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# taz.de -- Steven Soderberghs Film „Side Effects“: Wall Street mit Nebenwi…
> Der Broker Martin wird aus der Haft entlassen. Er hat die Regeln nicht
> eingehalten. Nun kehrt er in seine Welt zurück, die sich kaum verändert
> hat.
Bild: Jude Law (Martin) hält die Wirren der Geschichte mit einer plausiblen Da…
Der Kapitalismus ist das System, in dem alles mit allem zusammenhängt, ohne
dass der Zusammenhang sich jemals hinreichend klären würde. Das haben wir
in der Finanzkrise gelernt, die ja als gesellschaftliche Entzifferungsübung
des eigenen Schicksals immer schon zu spät kommt. Erzählungen folgen dem
Weg des Geldes, während dieses längst anderswo „ist“.
Steven Soderbergh, der mit seinen vielen, auseinanderstrebenden Interessen
selbst so etwas wie ein Symptom dieser Überlastung ist, hat vor einiger
Zeit mit „Contagion“ eine System-Metapher entwickelt, an die er nun mit
„Side Effects“ zumindest in einer Hinsicht anschließt: Neuerlich geht es um
Aspekte von Gesundheit und Krankheit, in denen sich etwas anderes ausdrückt
– das Ganze, die Totalität, der Zusammenhang.
Doch erweist sich hier einmal mehr, dass die Form der herkömmlichen
Erzählung, in der Figuren sich um ihr Schicksal bemühen, dazu nicht so
recht passt. Der Film beginnt im Grunde so wie Oliver Stones Fortsetzung zu
„Wall Street“. Ein Broker namens Martin (Channing Tatum) wird aus der Haft
entlassen.
Er hat die Regeln nicht eingehalten, nun kehrt er in seine Welt zurück, die
sich kaum verändert hat. Seine Frau Emily (Rooney Mara) hat auf ihn
gewartet, nun kann sie wieder an seiner Seite auf Partys gehen, die
gemeinsame Wohnung ist wieder belebt.
## Die Frau mit Schwermut
Doch Emily empfindet kein Glück, im Gegenteil zeigt sie sich deutlich
depressiv, und unwillkürlich beginnt man den Film auf Zeichen hin zu
mustern, wie denn ihre Schwermut vielleicht mit der Raffgier ihres Mannes
zusammenhängen könnte. Doch das ist schon die erste falsche Spur, die
Soderbergh hier auslegt.
„Side Effects“ handelt, wie der Titel andeutet, nicht von den Auswirkungen,
sondern von den Nebenwirkungen des Systems Wall Street. Das bedeutet in
diesem Fall konkret, dass die Krimihandlung des Films gar nicht so sehr ein
„whodunit“ ist, sondern ein „whodunwhat“. Es gilt ganz wesentlich,
herauszufinden, worin überhaupt die Intrige liegt, der „Plot“, also wer wen
über welches Ohr zu hauen versucht.
Protagonist dieser Suche ist ein Psychiater namens Dr. Jonathan Banks (Jude
Law). Er betreut Emily, nach bestem Wissen und Gewissen. Dazu zählt auch,
dass er ein Medikament verschreibt, das noch in der Testphase ist.
Medikamente aber werden von Firmen entwickelt, die an der Börse notiert
sind, und bei denen die Anleger genau hinsehen, wie es sich mit der
Entwicklung neuer Produkte verhält.
Das ist aber nur eines der Gelenke, über das hier die manifeste Geschichte
(die Behandlung einer depressiven, später dann auch: einer potenziell
kriminellen Patientin) mit dem unsichtbaren Ganzen zusammenhängt. Beim
Erzählen dieser verwickelten Geschichte, die Jude Law übrigens mit einer
plausiblen Darstellung zusammenhält, erweist sich Soderbergh als der
effiziente Regieprofi, den wir seit „Traffic“ kennen.
## Der Film zeigt nur das, was er muss
Er kombiniert Szenen und Details zu einem flüssigen Ablauf, er hält alle
Figuren auf einer funktionalen Distanz, die ihnen Persönlichkeit gerade in
dem Maß zugesteht, in dem das für ihre Rolle in der Geschichte wesentlich
ist. Wir wissen immer gerade nur das, was wir wissen müssen, es gibt keine
redundante Back Story, und schon gar keine widerspenstige Subjektivität.
Und während Jonathan Banks, eine Figur wie aus einem Film von Fritz Lang,
hinter den Augenschein zu gelangen sucht, indem er lernt, die Details zu
entziffern, die Soderbergh auch für uns Zuschauer lesbar macht, verwandelt
sich die Intrige in „Side Effects“ grundsätzlich.
Die ursprüngliche Suggestion, hier wären die Handlungen der Figuren nur so
etwas wie Symptome der allgemeinen Conditio, geht verloren. Es zeigt sich
etwas anderes, älteres: eine Liebesgeschichte. Als Auflösung eines
Thrillers ist das nicht nur sehr konventionell, es zeugt auch davon, dass
Soderberg das mit „Traffic“ zu Beginn der nuller Jahre formulierte Programm
nicht mehr für tauglich hält.
Dort waren die Figuren noch Mischwesen, deren Motive in ihrer Beschränkung
auf den allgemeinen „Verkehr“ verwiesen, an dem wir alle hängen. In „Side
Effects“ aber sind wir am Ende wieder bei der einfachsten
Motivkomplikation: Geld oder Liebe? Da waren die Erzählungen doch schon
einmal deutlich weiter.
## „Side Effects“. Regie: Steven Soderbergh. Mit Jude Law, Rooney Mara u.
a. USA 2013, 106 Min. Kinostart Donnerstag, 25. April 2013.
24 Apr 2013
## AUTOREN
Bert Rebhandel
## TAGS
Thriller
Film
Spielfilm
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