| # taz.de -- Marxisten verklagen Verlag: MLPD will keine Sekte sein | |
| > Ein Buch von ehemaligen Verfassungsschützern teilt kräftig gegen die MLPD | |
| > aus. Die sucht jetzt Hilfe bei der Klassenjustiz. | |
| Bild: Ich trage eine Fahne, und diese-he-he Fahne ist rot. | |
| ESSEN taz | Den Kampf für die Diktatur des Proletariats führt die | |
| Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) nicht mit der Waffe in | |
| der Hand, sondern mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch unterm Arm. Am | |
| Gründonnerstag hat das Landgericht Essen über die Klage der | |
| marxistisch-leninistischen Kleinpartei gegen zwei Buchautoren und den | |
| Verlag Ferdinand Schöningh verhandelt. | |
| Sie fordert für sich und ihren Vorsitzenden Stefan Engel insgesamt | |
| mindestens 10.000 Euro Schadensersatz, weil sie sich auf fünf Seiten in dem | |
| Buch „Linksextrem – Deutschlands unterschätzte Gefahr?“ diffamiert sieht. | |
| Außerdem sollen mehrere Passagen geschwärzt werden. | |
| Was die Sache interessant macht: Bei den beiden Autoren Harald Bergsdorf | |
| und Rudolf van Hüllen handelt es sich um zwei ehemalige staatlich besoldete | |
| Experten zum Thema „Linksextremismus“. Der eine war bis 2005 Referent im | |
| Thüringer Innenministerium, der andere bis 2006 Referatsleiter im Bundesamt | |
| für Verfassungsschutz. | |
| So zielt die Klage der Vorkämpfer für die proletarische Weltrevolution auf | |
| den Inlandsgeheimdienst, zumal Bergsdorf und van Hüllen nach eigenen | |
| Angaben einen Großteil der Erkenntnisse aus Verfassungsschutzberichten | |
| bezogen haben. | |
| ## Fehlende Belege der Verfassungsschützer | |
| Es ist der zweite Verhandlungstermin, zu dem die Vorsitzende Richterin der | |
| 4. Zivilkammer, Jutta Lashöfer, die Kontrahenten geladen hat. Es geht | |
| darum, dass sich die MLPD nicht vorwerfen lassen will, eine „in | |
| marxistisch-leninistische Parteiform gekleidete Sekte“ zu sein. Auch | |
| bestreitet sie, dass sich um ihren Chef Stefan Engel „inzwischen ein | |
| massiver, an die Vorbilder Stalin und Mao gemahnender Personenkult | |
| entwickelt“ habe. Entsprechende Aussagen finden sich schon seit Jahren in | |
| Verfassungsschutzberichten. Doch anders als von den Beklagten erhofft, | |
| reichten diese „Quellen“ Lashöfer beim ersten Prozesstag Anfang Oktober | |
| vorigen Jahres nicht aus. Sie forderte von den Beklagten, „Belegtatsachen | |
| zu konkretisieren und unter Beweis zu stellen“. | |
| Bei einem Blick auf Stefan Engel sind Lashöfers Zweifel nachvollziehbar. | |
| Seit ihrer Gründung 1982 führt der gebürtige Nordbayer die MLPD an. Damit | |
| steht er ihr inzwischen länger vor als einst Stalin der KPdSU. In zwei | |
| Jahren hat er Mao Zedong als Vorsitzenden der KP Chinas eingeholt. Trotzdem | |
| macht der 59-jährige gelernte Schlosser, der sich selbst als | |
| „Arbeiterführer“ bezeichnet, nicht gerade den Eindruck eines gefährlichen | |
| Klassenkämpfers. | |
| Der Berufsrevolutionär ist in die Jahre gekommen. Die grauen Haare sind | |
| unübersehbar, an beiden Ohren trägt er ein Hörgerät. Engel hat eine | |
| hellblaue Jeans an, weiße Strümpfe und schwarze Schuhe. Der Bauchansatz | |
| wird von seinem roten Pullover nur mäßig überdeckt. „Wir sind ganz normale | |
| Leute“, sagt Engel. Niemand würde ihm wohl widersprechen wollen, wenn das | |
| „grundlegende Ziel“ seiner Partei nicht noch immer der „revolutionäre St… | |
| der Diktatur des Monopolkapitals und die Errichtung der Diktatur des | |
| Proletariats“ wäre. | |
| Nach Verfassungsschutzangaben verfügt die MLPD über rund 2.000 Mitglieder. | |
| Wie viele es wirklich sind, will Engel nicht verraten. Aber die Zahl sei | |
| „eher zu niedrig“, sagt er. Rund fünfzig Anhänger sind zur Unterstützung | |
| ihres Vorsitzenden zum Prozess gekommen. | |
| ## Eher untertrieben | |
| Auch Ulrich B. gehörte früher zu den Fans. Im Gegensatz zu Stefan Engel | |
| kann er jedoch auf keine lange revolutionäre Karriere zurückblicken. | |
| Gerademal eineinhalb Jahre soll der 57-jährige Kölner Mitglied der MLPD | |
| gewesen sein. Im Juni 2011 teilte er per E-mail seinen Austritt mit. | |
