# taz.de -- Diakonische Werke: Wer Gutes tut, darf kassieren | |
> Kirchliche Einrichtungen der „freien Wohlfahrtspflege“ sollen | |
> Sonderrechte als Tendenzbetriebe aufgeben, findet die SPD. | |
Bild: Die Vorzüge des dritten Weges leuchten nicht mehr allen Diakonie-Beschä… | |
Die Bremer SPD will das kirchliche Sonder-Arbeitsrecht auf den | |
"verkündungsnahen" Bereich begrenzen. „Es ist nicht zu rechtfertigen, dass | |
in den kirchlichen Einrichtungen ein Sonderrecht gilt“, sagt Dieter | |
Reinken, früherer IG-Metall-Sekretär, inzwischen | |
SPD-Bürgerschafts-Abgeordneter. Für den „verkündungsnahen Bereich“ könne | |
man die Sonderregelungen eines „Tendenzbetriebes“ akzeptieren, aber nicht | |
für die Mehrzahl der Mitarbeiter, die bei Trägern der freien | |
Wohlfahrtspflege, etwa in der Altenhilfe, tätig sind. | |
Die Mitgliedschaft in einer Kirche und die Einhaltung kirchlicher | |
Moralvorschriften dürfe kein Kriterium bei der Einstellung von | |
Altenpflegern sein und warum in der Diakonie die Mitarbeitenden ihre | |
Interessen nicht von Betriebsräte vertreten lassen dürfen, warum sie kein | |
Streikrecht haben sollen, sei nicht mehr begründbar – „das muss ein Ende | |
haben“, sagt Reinken. | |
Diese Ungleichbehandlung habe in der Vergangenheit in vielen Fällen auch | |
dazu geführt, dass einzelne kirchliche Arbeitgeber ihre Beschäftigten zu | |
Niedriglöhnen arbeiten lassen oder in kirchlichen Leiharbeitsfirmen | |
beschäftigen. Die Möglichkeiten der Personalvertreter, Druck auszuüben, | |
sind auf Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit begrenzt - zu streiken gilt | |
als unvereinbar mit dem religiös fundierten Auftrag, ein Streikrecht gibt | |
es nicht. In seinem Sinne hat die SPD-Fraktion einen Beschluss gefasst, mit | |
dem sie den Senat auffordert, mit den christlichen Kirchen Gespräche | |
aufzunehmen. Ziel soll eine Vereinbarung „zum besseren Schutz von | |
kirchlichen ArbeitnehmerInnen“ sein, die arbeitsrechtliche Situation in der | |
kirchlichen Wohlfahrtspflege soll den üblichen arbeitsrechtlichen | |
Bedingungen „angenähert“ werden. | |
Die SPD-Fraktion setzt für dieses unscharf formulierte Ziel eine klare | |
Frist: „Binnen eines Jahres“ soll es „eine Verbesserung für die kirchlich | |
Beschäftigten“ geben, sonst wird die SPD-Fraktion auf eine Änderung der | |
Zuwendungskriterien dringen: Bremen könnte den „Kirchen, Religions- und | |
Weltanschauungsgemeinschaften nur noch dann Zuwendungen gewähren, wenn | |
diese die außerhalb dieser Bereiche geltenden arbeitsrechtlichen Regelungen | |
anwenden“. Das findet übrigens auch Karl Bronke, Abteilungsleiter | |
„Soziales“ bei der Sozialsenatorin: „Das Land Bremen sollte sich überleg… | |
ob es nicht die Gewährung von Zuschüssen und die Zahlung von Entgelten an | |
diese Voraussetzungen knüpft.“ | |
Die Gewerkschaft Ver.di streitet seit Jahren dafür, dass sie als | |
Verhandlungspartner für Tarifverträge anerkannt wird. Bisher werden die | |
Tarife etwa bei den kirchlichen Unternehmen in „Arbeitsrechtlichen | |
Kommissionen“ ausgehandelt. So hat kürzlich die arbeitsrechtliche | |
Kommission des katholischen Sozialwerks, der Caritas, beschlossen, die | |
Vergütungen bei ihrer „Bremer Pflege gGmbH“ so weit abzusenken, dass das | |
erforderliche Einsparvolumen erreicht wird: Diese Tochtergesellschaft hatte | |
