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# taz.de -- Das Unbehagen vor dem Klonen: Eine brauchbare Waffe
> Forscher in den USA haben einen Weg gefunden, menschliche embryonale
> Stammzellen zu klonen. Beginnt nun endlich die Ära der Klonmenschen?
Bild: Vierlinge? Oder die Kopie der Kopie von der Kopie?
Das hat ja lange gedauert. Dabei scheint der Schritt vom Schaf zum Menschen
doch wirklich nicht allzu groß. 17 Jahre nach Dolly sind nun also erste
menschliche Zellen geklont worden. „Klonen sie jetzt perfekte Menschen?“,
fragt die Bild-Zeitung sogleich.
Aber so weit ist es noch längst nicht. Die Forscher selbst sagen, dass es
eben nur menschliche Stammzellen sind, die sie hergestellt haben, und dass
ihre Technik ungeeignet sei, ganze Menschen daraus zu replizieren. Das mag
im speziellen Fall richtig sein, klingt aber doch wie eine Beruhigungspille
für die Öffentlichkeit. Mit lästigen ethischen Fragen mögen die
Zellingenieure nicht behelligt werden, und an einem Hochkochen der Debatte
werden sie kaum interessiert sein.
Aus gutem Grund: Das Unbehagen der Menschen vor dem Klonen ist groß und
reizt die Fantasie. In unzähligen Science-Fiction-Visionen tauchen sie auf,
die für irgendwelche Zwecke erschaffenen Mensch-Kopien. Der Film „Cloud
Atlas“ spielte jüngst mit der Angst, dass menschliche Klone zu bestimmten
Zwecken herangezüchtet und nach Gebrauch dann geschlachtet werden, und auch
aktuell droht im Kino in „Oblivion“ der Menschheit das Verderben durch
geklonte Agenten.
Die Einmaligkeit des menschlichen Individuums aber gehört zu den
Grundfesten unseres Weltbilds. Das identische Vervielfältigen eines
Menschen erscheint uns daher paradoxerweise gleichbedeutend mit der
ultimativen Entmenschlichung, es rührt an unseren Urängsten. Selbst dem
Entrechteten und Leibeigenen bleibt als Letztes immer noch die schiere
eigene, einmalige Existenz. Der Gedanke, dass das Individuum nach Ausfall
einfach so komplett und gleichwertig zu ersetzen sei, degradiert den
Menschen zu Nutzvieh.
## Übergewicht, Hängebrüste, Haarausfall
Und andererseits sammelt sich bei dieser Frage das Misstrauen gegenüber den
Schönen und Mächtigen. Besteht normalerweise wenigstens die Hoffnung, dass
es auch den übelsten Diktator eines Tages dahinrafft, und bleibt der Trost,
dass auch das erfolgsverwöhnteste Model unabänderlich dem Verfall
entgegenschreitet, schreckt uns die Aussicht, dass zukünftig einfach eine
Kopie derselben aus dem Keller geholt und gleich wieder auf dem Thron oder
dem Catwalk platziert wird.
Und so unerfreulich die konkrete Vorstellung auch tatsächlich ist, dass
etwa für Günter Grass, kaum dass er endlich Ruhe gegeben hat, gleich wieder
ein neuer Schnauzbart mit frischer Tinte vor den Kameras stehen könnte oder
dass noch unseren Enkeln aus dem Fernsehnachfolger das Gequake eines
Dieter-Bohlen-Klons entgegenschallen könnte – der Mensch ist doch mehr als
die Summe seiner Gene. Dank dem Einfluss der Umwelt könnte aus dem
Bohlenduplikat was Sinnvolles werden, sagen wir: ein Maurer. Oder
wenigstens ein Mönch, der ein Schweigegelübde abgelegt hat.
Aber während wir einerseits fürchten, die Gentechniker erschüfen den
„perfekten Menschen“, ziehen wir andererseits alle zur Verfügung stehenden
Mittel heran, diesem Ziel auf andere Weise näherzukommen. Übergewicht,
Hängebrüste, Haarausfall, Rauchen – an allem wird so lange herumoperiert
und -reguliert, bis es dem gesellschaftlichen Ideal möglichst genau
entspricht, Schule und Studium produzieren immer gleichförmigere
Absolventen, und den Rest erledigen wir, indem alle dieselben uniformen
Klamotten tragen, dieselben Lieder hören, dieselben Events besuchen.
Da könnte man manchmal zu dem Schluss kommen, es wäre für alle Beteiligten
erheblich praktischer, sich gleich die fertigen Menschen aus dem Katalog zu
bestellen.
17 May 2013
## AUTOREN
Heiko Werning
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