# taz.de -- Neues Assange-Buch „Cypherpunks“: Übel, übler, noch übler | |
> Ein Gespräch wird zum Buch. Verkaufen soll es sich offenbar über den | |
> Namen des Wikileaks-Kopfes und seiner prominenten Mithacker. | |
Bild: Jetzt auch als Buch: Assanges düstere Zukunftsprognose. | |
Es ist alles katastrophal – und wird ab jetzt immer schlimmer. Das ist die | |
Kurzzusammenfassung des neuen Buches von Julian Assange, in dem er mit drei | |
Mitstreitern über das Internet spricht. Über Komplettüberwachung und immer | |
weniger Freiheiten, über Zensur, staatliche Kontrolle und Kryptographie als | |
einzigem Ausweg. | |
Im Sommer 2012 war es, da hatten sich die vier prominenten Hacker und | |
Hacktivisten in Assanges britischem Hausarrest-Domizil versammelt und für | |
seine Sendung im russischen Fernsehen ausführlich disktuiert, über Zustand | |
und Zukunft des Internets. Ein Gespräch unter intelligenten Misstrauischen: | |
Der US-Hacker Jacob Appelbaum entwickelt nicht nur die | |
Anonymisierungssoftware Tor, seit dem Bekanntwerden seiner | |
Wikileaks-Unterstützung wird er regelmäßig bei der Heimreise in die | |
Vereinigten Staaten an der Grenze auseinander genommen. | |
Andy Müller-Maguhn war Sprecher und Vorstand des Chaos Computer Clubs und | |
einer der ehrenamtlichen ICANN-Direktoren – und der umtriebige französische | |
Internet-Freiheitsaktivist Jérémie Zimmermann kämpft in Frankreich und | |
Brüssel seit Jahren gegen Vorhaben wie das ACTA-Abkommen. Aus einer | |
Verschriftlichung dieses Gespräches, angereichert mit ein wenig Hintergrund | |
und Fußnoten, besteht das Buch „Cypherpunks“; das nun in deutscher | |
Übersetzung im Campus-Verlag erscheint. | |
Nun ist es ja derzeit in der Buchbranche recht schick geworden, aus ein | |
paar Gesprächen von einigermaßen Prominenten einfach fix ein Buch zu | |
stricken. Dalai Lama und Stephan Hessel, Karl-Theodor zu Guttenberg und | |
Giovanni di Lorenzo und nun eben Julian Assange und seine Hacker – wenn die | |
Namen nur bekannt genug sind, wird’s schon irgendwer kaufen. Abtippen, | |
übersetzen, fertig. | |
## Videos hätten' auch getan | |
Nur lässt „Cypherpunks“ einen mit genau diesem Gefühl zurück: Warum habe | |
ich mir nicht einfach die Videos dieser Gespräche angesehen? Dann wären | |
bestimmt sogar die Herumfrotzeleien zwischen den Hackern ein bisschen | |
weniger unangenehm, dann könnte man sich diese grauenvolle deutsche | |
Übersetzung ersparen. | |
Gut, ein bisschen weniger erklärende Fußnoten hätte man zur Verfügung. Aber | |
für Leute, die sich mit den Themen, über die die Hacker sprechen, noch nie | |
beschäftigt haben, ist das Buch ohnehin nicht geeignet: Zu sehr gefallen | |
sich die Vier in ihrem Bescheidwissertum, zu locker hüpft das Gespräch von | |
chinesischen Überwachungsschnittstellen bis zur Digitalwährung Bitcoin. | |
Und so stellt sich die Frage, wer dieses Buch lesen soll – jetzt, ein | |
dreiviertel Jahr, nachdem das Gespräch geführt worden ist. Neun Monate, das | |
ist im Netz eine sehr lange Zeit. Und so wirkt ihre Debatte über das | |
Anti-Piraterie-Abkommen Acta, das schon im vergangenen Sommer gekippt | |
wurde, genauso altbacken wie der schon seit gefühlten Ewigkeiten | |
durchgekaute Einfluss des Internets auf den Arabischen Frühling. | |
## Klare Weltbilder | |
Auch sonst sind die Argumente und die Weltsicht der Hacker weder neu noch | |
überraschend: Wirtschaft, vor allem aber Staaten sind böse, ein paar | |
Hacker, die gegen sie anarbeiten, heldenhaft, und die breite Masse der | |
Bevölkerung ahnungslos und bedauernswert. Zwischentöne sind nicht erlaubt: | |
Wenn Netzaktivist Zimmermann darauf hinweist, dass Überwachung zu | |
Strafverfolgungszwecken unter richterlicher Aufsicht sinnvoll sein könnte, | |
wird er von den drei anderen so angekeilt, dass er wenige Seiten später | |
kleinlaut einen Rückzieher macht. | |
Da kommen eben so schlichte Prognosen heraus wie die von Assange, am Ende | |
endeten wir in einer globalen totalitären Überwachungsgesellschaft, gegen | |
die sich nur ein paar letzte freie Menschen mit kryptographischen Mitteln | |
zur Wehr setzen werden können. | |
Und so wirkt das Buch wie überhaupt das Schaffen von Julian Assange in den | |
vergangenen Monaten: Wie das inzwischen ziemlich angestrengte Buhlen um | |
Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich, weil sie mit das Letzte ist, was ihn in | |
seinem skurrilen Exil in der equadorianischen Botschaft in London überhaupt | |
noch schützt. | |
14 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Meike Laaff | |
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