Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Geldwäsche bei Liberty Reserve: Al Capone im Cyber-Zeitalter
> US-Behörden haben den angeblich größten Geldwäscheskandal aller Zeiten
> aufgedeckt. Im Zentrum steht das Internetbezahlsystem Liberty Reserve.
Bild: Liberty Reserve sei „die Bank der Wahl für die kriminelle Unterwelt“…
BERLIN taz | Früher besuchten sie mit Trommelrevolvern schlecht überwachte
Bankfilialen auf dem Land, heute arbeiten viele Gangster lieber von zu
Hause aus. Und haben so von einem Anwesen auf Costa Rica einen global
agierenden Geldwäsche-Ring geleitet. Über das Internetbezahlsystem Liberty
Reserve sind offenbar mehr als 6 Milliarden Dollar (4,7 Milliarden Euro)
aus kriminellen Machenschaften gewaschen worden. Liberty Reserve sei „die
Bank der Wahl für die kriminelle Unterwelt“ gewesen, so US-Staatsanwalt
Preet Bharara. Für ihn handelt es sich [1][um den größten Geldwäscheskandal
aller Zeiten].
Die Firma sei eigens dazu eingerichtet worden, um Geldwäsche im Internet zu
erleichtern, hieß es aus dem US-Finanzministerium. Das System habe es
Kriminellen weltweit ermöglicht, Finanztransaktionen abzuwickeln – anonym
und nicht nachverfolgbar. Staatsanwalt Bharara zählte als Delikte
Kreditkarten- und Anlagebetrug, Identitätsklau, Computereinbrüche,
Kinderpornografie und Drogenhandel auf. Bei einem Cyber-Überfall auf zwei
Banken aus Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten, bei dem 45
Millionen Dollar gestohlen wurden, sollen die Hacker Liberty Reserve
genutzt haben, um ihre Beute in Sicherheit zu bringen.
Die Behörden haben den Dienst bereits dichtgemacht. Zudem griffen sie
weltweit auf Dutzende Bankkonten zu. Fünf Manager wurden in Spanien, Costa
Rica und New York festgenommen, darunter auch Firmengründer und -chef
Arthur Budovsky.
Der 39-Jährige war bereits 2007 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt
worden, weil er in New York einen ähnlichen Dienst namens „Goldage“
gegründet hatte. Behörden aus 17 Ländern involviert. „Wenn Al Capone heute
noch am Leben wäre, würde er so sein Geld verstecken“, sagte Richard Weber
von der US-Steuerbehörde IRS. In der Geldwäsche sei eine „Cyber-Ära“
angebrochen.
## Über eine Million Kunden
Laut Anklage war der „LR“ eine der „gängigsten Digitalwährungen der Wel…
Über eine Million Kunden nutzten ihn, davon gut 200.000 allein in den USA.
Ob sie nun zittern müssen, ist fraglich – die Geschäfte wurden vor allem
über Strohmänner abgewickelt. Die LR-Server waren gut besucht. Von 2006 bis
2013 wurden rund 55 Millionen Transaktionen gezählt. Die Staatsanwaltschaft
geht davon aus, dass es sich dabei ausschließlich um kriminelles Geld
handelte.
Das System war zum Betrug erfunden worden. Aufseher und Behörden konnten
die Transaktionen nämlich nicht überwachen – anders als nationale Banken
unterlag Liberty Reserve keiner Regulierung. Ein Konto anzulegen ging hier
so leicht wie die Einrichtung einer Mailadresse: User kamen ungeprüft auch
mit erfundenem Namen, Adresse und Alter zum Ziel. Für eine Kontoeröffnung
benötigt man in der Regel mindestens einen Personalausweis.
Einmal registriert, konnten Nutzer echtes Geld in „LR“-Einheiten tauschen,
innerhalb des undurchsichtigen Liberty-Reserve-Systems an Drittfirmen
überweisen und am Ausgang wieder zurück in reguläre Euro oder Dollar
umtauschen. Der Betreiber kassierte dabei 1 Prozent Provision.
Die Drittfirmen – Liberty Reserve unterhielt angeblich Beziehungen zu
mindestens 35 Unternehmen – ermöglichten den Zugang zu herkömmlichen
Bezahlsystemen. Einige von ihnen überwiesen Geld beispielsweise über den
Ebay-Bezahldienst Pay-Pal oder Kreditkartengesellschaften wie Visa,
MasterCard oder American Express. Die „LR“-Kontonummern mussten dabei nicht
offengelegt werden.
