| # taz.de -- Europas größter Pferdemarkt in Polen: Bloß keine Lasagne | |
| > Auf dem größten Pferdemarkt Europas ist der Skandal um Billigtiefkühlkost | |
| > kein Thema. Dafür versuchen Tierschützer, die Gäule vor Misshandlungen zu | |
| > bewahren. | |
| Bild: Hufencheck in Skaryszew. | |
| SKARYSZEW taz | Bäuerin Alina Bartek klopft ihrer Stute Sonata auf den | |
| Hals. „Pferdefleischlasagne?“, schüttelt sie sich. „Nie im Leben!“ Sie… | |
| das Tier hier in Skaryszew auf einem der ältesten und größten Pferdemärkte | |
| Europas verkaufen. Die italienischen Händler hat sie fest im Blick: „Die | |
| kriegen meine Sonata nicht!“ Pedro T. aus Verona hingegen hofft, dass der | |
| Pferdefleischskandal etwas Werbung für seine Branche macht. Er zieht die | |
| Augenbrauen genießerisch in die Höhe und spitzt die Lippen: „Polnisches | |
| Pferdefleisch hat einen besonderen Geschmack. Eccelente! “ | |
| 1433 erteilte König Wladyslaw Jagiello dem Dorf Skaryszew südlich der | |
| Provinzstadt Radom das Privileg, einmal im Jahr einen großen Pferdemarkt | |
| abhalten zu dürfen. Seither kommen zu Beginn der Fastenzeit bis zu 10.000 | |
| Pferdehändler in das 4.000-Seelen-Städtchen in Südostpolen. Als Polen noch | |
| ein Agrarstaat mit zwei Millionen Arbeitspferden war, wurden hier binnen | |
| zwei bis drei Tagen bis zu 5.000 Kaltblüter verkauft. Längst hat aber sie | |
| der Traktor ersetzt. Heute sind es daher gerade noch 300 bis 500 Freizeit-, | |
| Therapie-und Schlachtpferde, die auf dem Markt in Skaryszew den Besitzer | |
| wechseln. | |
| Die Händler aus Polen, Deutschland, Österreich, Italien und der Slowakei | |
| verschaffen sich hier aber auch einen Überblick über den Markt – sie kommen | |
| in Massen. Jedes Jahr produziert Polen rund 60.000 Schlachtpferde. Die | |
| meisten Warm- und Kaltblüter landen am Ende als Kotelett oder Cabanossi auf | |
| den Tellern französischer und italienischer Feinschmecker. Dass sie ihren | |
| Weg in deutsche oder britische Billiglasagne gefunden haben könnten, weist | |
| man hier weit von sich. | |
| ## Videos von Tierschützern | |
| Überhaupt: Der Skandal findet auf dem polnischen Pferdemarkt nicht statt. | |
| In Verruf gekommen ist der Skaryszewer Markt durch Videoaufnahmen von | |
| Tierschützern. Zu sehen sind Händler, die verängstigte Pferde mit brutalen | |
| Peitschenschlägen in enge Transporter prügeln. Sie zwingen Pferde zum | |
| Aufstehen, indem sie ihnen Eisenstangen in den After stecken und diese | |
| unter Strom setzen. Auch Bilder von verletzten oder auf dem Transport | |
| gestorbenen Tieren schadeten dem Ansehen von Skaryszew schwer. | |
| Seit zwei Jahren fordert die Stiftung Tara: „Stoppt Skaryszew!“ Tara rettet | |
| Pferde vor dem Metzger und vermittelt Adoptionen an Pferdeliebhaber, um sie | |
| vor dem Abdecker zu retten. „Wir haben kein Interesse daran, dass | |
| Tierquäler den guten Ruf von Skaryszew zerstören“, sagt Rafal Karolak von | |
| der Gemeindeverwaltung des Provinzstädtchens. „Wir sind auf die | |
| Tierschützer zugegangen, aber die sind ganz auf Krieg eingestellt. Sie | |
