# taz.de -- NSU-Prozess in München: Wer zuerst kommt ... | |
> Der türkische Botschafter bekommt beim NSU-Prozess nun doch einen festen | |
> Platz im Gerichtssaal. Andere müssen früh aufstehen, um dabei zu sein. | |
Bild: Zu wenig Platz im Münchner Gerichtssaal, doch umziehen will der Präside… | |
GÖTTINGEN taz | Der türkische Botschafter und der Menschenrechtsbeauftragte | |
des türkischen Parlaments sollen nun wohl doch reservierte Plätze im | |
Verfahren gegen die Beteiligten der NSU-Morde bekommen. | |
Das Oberlandesgericht (OLG) München arbeite an einer „für alle Beteiligten | |
praktikablen und akzeptablen Lösung“, so ein Sprecher des Gerichts. | |
Zunächst hatte das OLG die türkischen Beobachter nur auf die Möglichkeit | |
verwiesen, frühmorgens um einen der Besucherplätze anzustehen. | |
Am 17. April beginnt am OLG München der Prozess gegen Beate Zschäpe und | |
vier mutmaßliche Unterstüzer des Nationalssozialistischen Untergrunds | |
(NSU). Die rechte Terrorgruppe soll zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen | |
ermordet haben, davon sechs türkische Staatsbürger und zwei gebürtige | |
Türken. | |
## 50 Plätze für Journalisten | |
Im größten Saal der Münchener Justiz, dem Schwurgerichtssaal A 101, stehen | |
wegen der vielen Nebenkläger nur hundert Plätze für Besucher zur Verfügung, | |
davon hat das Gericht fünfzig für Journalisten reserviert. Die Journalisten | |
konnten sich seit Dienstag um einen der begehrten Plätze bewerben. | |
Vergeben werden sie nach dem Prinzip „wer zuerst kommt...“. Die sonstige | |
Öffentlichkeit muss sich jeden Morgen neu anstellen. Auch hier gilt: Wer | |
vorne in der Schlange steht, kommt rein, bis alle Plätze belegt sind. | |
Schon seit Wochen steht das OLG in der Kritik. Der SPD-Innenpolitiker | |
Dieter Wiefelspütz warf der bayerischen Justiz „Versagen“ vor, weil sie | |
keine ausreichende Öffentlichkeit für diesen „Jahrhundertprozess“ schaffe. | |
Der Grünen-Rechtspolitiker Jerzy Montag schlug ein Ausweichen in größere | |
Räumlichkeiten vor. | |
OLG-Präsident Karl Huber hat einen Umzug allerdings abgelehnt. „Wir machen | |
das nicht in einem Fußballstadion, wie das totalitäre Staaten tun“, sagte | |
er in einem SZ-Interview. Man führe „keinen Schauprozess“. Außerdem müsse | |
der Vorsitzende Richter den Saal „unter Kontrolle“ halten können. Es gehe | |
um Terrorismus mit erhöhten Sicherheitsanforderungen. | |
## Reservierung ist grundsätzlich unzulässig | |
Im Gerichtsverfassungsgesetz heißt es: „Die Verhandlung vor dem erkennenden | |
Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist | |
öffentlich“ (§ 169). Dies soll die Kontrolle der Justiz ermöglichen und | |
helfen, der Bevölkerung das Recht nahezubringen. Wenn die Öffentlichkeit | |
nicht gewährleistet ist, gilt das als absoluter Revisionsgrund. Das heißt: | |
der Prozess muss wiederholt werden. | |
Es besteht allerdings kein Anspruch darauf, dass jeder Interessent ein | |
Verfahren verfolgen kann. Es genügt, wenn grundsätzlich jeder Zutritt zum | |
Gericht hat, indem er sich rechtzeitig anstellt. | |
Eine Reservierung von Besucherplätzen für bestimmte Gruppen, etwa | |
Polizisten, ist grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme gibt es für | |
Journalisten. Hier ist eine Kontingentierung sogar geboten, weil die Medien | |
überhaupt erst eine breite Öffentlichkeit herstellen. | |
Auch für ausländische Besucher sind in begründeten Fällen Ausnahmen | |
möglich, heißt es im GVG-Kommentar „Löwe-Rosenberg“ (Rz 14 zu § 169). D… | |
dürfte es wohl auch möglich sein, den beiden türkischen Repräsentanten | |
feste Beobachterplätze zu geben, ohne einen Revisionsgrund zu schaffen. | |
## Strafrechtler warnt vor „Spektakel“ | |
Ein Umzug in ein größeres Gebäude lässt sich rechtlich wohl nicht | |
erzwingen. Im Gegenteil, viele Juristen wie der renommierte | |
Strafrechtsprofessor Claus Roxin lehnen Verhandlungen in Stadthallen oder | |
Ballsälen ausdrücklich ab. | |
Dabei werde der Angeklagte „zum Schauobjekt degradiert“. Ein | |
rechtsstaatlicher Prozess dürfe kein Spektakel werden. Davon kann | |
allerdings kaum die Rede sein, wenn das Gericht die Zahl der Zuhörerplätze | |
im NSU-Prozess durch einen Umzug verdoppeln oder verdreifachen würde. | |
Schließlich entstanden die beengten Verhältnisse hier ja erst durch den | |
Prozess selbst, an dem 64 Nebenklagevertreter mit 46 Anwälten teilnehmen. | |
Eine Übertragung des Verfahrens im Fernsehen ist gesetzlich verboten. Ob | |
eine Live-Übertragung in ein Pressearbeitszimmer möglich wäre, ist | |
umstritten. | |
8 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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