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# taz.de -- Zukunft des Nahostkonflikts: „Die Zweistaatenlösung ist möglich…
> George Giacaman, Professor in Birzeit, über Obamas Nahostbesuch, die
> Chancen der Zweistaatenlösung und eine dritte Intifada.
Bild: Waren sowieso nicht sehr groß, sagt Professor Giacaman: Die Erwartungen …
taz: Herr Giacaman, Barack Obama hat wieder mal eine schöne Rede gehalten,
diesmal vor israelischen Studierenden, ist aber ohne neuen Friedensplan
nach Ramallah und Jerusalem gekommen. Sind Sie enttäuscht?
George Giacaman: Die größte Enttäuschung über Obama haben die Palästinenser
schon hinter sich, während seiner ersten Amtszeit. Zuerst hat er die
Notwendigkeit, den Bau den Siedlungen zu stoppen, betont – und dann klein
beigegeben. Jetzt ist er natürlich vorsichtiger. Die Erwartungen an Obamas
Besuch waren daher diesmal nicht sehr groß. Die Frage ist eher: Was kommt
danach?
Was erwarten Sie?
Ich selbst habe keinen Zugang zu internen Informationen. Israelische
Beobachter sind sich nicht einig. Viele glauben, dass Obama nichts wirklich
unternehmen wird. Andere vermuten, dass er die sogenannte Arabische
Friedensinitiative der Arabischen Liga wiederbeleben will, die Israel im
Gegenzug zu einer Zweistaatenlösung die Normalisierung der Beziehungen zu
seinen Nachbarn in Aussicht gestellt hat. Die Gefahr ist, dass es
irgendwann zu einer offenen Auseinandersetzung in den Palästinensergebieten
kommt, wenn nach dem Besuch nicht glaubhafte Verhandlungen beginnen.
Von einer möglichen dritten Intifada wird doch seit Jahren gewarnt. Aber
bislang ist sie ausgeblieben.
Zunächst einmal reden eher die Israelis von einer dritten Intifada als die
Palästinenser. Und wenn sie käme, müsste sie ja nicht dieselbe Form
annehmen wie die früheren. Siehe etwa die Zelte, die Palästinenser in den
letzten Tagen aus Protest gegen neue israelische Siedlungen aufgebaut
haben. Ich kann nicht vorhersagen, wann eine solche Intifada kommen wird;
aber die Bedingungen für sie sind da, solange der politische Prozess nicht
vorangeht.
Die Europäer glauben, dass der Palästinenserkonflikt nicht mehr ganz oben
auf der Tagesordnung steht.
Ich weiß, aber das ist eine Fehlinterpretation der Lage. Obama hat in
seiner Rede ja zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die Situation im
Nahen Osten verändert. Aufgrund der Demokratisierung in einigen arabischen
Ländern, besonders Ägypten, bekommt die öffentliche Meinung dort größeres
Gewicht. Wenn der Konflikt hier wieder ausbrechen sollte, wird die Reaktion
der arabischen Welt anders sein als früher. Zumindest was die Reaktion der
Bevölkerung betrifft, nicht unbedingt die der Regierungen. Aber die
Regimes, die mit den USA verbündet sind, werden dadurch unter Druck
geraten.
Können die USA die neue israelische Regierung ohne politischen Druck wieder
an den Verhandlungstisch für eine wirkliche Friedensinitiative bekommen?
Die gegenwärtige Regierung nicht, so viel ist klar. Die entscheidende Frage
ist: Was können die Palästinenser tun? Die Israelis haben ein großes
Interesse an der Existenz der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA).
Andernfalls müssten sie die Westbank erneut besetzen, sich selbst um die
Sicherheitslage kümmern und alle Ausgaben selbst zahlen. Deshalb sind sie
sehr zufrieden mit den Sicherheitsvereinbarungen, die sie mit der PA
geschlossen haben. Sie sind nur nicht bereit, den politischen Preis für
eine Zweistaatenlösung zu bezahlen. Die PA kann ihren Kurs des legalen und
diplomatischen Widerstands fortsetzen, den sie in der UN begonnen hat. Es
gibt noch immer mindestens 30 Einrichtungen, denen sie beitreten kann.
Und der Gang zum Internationalen Strafgerichtshof?
Das könnte die letzte Karte sein. Israel und europäische Länder haben die
PA ja davor gewarnt. Aber schon die Schritte zuvor werden eine Krise nach
der anderen hervorrufen. Zum Schluss könnten die Israelis die PA auflösen,
aber sie müssten wie die USA dafür einen hohen Preis bezahlen. Eine Krise
auszulösen ist eine Möglichkeit, die Politik in Bewegung zu bringen.
Obama fordert die Palästinenser auf, die Verhandlungen wieder aufzunehmen,
obwohl die Siedlungen weitergebaut werden.
Ich sehe nicht, wie die Palästinenserführung dem zustimmen kann – es sei
denn, irgendein Kompromiss wird gefunden, der zumindest einen teilweisen
Stopp beinhaltet.
Sie klingen trotz alledem recht optimistisch, dass es noch einer
Zweistaatenlösung kommen wird. Selbst Israelis aus dem Friedenslager wie
Carlo Strenger glauben, dass diese Option längst gestorben ist, weil sie zu
wenige wollen.
Auch auf Palästinenserseite denken das viele. Ich halte die
Zweistaatenlösung nach wie vor für möglich, aber dazu braucht es mehr
politischen Druck und Willen als früher.
Viele Israelis fürchten, dass sie nach einer Zweistaatenlösung nicht mehr
nur aus Gaza mit Raketen beschossen werden, sondern auch aus der Westbank.
Wie wollen Sie denen die Angst nehmen?
Zunächst einmal haben die Palästinenser am meisten unter der
Besatzungspolitik gelitten, was die Zahl der Todesopfer, der Verletzten und
der Gefangenen betrifft. Und dann ist es so, dass solche Abkommen
normalerweise mit Sicherheitsgarantien von Dritten verbunden sind. Die
Israelis haben immer klargemacht, dass ein palästinensischer Staat
entmilitarisiert sein soll. Die Details können geklärt werden, etwa der
Einsatz einer multinationalen Truppe.
Wahlen, wenn sie jemals kommen sollten, könnte Hamas gewinnen. Ist eine
Übereinkunft mit ihr denkbar?
Ich denke schon. Hamas-Kader haben immer wieder davon gesprochen, dass sie
einen Waffenstillstand von 20 bis 30 Jahren wollen. Und wer politisch
denken kann, weiß, was 20 bis 30 Jahre Waffenstillstand bedeuten. Die Lage
verändert sich in einem solchen Zeitraum; es würde schwierig, sie wieder
umzukehren. Und wer sagt denn, dass Hamas gewinnt. Die schwächer gewordene
Position der Autonomiebehörde liegt zu großen Teilen daran, dass sie keine
Lösung in der Besatzungsfrage vorweisen kann. Aber wenn sie eine solche
Übereinkunft erzielen könnte, würde das auch ihre Wahlchancen verbessern.
22 Mar 2013
## AUTOREN
Martin Reeh
Martin Reeh
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Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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Palästina
Barack Obama
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