# taz.de -- NSU-Prozess: Dresche für das Münchner Gericht | |
> „Das nimmt absurde Züge an“: Nun mischt sich auch die Bundesregierung in | |
> den Streit um die Platzvergabe beim NSU-Prozess ein. | |
Bild: Die Empörung über den Umgang mit türkischen Medien ist groß, nicht nu… | |
BERLIN taz | Acht von zehn Opfern der Terrorzelle NSU hatten türkische | |
Wurzeln – aber kein türkisches Medium soll einen festen Platz bei dem in | |
drei Wochen beginnenden Prozess kriegen? Seit zwei Tagen tobt darüber eine | |
heftige Debatte. Nun hat sich auch die Bundesregierung in den Streit um die | |
Zulassung von Journalisten beim NSU-Verfahren eingemischt. | |
Zwar kritisierte Regierungssprecher Steffen Seibert wegen der | |
Unabhängigkeit der Justiz am Mittwoch in Berlin nicht direkt die | |
Vergabepraxis des Münchner Oberlandesgerichts. Er tat es aber indirekt, | |
indem er betonte, dass die Regierung Verständnis für das große Interesse in | |
der Türkei habe. „Die Hoffnung muss sein, dass mit diesem Medieninteresse | |
sensibel umgegangen wird“, sagte Seibert. | |
Überraschend deutlich wurde die sonst eher zurückhaltende Staatsministerin | |
für Integration im Kanzleramt, Maria Böhmer (CDU). „In diesem Fall schaut | |
die ganze Welt auf Deutschland“, teilte Böhmer am Mittwoch mit. „Aus | |
Respekt vor den Opfern und den Angehörigen der Mordserie und um Vertrauen | |
wieder zurückzugewinnen, halte ich es für unverzichtbar, dass türkische und | |
griechische Medienvertreter bei der Platzvergabe für den NSU-Prozess | |
berücksichtigt werden.“ Eines der zehn NSU-Opfer war griechischer | |
Staatsangehöriger, sechs hatten einen türkischen Pass, zwei weitere Wurzeln | |
in der Türkei. | |
Das Münchner Oberlandesgericht hatte am Montag mitgeteilt, welche 50 Medien | |
bei dem Prozess gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe und | |
vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle einen reservierten Platz bekommen. | |
Dabei habe der zuständige Senat ausschließlich nach der Reihenfolge | |
entschieden, in der die Akkreditierung beantragt worden sei, so das | |
Gericht. | |
Das Ergebnis hatte zu heftiger Kritik geführt: Während zahlreiche deutsche | |
Zeitungen, Rundfunksender, freie Journalisten und Regionalmedien einen | |
sicheren Platz erhielten, landeten große ausländische Medien – darunter | |
alle türkischen – nur auf einer Nachrückerliste. Zumindest zum | |
Prozessbeginn am 17. April haben sie kaum eine Chance, aus dem Sitzungssaal | |
berichten zu können. Angesichts der historischen Dimension der Verbrechen | |
und des Versagens deutscher Behörden im Zusammenhang mit der | |
Neonazi-Terrorzelle NSU halten das viele für ein fatales Signal. | |
## Kein Sharingmodell | |
Wie nun ein Ausweg aus der äußerst unschönen Situation aussehen könnte, ist | |
aber völlig unklar. Denn das Münchner Oberlandesgericht zeigt sich bisher | |
unnachgiebig. | |
Die Bild-Zeitung und der Münchner Sender Radio Arabella hatten als Reaktion | |
ihren sicheren Platz der türkischen Tageszeitung Hürriyet angeboten. Das | |
Neue Deutschland sowie der Coautor des NSU-Buchs „Die Zelle“, Christian | |
Fuchs, würden ihre Plätze mit türkischen Journalisten teilen. | |
Doch das Gericht lässt sich selbst auf solche Vorschläge nicht ein. Weder | |
einen Platztausch noch Sharingmodelle will man dort akzeptieren. „Wir | |
können nicht im Nachhinein die Akkreditierungsbedingungen ändern“, sagte | |
eine Sprecherin. | |
Der CDU-Politiker und frühere nordrhein-westfälische Integrationsminister | |
Armin Laschet sagte am Mittwoch im Deutschlandfunk, wenn das Gericht nicht | |
mal einen freiwilligen Platztausch unter Medien erlaube, „dann nimmt das | |
absurde Züge an“. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, | |
Christine Lüders, bescheinigte dem Münchner Oberlandesgericht, sicher | |
formal korrekt gehandelt zu haben. „Hier geht es aber nicht um | |
Prinzipienreiterei, sondern darum, Berichterstattung in den | |
Herkunftsländern der Opfer zu ermöglichen“, sagte Lüders. | |
27 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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