# taz.de -- Kommentar Jürgen Klopp: Die Authentizitätsmaschine | |
> Werbeikone und AG-Abteilungsleiter Jürgen Klopp verkauft Borussia | |
> Dortmund bei einem gesponserten Interview als Arbeiterverein. Was für ein | |
> grandioser Unsinn! | |
Bild: Soziales Genie: Jürgen Klopp in Arbeitskleidung | |
Jürgen Klopp kann alles verkaufen, er ist die wohl gefragteste Werbefigur, | |
die es in diesen Tagen in Deutschland gibt. Er macht für beinahe alle, die | |
es sich leisten können und wollen, Werbung – für seinen Arbeitgeber, die | |
Borussia Dortmund Kommanditgesellschaft auf Aktien natürlich sowieso. Klopp | |
gilt als derartig glaubwürdig bei den Werbern dieser Republik, dass ihm | |
zugetraut wird, jedes Auto verkaufen zu können, das auf den Markt gelassen | |
wird. | |
So war der Mann, der hauptberuflich Fußballtrainer eines | |
Champions-League-Finalisten ist, schon für drei verschiedene Automarken | |
lächelnd am Steuer. Er hat sich für einen niederländischen | |
Elektronikkonzern rasieren lassen und ist für Banken mit seinem Hund durch | |
Wälder gelaufen. | |
Letzteres stand unter einem [1][Interview, das die englische Tageszeitung | |
Guardian mit Klopp geführt hat]. Gut angekommen ist es wohl, das Interview, | |
für das sich Klopp, der in den Tagen vor dem großen Finale bislang nicht | |
eine Pressekonferenz gegeben hat, von diesem anderen Herzogenauracher | |
Sportartikelhersteller hat kaufen lassen und das die englische Zeitung | |
wiederum dem Sportartikelhersteller abgekauft hat. Stundenlang stand es in | |
der Hitliste der meistgelesenen Artikel in der Online-Ausgabe ganz oben. | |
Das Geschäft mit dem Gespräch hat sich gelohnt. Eine | |
Win-win-win-win-Situation für alle Beteiligten. | |
Denn Klopp war in das Interview nicht nur als Model gegangen, er hatte ein | |
ganz bestimmtes Ziel. Er war als Image-Botschafter seines Klubs unterwegs, | |
den er als das Gute schlechthin im Fußball darstellt: als James Bond, der | |
mit bescheidenen Mitteln gegen den Bösewicht FC Bayern kämpft; als | |
Arbeiterklub, der noch „ein echter Verein“ sei und kein Unternehmen. Der | |
BVB ist demnach so toll, dass den neutralen englischen Fans im Stadion am | |
Samstag gar nichts anderes übrig bleibt, als den deutschen Vizemeister zu | |
unterstützen. | |
Was für ein grandioser Unsinn! So etwas kann wirklich nicht jeder sagen. | |
Klopp kann es. Er ist eine menschliche Authentizitätsmaschine. Einen | |
professionelleren Sympathen wird so schnell niemand finden in Deutschland. | |
## „Echte Liebe“ | |
Der Fußball kann sich glücklich schätzen, ein derartiges | |
Glaubwürdigkeitswunder in seinen Reihen zu haben. Das irrwitzige Geschäft | |
des Profifußballs, das in der Spitze von Teams, die nur aus Millionären | |
bestehen, betrieben wird, braucht Menschen wie Klopp, um die Bodenhaftung | |
nicht gänzlich zu verlieren. „Echte Liebe“ – diese zwei Worte sind in je… | |
Trikot von Borussia Dortmund eingestickt. Und viele Fans halten die | |
Zuneigung zu ihrem Klub wirklich für echte Liebe, halten ihren Klub für | |
etwas ganz Besonderes. | |
Und Klopp macht mit einem Handstreich aus dem ersten börsennotierten | |
Fußballklub des Landes einen Arbeiterverein, was der BVB in seiner langen | |
Geschichte vielleicht einmal war, ungefähr bis 1966 (Gewinn des | |
Europapokals der Pokalsieger). Und während er über Derartiges redet, wird | |
niemand denken, dass man es mit einem Mann zu tun hat, der weit über drei | |
Millionen Euro im Jahr verdient. Gut ein Drittel davon mit Werbung. | |
Jürgen Klopp, der so gerne über seine eigenen Emotionen spricht, über | |
Tränen in Mainz oder seine Wut, als er erfahren hat, dass die Bayern Mario | |
Götze verpflichtet haben, kann sich nicht nur selbst gut verkaufen. Die | |
Werber in Deutschland scheinen zu glauben, dass er auch alles andere gut | |
verkaufen kann – sogar Rasierapparate, die für die ganz glatte Haut stehen, | |
kann der notorische Dreitagebartträger verticken. Das sagt viel darüber, | |
wie Werbung funktioniert und welch soziales Genie Klopp ist. | |
Ein Problem ist das aber nicht. Dass sich eine Zeitung für ein | |
Klopp-Interview an eine Sportartikelfirma verkauft, das sollte schon zu | |
denken geben. | |
22 May 2013 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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