| Nachdem Ulrich B. im Sommer 2012 von der Klage seiner ehemaligen Partei | |
| erfahren hat, will er sich umgehend bei dem beklagten Verlag gemeldet | |
| haben. Seine Botschaft:„Das ist eher untertrieben, was ihr da schreibt!“ | |
| Jetzt sitzt der vollbärtige Mann mit den zum Zopf gebundenen grau-gelben | |
| Haaren als Kronzeuge der Beklagten im Raum C35 des Essener Landgerichts. | |
| Was er über die vermeintlich fürchterlichen Praktiken innerhalb der MLPD zu | |
| berichten weiß, ist bizarr. | |
| Ulrich B. soll belegen, dass Neumitglieder, wie in dem Buch behauptet, „mit | |
| unangekündigten Kontrollbesuchen durch Funktionäre überzogen werden, um | |
| ihre Lebensverhältnisse auf Einflussmöglichkeiten des Klassenfeindes zu | |
| untersuchen und auch Lebensgefährten und Freunde entweder in die MLPD zu | |
| ziehen oder sozial zu isolieren“. Doch die Beweisführung klappt nicht: Er | |
| muss einräumen, nur davon gehört zu haben. Persönlich erlebt hat der ganz | |
| in schwarz gekleidete Mann mit dem geröteten Gesicht einen solchen | |
| Kontrollbesuch nicht: Das hätte sich für ihn „erübrigt, weil ich mit einer | |
| Parteifunktionärin liiert war“. Das einzige, was Ulrich B. konkret zu | |
| berichten weiß, dass er selbst potenzielle MLPD-Interessenten in ihren | |
| Wohnungen aufgesucht hatte: „Das nennt sich Parteiaufbauarbeit.“ Richterin | |
| Lashöfer ist irritiert: „Was hat das mit Kontrolle zu tun?“ | |
| ## Klassenkampf kostet | |
| Moniert hatte die Partei auch die Buchpassage, Mitglieder würden „unter | |
| moralischen Druck gesetzt, die enorm ambitionierten Spendenkampagnen der | |
| Partei zu erfüllen“. Ulrich B. stimmt der Aussage zu, das sei auch seine | |
| „subjektive Empfindung“ gewesen. Bei der MLPD gebe es nichts umsonst. Jede | |
| politische Aktivität sei mit finanziellen Aspekten verbunden gewesen. Doch | |
| wie groß war der Druck auf die einzelnen Mitglieder? „Das kennen Sie | |
| vielleicht aus der Kirche, wo einem ja auch der Klingelbeutel unter die | |
| Nase gehalten wird“, antwortet das ehemalige Mitglied der Kölner | |
| Gruppenleitung der MLPD. „Die Vorgehensweise ist halt ähnlich.“ | |
| Rund zweieinhalb Stunden dauert die Vernehmung von Ulrich B., außer einem | |
| gewissen Unterhaltungswert hat sie nichts gebracht. „Wir gehen davon aus, | |
| dass das ein V-Mann ist“, sagt Stefan Engel anschließend. Beweisen kann er | |
| seine Behauptung nicht. Falls sie stimmen würde, müsste man sich wohl noch | |
| größere Sorgen um den Inlandsgeheimdienst machen als ohnehin schon. | |
| Nach Auffassung des Anwalts der Beklagten, Gernot Lehr, hätte sich das | |
| Gericht die Vernehmung des Zeugen auch sparen können – oder müssen. „Fast | |
| alle Äußerungen meiner Mandanten zur MLPD sind durch das Recht auf freie | |
| Meinungsäußerung gedeckt“, sagt er. Deshalb sei eine Beweiserhebung in | |
| diesem Umfang nicht nötig gewesen. Dass die Richterin sie angeordnet habe, | |
| sei ein Etappensieg für die MLPD gewesen. Gleichwohl ist Medienanwalt Lehr, | |
| der auch den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulf vertreten hat, der | |
| Ansicht, dass der Zeuge die wichtigsten Tatsachen bestätigt hat. | |
| Ex-Verfassungsschützer Rudolf van Hüllen hält die MLPD jedenfalls nach wie | |
| vor für „den Prototyp einer völlig tief gefrorenen stalinistischen | |
| Organisation“. Der Prozess sei „ärgerlich“. Für den 11. April hat Richt… | |
| Lashöfer die Urteilsverkündung angesetzt. | |
| Für die MLPD ist dies nicht das einzige Verfahren. Sie klagt auch gegen die | |
| Sparkasse Gelsenkirchen. Das Bankhaus weigert sich, einen Kreditantrag an | |
| die Kreditanstalt für Wiederaufbau weiterzuleiten. Mit dem günstigen | |
| Darlehen will die Partei ein Solardach auf ihrem Hauptquartier finanzieren. | |
| „Das Gericht hat einen Eilantrag mit der Begründung abgelehnt, die MLPD | |
| hätte genug Geld“, sagte MLPD-Sprecher Jörg Weidemann der taz. Demnächst | |
| kommt es zur Verhandlung. Ein Termin steht allerdings noch nicht. | |
| 28 Mar 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
| Anja Krüger | |
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