Manche „LR“-Kunden gingen offen mit ihren Absichten um: Sie gaben sich
Spitznamen wie „Russland-Hacker“ oder „Joe-Schwindler“, wohnten in „1…
Fake Main Street“ („123 Gefälschte Hauptstraße“) in und gaben als
Verwendungszweck „Für Kokain“ an. Viele betroffene Firmen äußerten sich
zunächst nicht. PayPal teilte mit, in den vergangenen fünf Jahren keine
Transaktionen erlaubt zu haben, an denen Liberty Reserve beteiligt war.
## Virtuelle Währungen
Der Fall wirft ein neues Licht auf virtuelle Währungen wie Bitcoin oder
Litecoin. Onlineshopper nutzen sie wie Spekulanten oder Videogamespieler,
die sich damit virtuelle Gegenstände kaufen. US-Finanzaufseher kritisieren
seit Langem, dass der mittlerweile milliardenschwere Markt der Kunstdollars
ohne staatliche Kontrolle auskommt.
Vor zwei Wochen haben US-Ermittler erstmals ein Konto gesperrt, dass in
Verbindung mit der weltgrößten Bitcoin-Börse Mt. Gox in Tokio steht.
Sollten sich die Vorwürfe gegen Liberty Reserve als richtig herausstellen,
hätten die Behörden bessere Argumente für eine Regulierung an der Hand. Für
Staatsanwalt Bharara ist der Fall klar: Er will die „Wild-West“-Methoden im
Internetbankengeschäft verbieten.
29 May 2013
## LINKS
[1] /US-Behoerden-gegen-Liberty-Reserve/!117048/
## AUTOREN
Kai Schöneberg
## TAGS
Geldwäsche
Costa Rica
Liberty Reserve
Geldwäsche
Bitcoin
Schwerpunkt Finanzkrise
Wirtschaft
Computer
Geldwäsche
Bitcoin
Hacker
Liberty Reserve
Bitcoin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Digitalwährung Liberty Reserve: Gründer muss 20 Jahre ins Gefängnis
Kreditkarten- und Investment-Betrüger nutzten die Digitalwährung Liberty
Reserve zur Geldwäsche. Die Gründer der Währung wurden jetzt verurteilt.
Digital-Währung Bitcoin: Als „privates Geld“ anerkannt
Von nun an seriös: Die von Internetnutzern kontrollierte Währung wird vom
Bundesfinanzministerium künftig als „Rechnungseinheit“ geführt.
Klage wegen Schrottpapierhandel: US-Regierung gegen Bank of America
Weil sie mit giftigen Hypotheken Profit gemacht haben soll, wird die Bank
vor Gericht gebracht. Und Obama will auch die wichtigsten
Immobilienfinanzierer abwickeln.
Debatte Finanztransaktionsteuer: Zauber der Entschleunigung
Die Finanztransaktionsteuer stärkt die Unternehmen. Trotzdem propagieren
Konzerne wie Siemens oder Bayer munter weiter das Gegenteil.
16-Jähriger erpresste Unternehmen: Geldwäsche und Computersabotage
Ein Schüler hat Kreditkartendaten ausgespäht, um teure Handys zu kaufen.
Zudem legte er Internetauftritte von Unternehmen lahm und erpresste diese
dann.
Geldwäsche bei Liberty Reserve: Netzkriminelle suchen Alternativen
Nachdem Liberty Reserve vom Netz genommen wurde, suchen Cyberkriminelle
nach anderen Bezahldiensten. Aber auch legitime Konteninhaber sind
betroffen.
Onlinewährungs-Börse verschärft Regeln: Ausweis zeigen, Bitcoins tauschen
Nach dem Geldwäscheskandal um Liberty Reserve hat nun die größte
Bitcoin-Börse ihre Regeln verschärft. Nutzer der Onlinewährung müssen sich
ausweisen.
Cyberkriminelle im Internet: Die Sowjetunion virtuell wiederbelebt
Hacker und Spammer haben sich in einem vergessenen Winkel des Netzes
breitgemacht: auf der Domain der Sowjetunion. Dort agieren sie weitgehend
unbehelligt.
US-Behörden gegen Liberty Reserve: Geldwäsche im gigantischen Stil
Die US-Behörden ermitteln in einem der größten Geldwäsche-Fälle der
Geschichte. Es geht um das digitale Bezahlsystem Liberty Reserve und sechs
Milliarden Dollar.
Digitale Währung: Bitcoin im Keller
Panikverkäufe bei der digitalen Währung Bitcoin: Der Kurs stieg auf
Rekordhöhen, dann fiel er steil bergab. Die Sorge vor einer
Spekulationsblase wächst.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.