# taz.de -- Fußball-WM-Quali Kroatien vs Serbien: Dinamo gegen Roter Stern | |
> Wenn Kroatien und Serbien in der WM-Qualifikation aufeinandertreffen, | |
> dann geht es nicht nur um Fußball. Der Austragungsort weckt böse | |
> Erinnerungen. | |
Bild: Nationalismus auf den Rängen: Fans des serbischen Vereins FK Rad verbren… | |
ZAGREB taz | Goran bringt einen „Rakija“ zum Frühstück. Der selbstgebrann… | |
Obstschnaps hebe die Lebensgeister, verspricht er. Goran kommt aus Zagreb, | |
er wird sich das Fußballspiel diesen Freitag zwischen Kroatien und Serbien | |
am TV anschauen. Er will schon, dass Kroatien gewinnt, aber die Welt, sagt | |
er, hänge für ihn nicht vom Ergebnis dieses Spiels ab. Nicht jeder sieht | |
das so entspannt wie Goran. | |
Es ist ein hochbrisantes, politisch aufgeladenes Duell in der | |
WM-Qualifikation an einem symbolischen Ort: dem Maksimir-Stadion in Zagreb. | |
Die Vergangenheit hallt immer noch nach. Am 13. Mai 1990 trafen dort Dinamo | |
Zagreb und Roter Stern Belgrad aufeinander. Es kam zu schweren Schlägereien | |
zwischen Hooligans aus Zagreb und Belgrad, auch Spieler von Dinamo traten | |
auf Polizisten und Belgrader Fans ein. | |
Viele sehen in den Ereignissen von damals den Anfang des Bürgerkriegs im | |
Vielvölkerstaat Jugoslawien. Die Ultra-Gruppierungen beider Klubs kämpften | |
später an der Front gegeneinander. Noch heute erinnern die Dinamo-Ultras | |
der Bad Blue Boys mit einem Denkmal am Maksimir-Stadion an die Toten aus | |
ihren Reihen. | |
Im Vorfeld dieses Spiels steht auch die Geschichte von Igor Stimac und | |
Sinisa Mihajlovic im Zentrum. Stimac ist Nationaltrainer Kroatiens, | |
Mihajlovic der von Serbien. Beide standen sich Jahrzehnte lang wie | |
Todfeinde gegenüber. Beim Pokalendspiel im Mai 1991 zwischen Hajduk Split | |
und Roter Stern Belgrad sahen Stimac (Split) und Mihajlovic die Rote Karte. | |
Ein paar Tage zuvor hatten serbische Freischärler sich in Borovo ein | |
tödliches Gefecht mit kroatischen Polizisten geliefert. Mihajlovic, Sohn | |
eines Serben und einer kroatischen Mutter, stammt von dort. Stimac, so | |
erzählte Mihajlovic später, habe ihm während des Pokalendspiels gesagt, er | |
bete zu Gott, dass seine Familie ermordet werde. | |
## Gegnerische Fans dürfen nicht kommen | |
Nun aber zeigen sich beide zumindest öffentlich versöhnlich, im letzten | |
Jahr trafen sie sich in Warschau. „Das ist nicht die Fortsetzung des | |
Krieges, es ist nur ein heißes Fußballspiel“, erklärte der ehemalige | |
Italien-Pofi Mihajlovic in der Gazetta dello Sport. Doch längst sind nicht | |
alle Wunden verheilt, 23 Jahre nach dem verhängnisvollen Spiel im Maksimir | |
und 18 Jahre nach dem Ende des Krieges. Serbische Fans sind in Zagreb nicht | |
zugelassen, beim Rückspiel in Belgrad im September keine kroatischen. | |
Der Druck der internationalen Fußballverbände ist groß. Die Gewalt rund um | |
die Spiele kroatischer und serbischer Mannschaften wollen Fifa und Uefa | |
nicht länger akzeptieren, sie drohen mit Ausschluss aus den Wettbewerben. | |
In den letzten Monaten ist es vor allem Stimac nicht immer leicht gefallen, | |
seine nationalistische Gesinnung zu verbergen. | |
Im November 2012 wurden die Generäle Mladen Markac und Ante Gotovina vom | |
UN-Strafgerichtshof in Den Haag im Berufungsverfahren vom Vorwurf der | |
Kriegsverbrechen [1][freigesprochen]. In Kroatien feierten die Menschen | |
dies als Legitimation ihres Unabhängigkeitskrieges. Ein politisches Urteil | |
sei das, hieß es in Belgrad, das den Kroaten den EU-Beitritt diesen Juli | |
vereinfachen solle. Stimac erklärte damals, Gotovina könne doch symbolisch | |
den Anstoß beim nächsten Heimspiel Kroatiens übernehmen. Diese Aussage | |
löste nicht nur in Serbien Proteste aus, war doch das nächste Heimspiel | |
jenes gegen Serbien. Stimac erklärte später, er sei falsch verstanden | |
worden. | |
Für einen Eklat im Vorfeld sorgte auch Zdravko Mamic, der umstrittene | |
Präsident von Dinamo Zagreb. Mamic bezeichnete den kroatischen | |
Sportminister Zeljko Jovanovic als „Kroatenhasser“, der eine „Beleidigung | |
für den kroatischen Verstand“ sei. Jovanovic gehört der serbischen | |
Minderheit in Kroatien an. Regierungschef und Staatspräsident verurteilten | |
die Äußerungen. | |
Selbst Davor Suker, den viele in Kroatien als Marionette Mamic’ bezeichnen, | |
distanzierte sich in seiner Funktion als Präsident des kroatischen | |
Fußballverbandes. Dennoch scheint die Stimmung insgesamt weniger vergiftet | |
als noch 1999, als Kroatien in der EM-Qualifikation auf das damalige | |
Jugoslawien traf. Mit dabei: Stimac als Spieler für Kroatien, Mihajlovic | |
für Jugoslawien. Der WM-Dritte Kroatien scheiterte damals. Diesmal sind die | |
Kroaten klarer Favorit. Gewinnt aber Serbien, könnten sie bis auf drei | |
Punkte an Kroatien herankommen, die zusammen mit Belgien (beide 10 Punkte) | |
die Tabelle anführen. | |
22 Mar 2013 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schächter | |
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