für ihre vier Pflegeheime Insolvenz angemeldet. | |
In Niedersachsen hat es kürzlich zwischen den diakonischen Arbeitgebern und | |
Ver.di sowie dem Marburger Bund eine Tarifeinigung gegeben. Rund 30.000 | |
Beschäftigte im niedersächsischen Sozial- und Gesundheitswesen erhalten | |
künftig mehr Lohn. „Was in Niedersachsen funktioniert, kann auch in Bremen | |
klappen“, zeigt sich Reinken zuversichtlich. Vor allem geht es der SPD aber | |
um die allgemeinen Arbeitnehmerrechte. | |
Zu denen gehören auch Mitbestimmungsmöglichkeiten und die Transparenz der | |
Geschäftspolitik. In diesem Zusammenhang hat die diakonische Stiftung | |
Friedehorst immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt. Erst im April | |
hatte das „Kuratorium“ der Stiftung den bei den Mitarbeitern anerkannten | |
Leiter Christian Frühwald gefeuert. Nicht einmal betriebsintern musste das | |
plausibel begründet werden. Folge: Es grassieren alle möglichen Gerüchte | |
über die wahren Gründe. | |
Frühwald hatte mit den Mitarbeitern eine Dienstvereinbarung ausgehandelt, | |
nach der die Praxis der Leiharbeiter-Tarife unter dem Dach der Diakonie | |
beendet werden sollte. Im Friedehorst-Kuratorium sitzt Anwalt Rainer | |
Kulenkampff von der Sozietät Göhmann. Allein in den Jahren 2011 und 2012 | |
hat es knapp 300 arbeitsgerichtliche Verfahren wegen Lohndumpings und | |
Tarifflucht gegeben, in dem Rechtsanwalt Werner Schmalenberg den | |
Arbeitgeber vertrat – von der Kanzlei Göhmann. Der Personalleiter von | |
Friedehorst, Jörg Hentschel, hätte diese Verfahren auch führen können – er | |
ist als Anwalt zugelassen. Das hätte der Stiftung eine hohe fünfstellige | |
Sume für Anwaltshonorare erspart. Insgesamt hat die Stiftung fast 300.000 | |
Euro für diese Kirchengerichtsverfahren ausgegeben, deren überwiegende | |
Mehrzahl sie verloren hatte. Frühwald-Nachfolger Martin Schmidt hat | |
angekpndigt, dass er den Kurs von Frühwald fortsetzen will - Im Vertrauen | |
darauf hat die Mitarbeitervertretung inzwischen die Dienstvereinbarung | |
unterschrieben. | |
Nach dem diakonischen „Corporate Governance Codex“ darf ein Mitglied von | |
Aufsichtsgremien mit der von ihnen kontrollierten Gesellschaft keine | |
Geschäfte machen – es sei denn, das wird offengelegt. Ein Verstoß wäre ein | |
Fall für die Stiftungsaufsicht. Da es sich um eine kirchliche Stiftung | |
handelt, liegt die Stiftungsaufsicht bei der Bremischen Evangelischen | |
Kirche (BEK). Deren administrativer Leiter ist Johann Daniel Noltenius, der | |
für die BEK im Kuratorium sitzt, also ein Kollege von Kulenkampff. | |
Jüngst hat das Kuratorium eine juristische Expertise in Auftrag gegeben zu | |
der Frage, ob und gegen wen wegen diverser Fehlentscheidungen an der Spitze | |
von Friedehorst Regressansprüche geltend gemacht werden könnten. Im Sinne | |
des „Corporate Governance Codex“ hat das Kuratoriums-Mitglied Kulenkampff | |
auch dafür votiert, dass nicht ein Kollege seiner Kanzlei diesen Auftrag | |
erhält. Die Stiftung bezahlt derzeit neben dem amtierenden neuen Vorsteher | |
noch drei in den Jahren 2012 und 2013 "freigstellte" Vorständssprecher. | |
26 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
Klaus Wolschner | |
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