# taz.de -- Medienkrieg: Abdeckblatt gegen Anzeiger | |
> Der Weser Kurier drängt mit einem eigenen Anzeigenblatt auf den Markt. | |
> Der Bremer Anzeiger muss ab April ohne die Hilfe aus dem Pressehaus | |
> auskommen. | |
Bild: Der Bremer Anzeiger will nicht im Pressehaus des Weser Kuriers bleiben. | |
Michael S. ist Austräger des Bremer Anzeigers und das schon seit Jahren. | |
Von seinem Arbeitgeber, der Weser-Medien Vertriebs-GmbH mit Sitz im Bremer | |
Pressehaus in der Martinistraße, hat ihn kürzlich ein merkwürdiger Brief | |
erreicht: Der „Verteilvertrag“ mit dem Bremer Anzeiger sei gekündigt | |
worden, für den Austräger bleibe aber alles beim Alten, statt Anzeiger | |
werde er ab April sonntags ein „neues Objekt“ des Weser Kuriers zustellen: | |
„Sie behalten natürlich Ihren bisherigen Bezirk, Ihre Abladestelle und Ihre | |
Konditionen!“ | |
Das bedeutet im Klartext: Die Weser-Kurier-Medien-Gruppe trennt sich vom | |
Bremer Anzeiger und will mit einem eigenen Anzeigenblatt auf den Markt | |
gehen. Bis 2009 war im Handelsregister noch Kerstin Hackmack Inhaberin von | |
75 Prozent der Gesellschafteranteile des Anzeigers, eine in Berlin lebende | |
Mathematik-Studentin. Sie ist die Nichte des Weser-Kurier-Geschäftsführers | |
Ulrich Hackmack, gehört also zur Inhaber-Familie. | |
Dann taucht 2010 im Handelsregister eine „Medien-Beteiligungs-UG“ aus | |
Lilienthal als Alleinbesitzerin auf. Das sah damals stark nach einer der – | |
in der Branche üblichen – Strohmann-Konstruktionen aus, mit der | |
kartellrechtliche Probleme vermieden werden sollen. Denn der Anzeiger war | |
rundum von der Weser-Kurier-Mediengruppe abhängig: Lohnbuchhaltung, | |
Redaktion und Trägerdienst wurden an Firmen im Bremer Pressehaus vergeben. | |
Das führt dazu, dass der Chefredakteur des Bremer Anzeigers, Peter Tänzer, | |
gleichzeitig Geschäftsführer der Weser-Kurier-Tochter „EMSN“ ist. Die | |
Kleinanzeigenannahme für den Bremer Anzeiger saß im Foyer des Pressehauses | |
des Weser Kuriers – bis zum 1. März. Vor allem aber war der Anzeiger auf | |
die großflächigen Weser-Kurier-Abo-Anzeigen angewiesen, mit denen sonst | |
drohende Defizite ausgeglichen werden konnten. | |
Hinter den Kulissen deutet sich seit einigen Wochen der große Streit um den | |
Werbemarkt an, der im April ausbrechen wird: Der Bremer Anzeiger stellte im | |
Januar seine Mittwochsausgabe ein, die wesentlich für die Defizite | |
verantwortlich war. Dann wechselte der Anzeiger seine Druckerei – nicht | |
mehr das Druckhaus des Weser Kuriers in Woltmershausen hat den Auftrag, | |
sondern eine Druckerei im schleswig-holsteinischen Pinneberg. Nun steht die | |
Trennung im Vertrieb an. | |
Sein neues Produkt hat der Weser Kurier im Landkreis Osterholz seit Wochen | |
getestet: „Kurier der Woche“ ist der Name. Aufmacher war am 3.März zum | |
Beispiel ein Text, der einen Tag zuvor im Osterholzer Kreisblatt der | |
Weser-Kurier-Gruppe erschienen war. Wie das passieren kann, erklärt ein | |
Blick ins Impressum des „Kuriers der Woche“: Die Redaktion ist erreichbar | |
über die Firma „Stark Kundenservice“ in der Martinistraße in Bremen, die | |
die Anzeigen-Vermarktung für den Weser Kurier macht. | |
Das, was der Weser Kurier ab April verteilen lassen will, wird im | |
Fachjargon „Abdeckblatt“ genannt. Da der Weser Kurier immer weniger die | |
Bremer Haushalte „abdeckt“, wird ohne eigenständigen redaktionellen Aufwand | |
ein dünnes Zweitprodukt zusammengestellt, das an die Haushalte verteilt | |
werden soll, die den Weser Kurier – also sonntags den Kurier am Sonntag – | |
nicht bekommen. So will der Weser Kurier seine Anzeigen-Akquisiteure das | |
machen lassen, was bisher mit dem Bremer Anzeiger aus kartellrechtlichen | |
Gründen untersagt war: Kombi-Anzeigen für den Weser Kurier und den | |
Anzeigen-Ableger zu bewerben. | |
„Ignorieren sie Abwerbeversuche“, hat der Medien-Vertrieb die Austräger des | |
Bremer Anzeigers vorsichtshalber schon einmal gewarnt. Offenbar will sich | |
der Bremer Anzeiger auch ohne die große Mutter Weser Kurier auf dem Markt | |
behaupten. Der Anzeiger muss bis zum 7.April einen eigenen Trägerdienst | |
aufbauen. Auf die Dauer wird ein unabhängiger Anzeiger sich die | |
redaktionellen Texte auch nicht von einer Tochterfirma des Weser | |
Kurier-Verlages liefern lassen können. Konkret bereitet der Bremer Anzeiger | |
seinen Umzug vor – im Pressehaus des Weser Kuriers in der Martinistraße | |
will er auch nicht bleiben. | |
17 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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