Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Massaker von Kandahar: Kleine Gesten zeigen den Horror
> Vor einem Jahr ermordete US-Sergeant Robert Bales bei Kandahar mitten in
> der Nacht 16 Zivilisten. Ein Kurzfilm lässt nun die Überlebenden zu Wort
> kommen.
Bild: Ein Frage, die nie abschließend beantwortet werden kann.
In der Nacht vom 11. März 2012 ermordete der US-Sergeant Robert Bales bei
Kandahar kaltblütig 16 Bewohner zweier Dörfer, darunter neun Kinder. Bales
hatte sich eigenmächtig von seinem Stützpunkt entfernt, drang in der Nähe
in ein Bauernhaus ein, tötete die Bewohner und kehrte seelenruhig in seine
Basis zurück. Kurz darauf zog er wieder los und mordete erneut. Die meisten
Opfer richtete er mit gezielten Kopfschüssen hin, teilweise zündetete er
ihre Leichen an. Auf seinem Stützpunkt ließ er sich dann später
widerstandslos festnehmen.
Im November 2012 wird er erstmals wegen Mordes [1][vor ein US-
Militärgericht gestellt]. Darauf steht die Todesstrafe, die der Zustimmung
des US-Präsidenten bedürfte und gegen US-Militärangehörige seit 1961 nicht
mehr vollstreckt wurde. Bales Anwalt verweist auf posttraumatische
Belastungsstörungen und auf eine im Irak-Krieg zugezogene Kopfverletzung.
Wie die Überlebenden und Angehörigen der Toten die Taten von Bales erlebt
und verarbeitet haben, interessierte bisher kaum. Umso verdienstvoller ist
es, dass jetzt genau zum ersten Jahrestag der Kurzfilm „Stille Nacht. Das
Massaker von Kandahar“ der Deutsch-Afghanin Lela Ahmadzai dieser Frage
nachgeht. Die Opfer und ihre Angehörigen bekommen durch den Film erstmals
Gesichter und Stimmen und sind nicht mehr nur Zahlen in der Kriegstatistik.
Im Film beschreiben sie ihre Erlebnisse erstaunlich gefasst. Das liegt laut
Filmemacherin Ahmadzai daran, dass sie sechs Tage lang mit ihnen gesprochen
hat, bevor sie mit den Aufnahmen begann.
Der gut sechsminütige Schwarzweißfilm von 2470media arbeitet mit
minmalistischen Mitteln. Eingeblendete Kurztexte ersetzen Stimmen von
Sprechern, oft sind nur Fotos statt bewegter Bilder zu sehen. Einige
Fotografien stammen von Mamoon Durrani, der direkt nach dem Massaker vor
Ort war. Doch um die Aussagen der Interviewpartner zu betonen, habe sie
gerade nicht blutige Bilder ausgewählt, sagt Ahmadzai.
Eine besonders beeindruckende Szene zeigt statt des Gesichts des
Interviewpartners allein seine Hände. Diese beschreiben mit nur ganz
kleinen Gesten den erlebten Horror und lassen ihn in dieser angedeuteten
Form noch brutaler und verständnisloser erscheinen. Umso merkwürdiger ist
die dramatisierende Begleitmusik, die zum beeindruckenden und gut
funktionierenden Minimalismus nicht recht passen wil.
Dennoch macht der Film schnell klar: Die Tat bleibt nicht nur
menschenverachtend und verstörend, sondern auch die Perspektive der Opfer
und ihrer Angehörien hat viel mehr Beachtung verdient – nicht zuletzt, um
Lehren aus solchen Fällen ziehen zu können. „Keiner der Interviewpartner
lebt mehr dort“, sagt Ahmadzai. „Sie haben den tragischen Ort verlassen.
Schließlich haben sie gespürt, wie gefährlich es dort werden kann.“
11 Mar 2013
## LINKS
[1] /Massaker-in-Afghanistan/!105507/
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
Todesstrafe
Schwerpunkt Afghanistan
Saddam Hussein
Kino
Donald Rumsfeld
USA
## ARTIKEL ZUM THEMA
Todesstrafe in 21 Staaten der Welt: Die Basis von Folter
China, Iran, Irak und Saudi-Arabien bleiben die Staaten mit den meisten
Hinrichtungen. Das und mehr geht aus dem neuen „Amnesty“-Bericht hervor.
Deutsche Hubschrauber in Afghanistan: Tiger mit Sandfilter
Nach langem Warten hat die Bundeswehr in Afghanistan nun erstmals
Kampfhubschrauber im Einsatz. Das Waffensystem kostete Milliarden.
Streit der Woche: „Die Frage klingt zynisch“
Hat sich der Irakkrieg gelohnt? Ja, sagen die einen. Der Irak sei frei.
Nein, widersprechen die anderen. Dort herrsche Chaos.
Filmstart „Hai-Alarm am Müggelsee“: Griechische Ananas
Ein Katastrophenfilm? Nein, „Hai-Alarm am Müggelsee“ von Leander Haußmann
und Sven Regener ist eher eine unrunde Aneinanderreihung von Gags.
Streit der Woche: Hat sich der Irakkrieg gelohnt?
Vorgeschobene Kriegsgründe, weltweite Proteste: Vor zehn Jahren begannen
die Luftangriffe auf Bagdad. Heute, nach dem Krieg, ist der Irak immer noch
nicht stabil.
Massaker in Afghanistan: US-Soldat droht Todesstrafe
Weil ein US-Soldat in Afghanistan 16 Zivilisten getötet haben soll, fordert
die Staatsanwaltschaft die Todesstrafe. Seine Verteidigung verweist auf
psychische Probleme.
Amoklauf eines US-Soldaten: Afghanen glauben nicht an Einzeltäter
Lokale Untersuchungen widersprechen der Version des US-Militärs, ein
Amokläufer habe allein 16 Dorfbewohner getötet. Es seien 15 bis 20 Täter
gewesen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.