| interessieren sich nur für die mediale Aufregung, die Geld in ihre Kassen | |
| spülen soll.“ | |
| Vier Kontrollpunkte rund um den Pferdemarkt, Tierärzte und Polizisten | |
| sichern in diesem Jahr den Markt. Ein Flugblatt fordert die Besucher auf: | |
| „Sag Nein, wenn du siehst, dass ein Tier misshandelt wird.“ Für die | |
| Tierschützer ist das zu wenig: „Wer guckt schon so genau hin, wenn es | |
| dunkel ist. Und für die Langstreckentransporte nach Sardinien interessiert | |
| sich auch niemand“, sagt eine Aktivistin im weißen Anorak. | |
| Mit fester Hand greift ein Kaufinteressent der Stute Sonata ins Maul. Der | |
| Mann prüft das Alter des Pferdes, klopft auf die Flanken und sieht sich die | |
| Hufe an. Schließlich fordert er die Bäuerin auf, ein Stück mit Sonata zu | |
| laufen. Bevor er etwas sagen kann, ruft Alina Bartek „8.000 Zloty!“, das | |
| sind umgerechnet 2.000 Euro, was eine Flut an Verwünschungen, Flüchen und | |
| Schimpfworten zur Folge hat. Doch das gehört zum Geschäft. Jetzt beginnt | |
| das Feilschen. Als Alina Bartek noch einen Leiterwagen draufschlägt, grinst | |
| der Bauer, das Geschäft ist perfekt. Mit Wodka wird das Geschäft besiegelt: | |
| „Na zdrowie!“ | |
| 28 Feb 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Gabriele Lesser | |
| ## TAGS | |
| Pferdefleisch | |
| Pferdefleischskandal | |
| Pferde | |
| Polen | |
| Pferdefleisch | |
| Tierschutz | |
| Ikea | |
| Pferdefleisch | |
| Pferdefleisch | |
| Lebensmittelskandal | |
| Tierhaltung | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Fleischskandal in den Niederlanden: Es gibt wieder Pferd | |
| Behörden in den Niederlanden rufen mehrere zehntausend Tonnen Fleisch | |
| zurück. Das EU-Parlament fordert eine bessere Kennzeichnung. | |
| Vorwurf der Tierquälerei: Affentheater im Schwaben-Park | |
| In einem baden-württembergischen Freizeitpark führen Schimpansen | |
| Kunststücke zur Belustigung der Besucher auf. Aktivisten halten das für | |
| Quälerei. | |
| Neuer Lebensmittelskandal bei Ikea: Mandelkuchen mit Kolibakterien | |
| Ikea hat ein neues Lebensmittelproblem: In Mandelkuchen wurden | |
| Kolibakterien gefunden. Das Unternehmen gibt an, diese stammten aber nicht | |
| aus Exkrementen. | |
| Gesetzliche Lebensmittelüberwachung: Zwangsouting für Pferdeverarbeiter | |
| Neuer Gesetzesentwurf: Die Koalition will schneller über | |
| Lebensmitteltäuschungen informieren und mehr gegen Antibiotikaeinsatz in | |
| der Tierhaltung tun. | |
| Die Wahrheit: Affenwurst an Spaghetti Ziegonese | |
| Jeder Tag bringt einen neuen Fleischskandal. Jetzt dürfen die Südafrikaner | |
| in Burgern Büffel und in Würstchen Affe genießen. | |
| Ikea stoppt Verkauf von Fleischbällchen: „Köttbular“ ist erst einmal gest… | |
| Auch in Deutschland stoppt Ikea den Verkauf von Hackbällchen. In 23 | |
| weiteren Ländern hat das Möbelhaus „Köttbullar“ bereits aus den Restaura… | |
| verbannt. | |
| Kommentar Bio-Eier: Die Kontrollen haben versagt | |
| Mit jedem Vorfall steigt der Druck auf die Politik, endlich zu handeln. | |
| Zentral gesteuerte Lebensmittelkontrollen könnten ein erster Schritt sein. |