# taz.de -- Die Wahrheit: Obama, Opfer, Orden | |
> In der Sommerpause der Bundesliga will die Bundesregierung eine große | |
> Siegesparade für die Bundeswehr in Berlin organisieren. | |
Bild: Die Parade wird rund um die Berliner Siegessäule stattfinden | |
Am kommenden Samstag findet im Berliner Olympiastadion das DFB-Pokalfinale | |
statt. Es wird das Ende einer grandiosen Fußballbundesliga-Saison werden, | |
in der der FC Bayern München immer neue Rekorde aufstellte und zuletzt | |
sogar das Champions-League-Finale im Londoner Wembley-Stadion gegen die | |
zweitbeste deutsche Mannschaft, Borussia Dortmund, gewann. | |
Nach dem Pokalfinale aber kommt erst einmal nichts, ein großes schwarzes | |
Loch wird sich auftun. Vorbei ist es mit der Freude am Siegen. Denn die | |
Sommerpause der Bundesliga wird bis zum 9. August dauern, und in einem | |
krummen Jahr wie 2013 gibt es nicht einmal eine Welt- oder | |
Europameisterschaft. Dunkle zehn Wochen drohen – oder auch nicht … | |
Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen in der Hauptstadt verlautet, | |
will die Bundesregierung das drohende Sommerloch für eine in der Geschichte | |
der Bundesrepublik einmalige Veranstaltung nutzen: eine Siegesparade. | |
Jetzt, da das Ende des Afghanistankriegs absehbar sei und die ersten | |
deutschen Soldaten abgezogen würden, könne man den Sieg auch einmal feiern, | |
heißt es im Verteidigungsministerium, das eine Münchner Event-Agentur mit | |
der heiklen Aufgabe betraut hat, auf der bewährten Berliner Feiermeile rund | |
um die Siegessäule eine Militärparade zu organisieren, die die Verdienste | |
der Bundeswehr am Hindukusch würdigen soll. | |
Mit der Bundestagswahl und dem Wahlkampf habe die Siegesparade rein gar | |
nichts zu tun, versichern die Befürworter der Parade und wenden sich gegen | |
jede Kritik. Man wolle keinesfalls von der Drohnen-Affäre des | |
Bundesverteidigungsministers ablenken. Die Parade solle allein der Moral | |
der Truppe dienen und dem einzelnen Soldaten den Dank der Gesellschaft an | |
seinem persönlichen Engagement vermitteln. | |
## Marschieren in Ketten | |
Die Planungen für die Parade auf der feiererprobten Straße des 17. Juni | |
seien jedenfalls schon weit gediehen. Glücklicherweise könne man dabei auf | |
Ideen der Vorgängerregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder aus dem | |
Jahr 2001 zurückgreifen. Der Ablauf werde sich deshalb an den alten Plänen | |
orientieren, allerdings aufgepeppt mit modernen Elementen. An der Stelle | |
kämen dann auch wieder die Drohnen ins Spiel, die eine unverzichtbare | |
Unterstützung im Afghanistankrieg gewesen seien und während der | |
Siegesparade über dem Berliner Tiergarten kreisen sollen. | |
Ansonsten würde die Parade ihren traditionellen Gang nehmen. So sollen | |
zunächst Vertreter aller Waffengattungen der Bundeswehr und alliierte | |
Gastkommandos an den Tribünen für die Honoratioren und das Volk | |
vorbeimarschieren. Dann würden die Gefangenen präsentiert. Dafür werde der | |
amerikanische Präsident Obama, der als Gastteilnehmer angefragt wurde, wohl | |
eigens die Tore des Gefangenenlagers Guantánamo öffnen und einige | |
hochrangige Taliban nach Berlin einfliegen lassen, die die Paradestrecke | |
auf einem Ochsenkarren in einem Gitterkäfig zurücklegen sollen. | |
Gegen ein Marschieren in Ketten habe sich der UN-Sicherheitsrat | |
ausgesprochen, der auch Volksbelustigungen wie Anspucken oder Kotwürfe | |
strikt untersagt habe. Gegen die öffentliche Demonstration beliebter | |
Foltermethoden an ausgewählten Subjekten spräche allerdings nichts. | |
Auch die Opfer des Krieges werde man keineswegs verschweigen, heutzutage | |
müsse man offensiv mit den Folgen des Krieges umgehen, heißt es. So sei | |
auch eine Abordnung aus jenem Dorf eingeladen, das die meisten Opfer beim | |
versehentlichen Beschuss eines Tanklastwagens nahe Kundus zu beklagen | |
hatte. Nach den Vorstellungen der vom Verteidigungsministerium beauftragten | |
Event-Agentur sollen afghanische Kinder zur Erinnerung an die Toten | |
landestypische Blumen auf der Paradestrecke verstreuen. | |
## Tapferkeitsorden „Schwarzer Afghane“ | |
Vorrangig würden aber während der Parade Kriegshelden präsentiert – wie der | |
ehemalige Schauspieler Gregor Weber, der dem breiten Publikum als | |
Saarbrückener „Tatort“-Kommissar bekannt ist und als Presseoffizier einen | |
großen Anteil am Gelingen des Feldzugs hatte. Ihm und seinen wackeren | |
Kameraden werde der Höhepunkt der Siegesparade gewidmet sein: eine | |
öffentliche Ordensverleihung durch die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dafür | |
habe das Verteidigungsministerium in Anlehnung an das preußische | |
Ehrenabzeichen „Schwarzer Adler“ den Tapferkeitsorden „Schwarzer Afghane�… | |
neu geschaffen. | |
Die Veranstaltung solle am Samstag, dem 20. Juli, stattfinden, um irgendwie | |
auch noch den Widerstand gegen Hitler mit unterzubringen. Das Ganze werde | |
den Steuerzahler keinen Cent kosten. Sponsoren wie Daimler, KraussMaffei | |
und andere Rüstungsfirmen, die mit ihrem Kriegsgerät zum Gelingen des | |
Feldzugs beigetragen haben, hätten sich bereit erklärt, die Kosten zu | |
übernehmen. | |
Und wenn die siegreiche Bundeswehr erst durchs Brandenburger Tor | |
marschiert, dann hat sie endgültig die Demokratie am Hindukusch verteidigt, | |
heißt es. | |
29 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Ringel | |
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