# taz.de -- Die Gründung des ZDF vor 50 Jahren: Der schimmlige Rest | |
> Das ZDF wird fünfzig. Doch auch die aktuell guten Quoten lassen seinen | |
> Geburtsfehler nicht verschwinden: Der Sender bleibt ein Gefangener der | |
> Parteien. | |
Bild: Kein Aprilscherz: Die Eröffnungsrede des ZDF-Gründungsintendanten Karl … | |
Wohin mit den „verschimmelnden“ Beiträgen, die sich für ein zweites | |
deutsches Fernsehprogramm im Keller angesammelt hatten? Das fragte sich | |
Anfang 1961 Bruno Heck, der CDU-Vorsitzende des kulturpolitischen | |
Bundestagsausschusses. | |
Ein zweites Programm lag zu diesem Zeitpunkt auf Eis, das | |
Bundesverfassungsgericht hatte Konrad Adenauers Pläne des | |
Deutschland-Fernsehens, auf das der von der Pressefreiheit nur bedingt | |
überzeugte Kanzler direkt zugreifen konnte, mit einer Verfügung gestoppt – | |
trotz laufender Vorbereitungen. Wohin also beispielsweise mit den | |
Auslandsreportagen der geplanten Sendereihe „Windrose“, bevor sie anfingen, | |
streng zu riechen? Vielleicht an die ARD verschachern? Das war eine Idee | |
von Heck. | |
Nein, das ZDF kann wahrlich keinen schönen Gründungsmythos für sich | |
beanspruchen. Der Sender war schon angegammelt, als er 1963 frisch gebacken | |
aus dem Ofen kam. Man hätte den Laib wegschmeißen sollen, doch die Aussicht | |
auf einen von Politikern kontrollierten, aber von der Öffentlichkeit | |
bezahlten Fernsehsender war einfach zu verlockend. | |
Nachdem die obersten deutschen Richter bald darauf das Adenauer-Fernsehen | |
endgültig begraben hatten, weil der Bund kein Rundfunkprogramm produzieren | |
durfte und darf, griffen die Ministerpräsidenten der Länder zu: Vom | |
gescheiterten Kanzlerprogramm wurden die schimmligen Reste zusammengeklaubt | |
und abermals in eine Backform mit der Aufschrift „Zweites Deutsches | |
Fernsehen“ gekippt. | |
## Ein Geschenk für Mainz | |
Doch wohin mit dem Kübel? Frankfurt? Zu viele Gegenstimmen unter den | |
Länderchefs. Düsseldorf? Auch keine Mehrheit. Am Ende einigte man sich auf | |
Mainz. Ein Geschenk für den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Peter | |
Altmeier. Mainz war gerade unbedeutend genug. | |
Dann ging es zur Wahl des ersten Intendanten – und das politische | |
Geschacher ging weiter. Auch Bruno Heck, der sich schon früh um die | |
Haltbarkeit von Fernsehbeiträgen gesorgt hatte, stand zur Wahl – und fiel | |
beim Fernsehrat durch. Erster Intendant wurde schließlich Karl Holzamer. | |
Den hatte schon Adenauer als Leiter seiner untersagten | |
Deutschland-Fernsehen GmbH im Auge. Der gerissene alte Kanzler hatte sich | |
durch die Hintertür also doch wieder Zutritt zum Rundfunk verschafft. | |
Als das ZDF am 1. April 1963 offiziell seinen Sendebetrieb aufnahm, war es | |
schon ordentlich durch die politische Heißmangel gequetscht worden – und | |
die „Windrose“ war mittlerweile mit großem Erfolg beim WDR gelaufen. | |
Über Ostern feiert das ZDF nun sein 50 Jahre währendes Bestehen. Pünktlich | |
zu seinem Jubiläum ist es der meistgesehene Kanal in Deutschland. 2012 | |
landete das Zweite mit einer Durchschnittsquote von 12,6 Prozent noch vor | |
dem Ersten und RTL. Auch im ersten Quartal 2013 starteten die | |
