die Regierung | |
Berlusconi Staatsbeteiligungen betrachtete: Nicht als strategische Anlage, | |
sondern als für die Politik zu nutzende Erbhöfe. Um befreundete Manager auf | |
ökonomische Schlüsselpositionen zu hieven. | |
Orsi zeigte sich ein weiteres Mal bei der Lega erkenntlich: Er verlegte den | |
Firmensitz des Luftfahrt-Tochterunternehmens Alenia umgehend vom | |
süditalienischen Pomigliano D’Arco ins norditalienische Turin. | |
Dennoch spielt die Finmeccanica-Causa im Wahlkampf kaum eine Rolle. Nur | |
einer meldete sich zu Wort – Silvio Berlusconi. Ein Unding sei es, dass die | |
Staatsanwälte agierten, donnerte der Cavaliere. Und: Die Justiz sei schuld | |
daran, wenn Italien eines Tages aus den Märkten katapultiert werde. | |
Schließlich sei in Indien die Zahlung von „Vermittlungsgebühren“ eine | |
Selbstverständlichkeit. | |
22 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
Michael Braun | |
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