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# taz.de -- „Kultur des Teilens“ auf der Cebit: Eigentum war gestern
> Das Teilen und Mitnutzen von Birnenkuchen bis Bohrmaschine wird beliebter
> – gerade unter Jüngeren. Auf der Cebit wirbt die IT-Industrie dafür.
Bild: Gemeinsam Fahrräder benutzen ist viel schöner.
BERLIN taz | In Regensburg gibt es zum Beispiel Birnenkuchen. In Rostock
Vierkorn-Milchbreipulver und in Berlin Rooibostee mit Mandelaroma. Alles
umsonst, bitte selbst abholen, angeboten über die Internetplattform
[1][Foodsharing.de]. Über 1.000 Übergaben zählen die Macher des Portals
seit dem Start im Dezember.
Das Weitergeben von Nahrungsmitteln ist nur das neueste Beispiel. Wer will,
kann mittlerweile einen guten Teil seines Lebens über Mitnutzungs-Portale
im Internet organisieren: Das Teilen von Autos und Unterkünften ist schon
ein Klassiker, doch auch Werkzeuge, Sportgeräte, Kameras, Boote und Gärten
lassen sich gemeinsam nutzen. Beim Tauschen ist vor allem Kleidung populär,
aber auch Spielzeug, Bücher und PC-Spiele.
Collaborative Consumption nennen Wissenschaftler das Phänomen. Eine Studie
der Leuphana-Universität Lüneburg im Auftrag des Vermittlers für
Privatunterkünfte, Airbnb, kommt zu dem Schluss, dass zwölf Prozent der
Bevölkerung in Deutschland mithilfe von Online-Portalen Dinge teilen. Bei
den 14- bis 29-Jährigen seien es 25 Prozent.
Besonders populär: Bikesharing. Neun Prozent der Internet-Nutzer beteiligen
sich einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom zufolge daran. Grundsätzlich
gilt laut den Lüneburger Forschern: Vor allem jüngere Personen mit höherer
Bildung und höherem Einkommen in einem urbanen Umfeld nutzten
Online-Verleihsysteme. Insgesamt machten sie bei 60 Prozent der Befragten
„postmaterialistische Werte“ aus.
## Das Teilen lohnt sich immer mehr
Auch die Computermesse Cebit, die Dienstag für das Publikum öffnet, hat
sich das Thema zum Motto gemacht. Passend zum IT-Umfeld geht es nicht nur
um das gemeinschaftliche Nutzen von Gegenständen, sondern auch um das
Teilen von Wissen, oder Crowdfunding, also die gemeinschaftliche
Finanzierung eines Projekts. Das Teilen werde „in Zeiten kürzer werdender
Innovationszyklen und sich verknappender Rohstoffe zu einer zentralen
Fragestellung“, heißt es in der Vorstellung des Themas.
Dabei tut sich gerade die Computerbranche wenig als ökologischer
Musterschüler hervor. Das beginnt schon bei der fehlenden Nachhaltigkeit
von Geräten. Zwar sind die immer weiter verbreiteten Notebooks sparsamer
als stationäre Computer, und Tablets verbrauchen noch einmal weniger. Doch
das Umweltbundesamt hat ausgerechnet, dass die Produktion so
energieintensiv ist, dass ein Gerätewechsel sich für die Umwelt erst nach
jahrzehntelangem Gebrauch lohnen würde.
Darüber hinaus nimmt die Recyclingfähigkeit ab. Die Hersteller verbauen
einzelne Teile wie Akkus zunehmend fest in die Geräte. Bei einem Defekt
muss der Nutzer es einschicken und die Tendenz, sich gleich ein neues zu
kaufen, nimmt zu. Und die Absatzzahlen steigen: Allein der Verkauf von
Tablet-Computern hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. Bei
Smartphones waren es 21,7 Millionen verkaufter Geräte nach fast 16
Millionen im Vorjahr. Die Hersteller fördern den Austausch nach Kräften.
Da ist nicht nur die von den Unternehmen stets dementierte geplante
Obsoleszenz – Schwachstellen in Geräten, damit diese nach einer bestimmten
Zeit den Dienst versagen. Auch mittels Software lassen sich Käufer dazu
bewegen, alte Geräte gegen neue auszutauschen, wenn etwa das neue, bessere
oder sicherere Betriebssystem nur auf einem neuen Handy läuft.
## Grundvertrauen unter Digital Natives
Dennoch könnte gerade die Generation der Digital Natives – also junger
internetaffiner Menschen, die vergleichsweise viele Endgeräte nutzen – die
Entwicklung in Richtung Teil- und Tauschgesellschaft maßgeblich
voranbringen. Denn sie verfügt laut Dorothee Landgrebe, Referentin für
Ökologie bei der Heinrich-Böll-Stiftung, über eine entscheidende
Voraussetzung: Vertrauen.
Die Heinrich-Böll-Stiftung hat in ihrer Studie „Nutzen statt Besitzen“
unter anderem analysiert, welche Zielgruppen besonders offen für neue
Formen des Konsums sind. „Es gibt hier eine kulturelle Veränderung“, sagt
Landgrebe. Die Digital Natives besäßen ein Grundvertrauen darein, dass der
Nutzer, mit dem man gerade einen Tausch vereinbart hat, das Produkt auch
losschickt und dass der teure Flachbildschirm auch nach der Rückkehr in die
an Fremde überlassene Wohnung noch da ist. „Die Digital Natives sind nicht
die Super-Ökos, aber sie sind es, die die Gesellschaft in der Frage
vorantreiben“, sagt Landgrebe.
Und wie sieht es aus mit missbrauchtem Vertrauen? Autos und Bohrmaschinen,
die nicht zurückgegeben werden, Kleider, die mit Flecken und
Computerspiele, die mit Kratzern auf der DVD ankommen? „Es passiert extrem
wenig“, sagt Landgrebe. Bekannt geworden sei ein großer Fall, in dem
vermeintliche Feriengäste in den USA eine Wohnung völlig verwüstet
zurückgelassen hätten. Zu einem vertrauensvollen Verhältnis beitragen
dürfte auch der Netzwerkcharakter der Teil- und Tauschbörsen: gegenseitige
Bewertungen und soziale Kontrolle inklusive.
4 Mar 2013
## LINKS
[1] http://foodsharing.de/
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Carsharing
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