Mainzelmännchen mit Champions League, [1][„Adlon“] oder [2][„Unsere Müt… | |
unsere Väter“] sehr erfolgreich. Und ohne das ZDF hätte die ARD im seriösen | |
Informationsmarkt gar keinen Konkurrenten. Die Privaten wollen und können | |
das nicht, der 300.000 Euro schwere Sieg des Rappers Sido bei Stefan Raabs | |
„Absolute Mehrheit“ ist dafür nur ein Beleg. | |
Dennoch wird beispielsweise Hans-Peter Siebenhaar, der | |
Handelsblatt-Redakteur und Dauerkritiker des öffentlich-rechtlichen | |
Selbstbedienungsladens, nicht müde, die Eingliederung des ZDF in die ARD zu | |
fordern – und das zweite bundesweite Vollprogramm der | |
Öffentlich-Rechtlichen damit abzuschaffen. Warum wird gerade die | |
Daseinsberechtigung dieses so beliebten Senders permanent in Frage | |
gestellt? | |
Weil der Geburtsfehler des ZDF, ein rein politisch gewollter Sender zu | |
sein, bis heute nachwirkt. Zuletzt war das 2009 zu bestaunen, als Hessens | |
damaliger Ministerpräsident Roland Koch die [3][Absetzung von Chefredakteur | |
Nikolaus Brender] nicht nur forderte, sondern gleich mal in einem | |
Zeitungsinterview proklamierte. Warum? Weil der Polterer von der CDU es | |
konnte. Da halfen auch keine wohlfeilen Protestbriefchen von Claus Kleber, | |
Guido Knopp und Co. Denn Kochs Partei hält eine Mehrheit in Verwaltungsrat | |
und Fernsehrat. | |
## Seit Jahrzehnten eine Lüge | |
„Seit Jahrzehnten ist diese Kontrolle der öffentlich-rechtlichen | |
Sendeanstalten auch und gerade deshalb effektiv, weil die pluralistisch | |
zusammengesetzten Rundfunkgremien bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in | |
erster Linie Sachwalter der Interessen der Allgemeinheit sind“, heißt es in | |
der Selbstdarstellung des Senders. Seit Jahrzehnten ist das eine Lüge: Die | |
Kontrolle ist nicht effektiv, die Gremien sind nicht pluralistisch, die | |
Vertreter sind nicht Sachwalter der Allgemeinheit, sondern der Parteien. | |
Fast alle der 77 Fernsehratsmitglieder, die den Intendanten wählen und die | |
Spitzenleute kontrollieren, sind einem schwarzen oder roten „Freundeskreis“ | |
zuzuordnen. Die von Ländern, Bund und Parteien entsendeten Vertreter sind | |
es qua Amt, die Handelsreisenden von Handwerk, Industrie, Gewerkschaften | |
und so weiter sind es, weil sie sonst nicht von ihren Verbänden nach Mainz | |
geschickt würden. | |
Und der Verwaltungsrat? Da sitzen 14 Vertreter, von denen fünf von den | |
Ländern entsendet werden, einer vom Bund und acht vom parteipolitisch | |
durchsetzten Fernsehrat. Dieses Gremium bestimmt die Auswahl der | |
ZDF-Spitzenkräfte mit. Adenauer hätte sich kein besseres Konstrukt wünschen | |
können, um direkten politischen Einfluss gewährleistet zu wissen. | |
Nach der Causa Brender klagte das Land Rheinland-Pfalz vor dem | |
Bundesverfassungsgericht. Der ZDF-Staatsvertrag soll nun in Karlsruhe | |
kontrolliert werden. Dabei ist zu hoffen, dass die Verfassungsrichter den | |
Einfluss der Politik für verfassungswidrig erklären. Artikel fünf, | |
Grundgesetz, Pressefreiheit. Sonst drohen dem ZDF 50 weitere Jahre gefangen | |
im Freundeskreis, wo es schon lange streng riecht. | |
31 Mar 2013 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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