# taz.de -- NSU-Prozess in München: Pressetribüne bleibt türkenfreie Zone | |
> Türkische Medien sind empört. Auch in Deutschland mehrt sich Kritik an | |
> der Vergabe für Presseplätze am Oberlandesgericht München. | |
Bild: Zu klein: der Saal des Oberlandesgerichts München. | |
BERLIN taz | Die türkischen Zeitungen sind sich einig: Dass kein einziges | |
Medium aus der Türkei einen festen Platz für den in drei Wochen beginnenden | |
NSU-Prozess in München bekommen hat, halten sie für skandalös. „Türkische | |
Presse nicht erwünscht“, titelt die Hürriyet am Dienstag in ihrer | |
Europaausgabe – und zwar ausnahmsweise auf Deutsch. Darunter druckt sie die | |
Fotos der acht NSU-Opfer mit türkischen Wurzeln. Ähnlich sieht es die | |
Zeitung Zaman, die sich ebenfalls vergeblich um einen der sicheren Plätze | |
für Journalisten bemüht hatte: „Die Skandale erschüttern den Prozess, bevor | |
er überhaupt angefangen hat.“ | |
Das Oberlandesgericht München hatte wegen der beengten Raumsituation im | |
Sitzungssaal A101 die Zahl der Zuschauer und Journalisten für den | |
Jahrhundertprozess auf je 50 begrenzt. Die zweieinhalbfache Zahl an Medien | |
hatte aber versucht, sich für das mit Spannung erwartete NSU-Verfahren | |
anzumelden. | |
Das Gericht bearbeitete die Anträge nach eigenen Angaben in der Reihenfolge | |
des Eingangs. Das Ergebnis: Während zahlreiche deutsche Zeitungen, | |
Fernsehsender, Agenturen, Regionalmedien und freie Journalisten einen | |
sicheren Platz ergattern konnten, gelang dies nur drei ausländischen Medien | |
– kein türkisches ist darunter. Auch die BBC und die New York Times gingen | |
leer aus und landeten nur auf einer Nachrückerliste. | |
Mehrere Politiker, darunter Bundestagsvize Petra Pau (Linke), Grünen-Chef | |
Cem Özdemir und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht | |
Polenz (CDU), kritisierten das Ergebnis des Zulassungsverfahrens. Die | |
Türkische Gemeinde in Deutschland sprach von einem „unglaublichen Vorgang“. | |
Es stelle sich die Frage, ob das Gericht „die türkische Öffentlichkeit aus | |
dem Prozess ausschließen“ wolle, sagte deren Vorsitzender, Kenan Kolat. | |
## Von größter Bedeutung | |
Auch für Barbara John, die Ombudsfrau für die NSU-Opfer, ist die | |
Entscheidung nicht nachvollziehbar. „Ich bin fest davon ausgegangen, dass | |
es ein Kontingent für türkischsprachige Medien gibt“, sagte sie der taz. | |
Sowohl für die Türken in der Türkei als auch die türkischstämmigen | |
Migranten in Deutschland sei der Prozess gegen Beate Zschäpe und die | |
mutmaßlichen Helfer der Terrorzelle NSU von größter Bedeutung. Wenn | |
türkischsprachige Medien nun ausgeschlossen seien, entstünde der fatale | |
Eindruck, dass deren Berichterstattung nicht erwünscht sei. „Ich rechne | |
deshalb fest damit, dass das Gericht noch eine Möglichkeit finden wird.“ | |
Auch die Journalistenverbände forderten die Justiz auf, insbesondere noch | |
türkische und griechische Medien zuzulassen. Eines der zehn NSU-Opfer war | |
Grieche. | |
Doch das Münchner Oberlandesgericht ließ sich am Dienstag von der geballten | |
Kritik wenig beeindrucken und machte keine Anstalten, sich in der Frage | |
noch zu bewegen. Man könne, um dem Grundsatz der Öffentlichkeit von | |
Gerichtsverfahren gerecht zu werden, nur die Hälfte der Zuschauerplätze | |
fest für die Medien reservieren, teilte Gerichtssprecherin Margarete Nötzel | |
mit. Der zuständige Senat habe sich bei der Vergabe dieser 50 Plätze gegen | |
ein Losverfahren und für die Wer-zuerst-kommt-Regel entschieden. Das sei | |
allen bekannt gewesen. Auch eine bereits in den vergangenen Wochen immer | |
wieder geforderte Video-Übertragung des Prozesses für Journalisten in einen | |
Nebensaal könne angeblich „nach deutschem Recht nicht umgesetzt werden“. | |
Wer keinen der 50 sicheren Plätze ergattern konnte, so Nötzel weiter, sei | |
aber nicht „ausgeschlossen“, sondern könne darauf hoffen, dass ein | |
Journalist mit festem Platz zum jeweiligen Prozesstag nicht erscheint – | |
oder aber für die 50 weiteren Zuschauerplätze anstehen. | |
26 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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