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# taz.de -- Wochenendthema Kitaplatzmangel: Der Kampf um das zweite Zuhause
> Die Kitas der Stadt scheinen aus allen Nähten zu platzen – oder haben
> Eltern nur zu hohe Ansprüche? Was die Suche nach dem richtigen Kitaplatz
> so schwierig macht.
Bild: Knapper Platz in Kitas.
Spricht man in Berlin über die Suche nach Kitaplätzen, dauert es nie lange,
bis dieses Wort fällt: Hysterie. „Wüsste ich heute, dass ich schwanger
wäre“, sagt eine Freundin, die ans Kinderkriegen noch gar nicht denkt,
„würde ich als erstes einen Kitaplatz suchen.“ Denn das, so ihr Eindruck,
den sie aus Berichten betroffener Eltern gewonnen hat, scheint eine sehr
mühsame Angelegenheit von jahrelanger Dauer zu sein.
Glaubt man dagegen dem Senat, sind genug Plätze für alle da – nur an
wenigen Orten bestehe echter Mangel. Der gefühlte resultiere vor allem
daraus, dass sich Eltern auf unzählige Wartelisten schreiben lassen. Kitas
bestätigen das: Würden Plätze frei, sagten Eltern oft ab, weil sie
unterdessen längst anderswo fündig wurden. Plätze zu finden ist also
offenbar keineswegs ein Ding der Unmöglichkeit.
Was genau ist also tatsächlich los? Scheinbar hat der von Eltern empfundene
Mangel viel mehr mit der Qualität als der Quantität der Kitaplätze zu tun.
Denn Eltern suchen eben nicht einen, sondern den Kitaplatz für ihr Kind.
Es ist schon erstaunlich: Die Deutschen, eigentlich berühmt für ihr großes
Vertrauen in staatliche Institutionen, haben dieses in einige davon
komplett verloren. Dazu gehören die Bildungseinrichtungen wie Schulen und
als frühkindliche Bildungsstätten eben auch Kitas. Mit den Nachwirkungen
des PISA-Schocks allein, der das Image der Schulen demolierte, ist das
nicht zu erklären. Dazu werden Kitas doch noch zu selten als Bildungsorte
betrachtet.
Fragt man Eltern nach ihren Kriterien bei der Suche nach der richtigen
Kita, steht vor dem Lern- der Vertrauensfaktor: Das Kind soll nicht in
erster Linie klüger werden. Es soll sich wohl, sicher und beschützt fühlen
und vor schlechten Erfahrungen bewahrt werden.
Das ist leicht zu verstehen – einerseits. Die Kita ist der erste Ort, an
den Eltern ihre Kinder in die Obhut Fremder geben, die dann die
Verantwortung übernehmen, die man als Mutter und Vater damit gerade auch
abgibt. Sie ist der temporäre Ersatz für das eigene Zuhause, eine zweite
Familie. Kein Wunder, dass Eltern da sorgfältig wählen wollen.
Dass diese Sorge der Suche nach dem richtigen Kitaplatz manchmal fast
hysterische Züge verleiht, ist das Andererseits. Es erklärt sich nicht
allein aus dem Misstrauen gegenüber der Institution. Es geht auch um das
ebenfalls sehr deutsche schlechte Gewissen vieler Eltern, kleine Kinder in
fremde Fürsorge zu geben.
Zudem steckt darin auch eine Arroganz, die – wie Arroganz meistens – die
Kehrseite von Unsicherheit ist: Nur sie allein wissen, glauben Eltern, was
für ihr Kind gut und richtig ist. Vor fremdem Einfluss ist das Kind deshalb
zu schützen. Dieser Schutz ist auch Selbstschutz: Was, wenn es dem Kind
anderswo gefällt, vielleicht gar manchmal besser gefällt als daheim?
Bildungseinrichtungen sind auch dazu da, den Horizont zu erweitern. Sie
sollen Kindern die Chance eröffnen, Erfahrungen zu machen, die sie zuhause
nicht machen können. Das kann allen Kindern nützen – nicht nur denen aus
den so genannten bildungsfernen Milieus, die für dieses Argument oft als
Beleg benutzt werden. Für die Institutionen gilt es, Eltern davon zu
überzeugen, dass das in ihrer Obhut mit der nötigen liebevollen Fürsorge
geschieht – dass sie Vertrauen haben können. Der Hinweis auf genug Plätze
für alle reicht dafür nicht aus.
5 Apr 2013
## AUTOREN
Alke Wierth
## TAGS
Erziehung
Kitaausbau
Kitaausbau
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