# taz.de -- Kolumne Blicke: Der Preis des Schreibens | |
> Die deutsche Literatur ist üppig subventioniert. Wer was vom Kuchen | |
> abhaben will, zahlt mit Erniedrigung. Aber es geht auch anders. | |
Bild: Andrang in Leipzig. Ruhe in Berlin, schön | |
Ruhig ist es in Berlin, das große Palaver ist temporär nach [1][Leipzig] | |
zur Buchmesse umgezogen. Ich war schon einige Male da und hatte immer viel | |
Spaß: Es ist ja schön, ein paar Tage unter dauerbeschwipsten Menschen zu | |
verbringen. | |
Nach einer Phase der winterlichen Einkehr mischte auch ich mich zuletzt | |
wieder unter die Menschen, bei Kongressen und Lesungen. Dabei ist mir eine | |
bemerkenswerte Wandlung aufgefallen, die sich in den Pausen oder beim | |
anschließenden Umtrunk vollzieht. | |
Gewiss, das zahlende Publikum debattiert dann noch über den Einsatz des | |
antiken Jambus im modernen Gedicht oder über die Schwierigkeiten | |
zivilgesellschaftlichen Engagements im ländlichen Raum; die professionellen | |
Podiumsbewohner jedoch und die versammelten Eingeweihten reden nur über | |
eines: über Geld. | |
Besonders krass ist dieser Wechsel der Rede natürlich bei den | |
Schriftstellern. Kaum ist der Gesang verklungen, wird bei Wein und Tabak | |
das deutsche Literaturförderwesen durchdekliniert, eine blühende | |
Kultursubventionslandschaft, um die uns – wie sollte es anders sein – die | |
ganze Welt beneidet. Wie viele Literaturpreise, Förderstipendien und | |
Stadtschreiberpöstchen es in der Bundesrepublik gibt, weiß niemand, die | |
Zahl ist jedenfalls vierstellig. Mindestens. | |
Was ich weiß, ist, dass die Autoren, die mir am meisten am Herzen liegen, | |
gar nicht oder nur sehr sparsam aus diesen reichen Töpfen abbekamen. | |
Ausschließlich unrecht ist ihnen das aber nicht, sie folgen der Devise | |
„writing is my business“ – und wenn es in der deutschen Litertaur | |
marktwirtschaftlich zuginge, dann müssten sich sehr, sehr viele einen | |
vernünftigen Job suchen. | |
Die klassische Formulierung zum Thema stammt von Jörg Fauser. In einem | |
biografischen Abriss schrieb er einmal: „Keine Stipendien, keine Preise, | |
keine Gelder der öffentlichen Hand, keine Jurys, keine Gremien, kein | |
Mitglied eines Berufsverbands, keine Akademie, keine Clique; verheiratet, | |
aber sonst unabhängig.“ Kurz darauf wurde er von einem Lkw überfahren. Wie | |
sagten es seine geliebten Amerikaner ungefähr: „Da draußen ist der | |
Dschungel.“ | |
Mir war es bei der Herstellung von Literatur und Literaturwissenschaft | |
immer egal, ob ich dafür ausgezeichnet würde. Einmal verhinderte ein | |
kaputter Anlasser die Anreise zur Preisverleihung, einmal sagte ich ab, | |
weil ich gerade ein Kind bekam; und jedes Mal wurde ich von den Vergebern | |
wie ein Kellner dafür gerügt, dass ich nichts zum strahlenden Event der | |
Verleihung der Peter-Puschel-Gedächtnismedaille in der Stadthalle | |
Neudettelsbrück beigetragen hätte. Denn darum ging es bei der Sache: um die | |
Eitelkeit der Auszeichner, nicht um die Förderung der Macher. | |
Und wenn ich sehe, wie die Kollegen im Journalismus als | |
Preisverleihungsfußvolk durch die Lande gehetzt werden und sich den öden | |
Reden und dem Pestatem der sogenannten Entscheider aussetzen müssen, dann | |
bin ich ganz zufrieden mit der möglicherweise angeborenen Haltung, dass | |
meine Texte nur vor mir selbst bestehen müssen – der Job ist auch hart | |
genug. | |
15 Mar 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.leipziger-buchmesse.de/ | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
Ambros Waibel | |
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