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# taz.de -- AWO zum Kita-Ausbau: Und die Kinder lernen die Angst
> Zu wenig Platz, zu wenig Personal und zu große Gruppen. Laut einer
> AWO-Umfrage ist die Mehrheit der Kitas mit der Aufnahme von
> Kleinstkindern überfordert.
Bild: Mehr als die Hälfte der Kitas müssen mangels Finanzierung neuer Stellen…
BERLIN taz | Ist gar kein Kitaplatz besser als ein schlechter? Sollen junge
Eltern lieber noch ein Jahr zu Hause bleiben, als ihr Kleinkind in eine
zweifelhafte Kita zu stecken? Solche Fragen bleiben nicht aus, wenn man,
wie die AWO am Donnerstag, eine Umfrage unter Kitas vorstellt, die so große
Defizite offenbart.
Ab dem 1. August 2013 haben Kleinkinder unter drei Jahren einen
Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Doch in der Mehrheit der AWO-Kitas
werden aus Mangel an Platz, Stellen und Fachkräften die Gruppen vergrößert
und mehr Kleinkinder in die Gruppen gesteckt – genau das Gegenteil dessen,
was PädagogInnen für den Umgang mit Kleinkindern für unabdingbar halten.
„Wir arbeiten hier ständig hart an der Grenze zu kindeswohlgefährdenden
Bedingungen“, wird eine Kitaleiterin zitiert. Und der AWO-Bundesvorsitzende
Wolfgang Stadler fordert ein neues Finanzierungskonzept für Kitas:
„Kommunen müssen dauerhaft entlastet werden, indem der Bund einen Großteil
der Betriebskosten übernimmt.“
Es ist erstaunlich, dass ein Kitaträger so vor seinen eigenen Einrichtungen
warnt. Aber ungewöhnliche Umstände führen zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Mehr
als die Hälfte der Kitas müssen mangels Finanzierung neuer Stellen nicht
nur ihre Gruppen vergrößern. Dies bringt eine ganze Reihe anderer
Schwierigkeiten mit sich: Die Räume sind zu klein. Die ErzieherInnen sind
überlastet. Sie werden öfter krank und sie kündigen den stressigen Job, den
sie kaum mehr fachgerecht ausführen können, häufiger. Da der
ErzieherInnenmarkt leergefegt ist, werden fachfremde Personen eingesetzt –
die Standards sinken.
## Kinder brauchen sichere Bindung
Wie sich dies alles auf Kinder auswirkt, beschrieb der Leiter des
Sozialpädagogischen Instituts SPI, Rainer Strätz, so: Nie seien wir so
lernfähig wie in der frühen Kindheit. Die Handlungserfahrungen prägten die
Gehirnstrukturen. Solche Entdeckungen mache ein Kind aber nur, wenn es
sicher gebunden ist, wenn eine feste Person ausreichend Zeit hat. Kann es
mit dieser Person nicht seine Erfahrungen teilen und sie als „emotionale
Tankstelle“ benutzen, lernt es nur eins: Angst.
„Diese Grundbedürfnisse können nicht warten“, warnt Strätz. Sie seien nur
gewährleistet, wenn einjährige Kinder zu dritt bei einer Fachkraft sind und
Zweijährige zu viert. Dieser Standard würde von keinem einzigen deutschen
Bundesland erreicht. Es nütze auch nichts, wenn mehr Erzieherinnen in die
Gruppe gesteckt würden: „Eine große Gruppe von 25 Kindern macht
Kleinkindern einfach nur Angst.“ Und Fluktuation unter den Bezugspersonen?
„Das ist Gift für die Kinder“, so Strätz. „Die deutschen Standards werd…
den internationalen Anforderungen nicht gerecht.“
Was nun? Die Kommunen, so schätzt Stadler, werden versuchen, Klagen auf
einen Kitaplatz zu umgehen: Sie bieten Plätze im Nachbarort an,
funktionieren eine Turnhalle um und stocken die Zahl der Tagesmütter und
-väter auf. Kann man sein Kleinkind guten Gewissens in eine solche
Einrichtung schicken? Strätz wollte nicht explizit abraten. Aber empfehlen
würde er die Kitas auf keinen Fall.
30 May 2013
## AUTOREN
Heide Oestreich
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