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# taz.de -- Das neue Magazin „Stadtaspekte“: Vertrocknete Zimmerpflanzen
> Das Alltägliche und die Architektur: Dem crowdfunding-finanzierten
> Magazin „Stadtaspekte“ gelingt es, beides in seltener Zugänglichkeit zu
> verbinden.
Bild: Schrumpfende Stadt: Auch ein Bericht über das Leben in Detroit findet si…
„Stadtleben findet unter Fremden statt“, sagte der Soziologe Zygmunt
Baumann. „Die Stadt ist ein vages System“, sagt Benedikt Crone,
stellvertretender Chefredakteur von Stadtaspekte, dessen erste Ausgabe im
Januar erschienen ist.
„Die dritte Seite der Stadt“ lautet der Untertitel des Magazins – was eine
Anspielung auf den feuilletonistischen Ansatz der Seite 3 vieler Zeitungen
sein soll, aber eben auch jenen Graubereich beschreibt, der sich auftut
zwischen dem offensichtlichen ersten Eindruck, den wir von einer Stadt
haben, und dessen ähnlich abziehbildhaftem Negativ. Ein Raum, den es zu
erkunden lohnt, um anschließend über das „außergewöhnlich Alltägliche“…
schreiben, das man ihn ihm findet.
Stadtaspekte tut genau dies, berichtet aus Detroit, Tiflis, Hamburg,
Mumbai, Kaiserslautern, Toronto … und, ja, auch aus Berlin, wenngleich es
nicht das hundertste Berlinheft sein will. Von vergleichbaren Magazinen wie
arch+ unterscheidet sich Stadtaspekte wiederum durch die Zielgruppe:
Explizit richtet es sich nicht an ein Fachpublikum. Es will jargonfrei in
Textarbeit und Bildsprache bleiben, die Stadt durch ihre Bewohner zum
Sprechen bringen und Themen aus professionellen Diskursen lesbar machen.
Dieser Anspruch wird eingelöst, die Texte sind zugänglich und vielseitig:
Da ist eine Annäherung in acht Teilen an den zwischen Groß-U-Bahnhof,
Fußgängerpassagen und Stadtraum zerfleddernden Wiener Karlsplatz. Ein
Beitrag über den wegweisenden Fotoband des Architekten Erich Mendelsohn,
der in den 1920er Jahren die neuen urbanen Möglichkeiten der in die Höhe
wuchernden Großstädte der USA gleichermaßen staunend und kritisch
dokumentiert hat.
Es gibt Überlegungen zu Flaggen an Balkonen im öffentlichen Raum und zum
nach der Wende re-designten Stadtwappen von Ludwigsfelde, es gibt
Fotostrecken von vertrockneten Zimmerpflanzen und von
Gated-Community-Bewohnern in Kapstadt.
## Aufgeräumtes Layout
Sprachlich ist nicht alles so hochwertig wie das aufgeräumte Layout und die
farbentsättigten, auf mattem Papier gedruckten Fotografien. Die häufige
Subjektivität der Texte schlägt mitunter ins Banale um – wie etwa der
schlampig übersetzte Bericht eines Japaners über seine Erkundung Bremens
mit den Geruchssinn oder die Erzählungen einer Geocacherin aus Mainz.
Was hingegen über die Berliner Sonnenallee als Repräsentationsort
arabischen Lebens und über eine Eckkneipe im Food-Court von Karstadt am
Hermannplatz im Heft steht, sind die wohl klügsten Gedanken, die man über
die inzwischen stark überstrapazierte Gentrifizierungskampfzone
Nordneukölln seit langem lesen konnte.
Über ein Jahr hat die Arbeit an der ersten Stadtaspekte-Ausgabe gedauert,
viermal wurde der Starttermin verschoben. Das 11-köpfige Team von jungen
Akademikern aus verschiedenen Disziplinen, das sich über einen Aufruf der
Gründer Jürgen Cyranek und Constantin Engel fand, musste erst einmal
gemeinsam Magazinmachen lernen – und Geld sammeln.
## 5.000 Euro durch Crowdfunding
Neben wenigen Anzeigen und den Verkaufserlösen – Heftpreis ist 7,90 Euro,
die Erstauflage liegt bei 8.000 Exemplaren – wurde Stadtaspekte zu
bedeutenden Teilen durch Crowdfunding im Internet finanziert. Über 5.000
Euro kamen auf [1][startnext] zusammen, eine Person spendete sogar 500 Euro
und erhielt zur Belohnung einen Artikel über ihre Lieblingsstadt – Bern –
im zweiten Heft, das zum Thema „Grauzonen“ im Juni erscheinen soll.
Bis dahin versorgt Stadtaspekte seine Leser im Internet, unter anderem mit
der täglichen Linksammlung [2][„Stadt um zehn“]. Ursprünglich war
Stadtaspekte ohnehin als reines Online-Magazin geplant, inzwischen ist das
keine Alternative mehr, wie Redakteurin Christina Riesenweber selbstbewusst
begründet: „Weil es das wert ist. So ein Heft ist ein halbes Jahr da und
die Themen verdienen es, dass man sich die Zeit für sie nimmt und sie nicht
nach zwei Wochen wieder verschwinden.“
13 Mar 2013
## LINKS
[1] http://www.startnext.de/stadtaspekte
[2] http://www.stadtaspekte.de/?page_id=58
## AUTOREN
Michael Brake
## TAGS
Crowdfunding
Architektur
Magazin
Rezension
Urbanität
Zeitungssterben
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