# taz.de -- Merkel-Besuch in der Türkei: Offenbar ziemlich schlecht gelaufen | |
> Kanzlerin Merkel tauscht mit ihrem Amtskollegen Erdogan bekannte Floskeln | |
> aus. Zu EU-Beitritt, Menschenrechten und der Visafrage gibt es keine | |
> Einigkeit. | |
Bild: Überspielte Differenzen: Merkel und Erdogan fanden wenig Übereinstimmung | |
ISTANBUL taz | Wenn die gemeinsame Pressekonferenz Rückschlüsse auf den | |
vorherigen Gesprächsverlauf zwischen zwei Regierungschefs zulässt, dann | |
muss es zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem türkischen | |
Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan ziemlich schlecht gelaufen sein. | |
Erdogan versuchte das zum Abschluss des zweitägigen Türkeibesuchs von | |
Merkel damit zu überspielen, dass er längst bekannte Zahlen über den | |
erfolgreichen Wirtschaftsaustausch zwischen beiden Ländern vom Blatt ablas | |
und als größte Erfolgsmeldung verkündete, dass deutsche Touristen in der | |
Türkei wieder an die erste Stelle gerückt sind. | |
Merkel zeigt sich im Gegenzug erfreut, dass sie bei dieser Türkeireise, die | |
sie auch zu den deutschen Soldaten in der osttürkischen Stadt Kahramanmaras | |
und zu den frühchristlichen Höhlenkirchen in Kappadokien geführt hatte, | |
mehr gesehen habe, als nur Ankara und Istanbul – aber das war es dann auch | |
schon. | |
Keine Rede davon, den EU-Beitrittsprozess mit der Türkei neu zu beleben, | |
stattdessen Geplänkel darüber, dass die Türkei eben ihre Häfen auch für | |
Zypern öffnen müsse, so Merkel, und die bekannte Position Erdogans, zuvor | |
sollten die griechischen Zyprioten den türkischen Zyprioten entgegenkommen. | |
Ob sich durch die Neuwahl des konservativen Nikos Anastasiadis auf Zypern | |
etwas bewegen wird, wollten beide nicht kommentieren. | |
## Deutsch-türkische Universität in Istanbul | |
Schon die Körpersprache von beiden zeigte an, dass sie sich offensichtlich | |
nichts zu sagen haben. Erdogan wie auch Merkel konnten nur mühsam | |
überspielen, dass sie kaum Themen gefunden hatten, bei denen sie sich einig | |
waren. Eins vielleicht: Die deutsch-türkische Universität in Istanbul soll | |
zum Semester 2013/2014 den Lehrbetrieb aufnehmen können, und vielleicht | |
kommt es demnächst auch zu einer türkisch-deutschen Universität in | |
Deutschland. | |
Als Merkel zu Recht beklagte, dass viele Journalisten in der Türkei im | |
Knast sitzen, behauptete Erdogan, das stimme so nicht, weil sie wegen | |
terroristischer Delikte inhaftiert wären. Völlig unerwähnt blieb bei dem | |
öffentlichen Auftritt die Frage der Visaerteilung für türkische | |
Staatsbürger, die nach Deutschland reisen wollen. | |
Wenn es überhaupt eine Möglichkeit gibt, das Klima zwischen Deutschland und | |
der Türkei zu verbessern, dann durch die Abschaffung der hohen Hürden, die | |
es derzeit gibt. Merkel vermied es, darüber zu reden, und auch Erdogan kam | |
in seinem Statement nicht darauf zurück, obwohl in der türkischen | |
Öffentlichkeit die Visafrage mittlerweile wichtiger ist als die doch eher | |
akademische Frage, ob die Türkei jemals Mitglied der EU werden könnte. | |
Was hinter den Kulissen wohl am wichtigsten war, sind Vereinbarungen im | |
Wirtschaftsbereich. Merkel und Erdogan wollen eine engere Kooperation | |
zwischen der Lufthansa und den Turkish Airlines, und die Türkei hätte gerne | |
mehr Direktinvestitionen in die türkische Energiebranche. Zu mindestens | |
eine Erfolgsmeldung dazu gab es bereits gestern. Siemens hat einen Auftrag | |
zum Bau eines Gaskraftwerks bekommen: Geschäftsvolumen 300 Millionen Euro. | |
25 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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