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# taz.de -- Kleines Fernsehspiel im ZDF: Die Möglichkeit einer Insel
> Ein Thirtysomething-Pärchen muss sich auf „Formentera“ seinen Sinnkrisen
> stellen. Die Handlung ist so karg wie die Landschaft, die Hauptrollen
> wunderbar besetzt.
Bild: Nina (Sabine Timoteo) fühlt sich verloren – dabei könnte alles so sch…
Der trübste Winter seit 1951 ist endlich vorbei, die Sonne scheint wieder,
der Sommer kommt. Auch im Fernsehen. Das kleine Fernsehspiel zeigt blauen
Himmel, warme Farben. Flirrende Hitze auf Formentera, die schöne Nina
krault gekonnt durch die Fluten. Hier gibt es keine Großraumdiskotheken wie
auf der nahen Insel Ibiza, hier herrscht noch das Hippie-Idyll in der
kleinen Kommune. Ein bisschen Kunsthandwerk, Massagen am Strand,
Segelyachten überführen, so lässt es sich leben. So ist Ben aufgewachsen.
Inzwischen hat er studiert und in Berlin eine Familie gegründet.
Es ist das erste Mal nach der Geburt der Tochter, dass Ben und Nina allein
verreisen, an den Ort seiner Kindheit. Tagsüber mit dem Motorroller
herumdüsen, abends Wein trinken in geselliger Runde, Kerzenschein, die
Grillen zirpen. Es sieht so schön aus. Es könnte so schön sein.
Aber dann wäre es kein Film. Filmfamilien sind ihrer Natur nach meist
dysfunktional, wenigstens ein bisschen. Also dürfen Ben und Nina ihre Tage
und Nächte nicht einfach unbeschwert und federleicht genießen. So arg wie
zwischen Gitti und Chris auf Sardinien im Film „Alle anderen“ wird es
zwischen ihnen aber nicht.
Der Vergleich mit Maren Ades Berlinale-Erfolg aus dem Jahr 2009 (Großer
Preis der Jury, Silberner Bär für Birgit Minichmayr als Gitti) ist
obligatorisch, wenn drei Jahre später erneut ein bis dato glückliches
Thirtysomething-Pärchen auf eine Mittelmeerinsel reist, nur um sich dort in
die Haare zu kriegen. Es wird nicht so ganz klar, warum eigentlich.
Der [1][Text auf der Film-Homepage] erklärt es auch nur ziemlich kryptisch:
„Die lichtdurchflutete Inselwelt wirkt wie eine Dunkelkammer, in der
sichtbar wird, was bisher verborgen blieb: der Zweifel am eigenen
Lebensentwurf und die stille Trauer über eine Realität, mit der man sich
vielleicht nur noch abfinden kann.“
## Die Zweifel am eigenen Lebensentwurf
Man kann das unpräzise finden, die Erklärung wie den Film. Man kann
natürlich auch finden, dass sich ein unbestimmtes Gefühl eben nicht auf den
Punkt bringen lässt. Dass das Unpräzise ergo kein Defizit, sondern die
angemessene Ausdrucksform ist. Die Zweifel am eigenen Lebensentwurf haben
in Ben den Plan reifen lassen, dauerhaft nach Formentera zurückzukehren.
Nina erfährt davon erst auf der Insel, sie ist sauer.
Ben: „Ich wollte das doch nicht für mich.“ Nina: „Du kannst nicht für m…
wollen.“ Ben und Nina werden gespielt von Thure Lindhardt und Sabine
Timoteo. Und wie schon bei ihrem Langfilm-Debüt „Jagdhunde“, in der
winterlich-kargen Uckermark gedreht, hat die Regisseurin Ann-Kristin Reyels
ihre Hauptrollen wieder wunderbar besetzt. Der blonde Träumer und der
dunkelhaarige Trotzkopf.
Dramaturgisch treibt Reyels die Handlung, die so karg ist wie die
Landschaft auf der Sommerinsel, durch eine Schnapsidee voran. Mara, die Ben
ein bisschen angeflirtet hat, will nach einer Strandparty noch rüber nach
Ibiza („Da sind eh die besseren Partys.“). Nachts. Angetrunken. Schwimmend.
Die versierte Kraulschwimmerin Nina stürzt sich mit ihr in die Fluten. Ben
kann sie nicht zurückhalten. Nina kommt auf Ibiza an, Mara nicht. Das
zunehmend bange Warten auf sie bestimmt die zweite Filmhälfte. Das Ende ist
Wohlgefallen.
Aber wenn Timoteo als Nina in ihrer nassen Unterwäsche durch das nächtliche
Ibiza irrt – so einen wunderbaren Moment der Verlorenheit gab es bei
Gitti/Minichmayr auf Sardinien nicht. So lässt sich Orientierungslosigkeit
präzise auf den Punkt bringen.
Das kleine Fernsehspiel: „Formentera“, Montag, 13. Mai, 0.05 Uhr, ZDF
13 May 2013
## LINKS
[1] http://www.formentera-the-movie.com
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
ZDF
Dokumentarfilm
ZDF
Bayerischer Rundfunk
Krimi
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