# taz.de -- STROM: "Wer die Netze hat, hat Macht" | |
> Das Energie-Volksbegehren in Berlin wird erfolgreich sein, glaubt die | |
> Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für | |
> Wirtschaftsforschung. | |
Bild: Rückbau der ältesten Freileitung im Berliner Stromnetz im Mai 2013. | |
taz: Frau Kemfert, in Berlin soll ein Volksbegehren zu einem starken | |
kommunalen Bewerber um das Stromnetz und grüne Stadtwerke führen. Was | |
halten Sie davon? | |
Claudia Kemfert: Ich kann die Bürger, die das fordern, sehr gut verstehen. | |
Denn die Energiewende funktioniert vor allem über kommunale Initiativen. | |
Außerdem ist es ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Bürger mit solch | |
einer demokratischen Initiative versuchen, die Energiewende von unten | |
voranzubringen. | |
Vattenfall sagt, die Energiewende finde in Berlin längst statt – vor allem | |
der Konzern selbst sorge für ihr Vorankommen. | |
Vattenfall hat auch durch öffentlichen Druck eingelenkt und baut ein | |
Biomasse- und ein Gaskraftwerk. Auf die Energiewende vor Ort kommen aber | |
noch mehr Herausforderungen zu: dezentrale Speicherlösungen, intelligente | |
Netze. Da ist zu hoffen, dass Vattenfall diese Schritte weiter mitgeht. | |
Vattenfall ist ein Konzern, der deutlich macht, dass er sehr stark auf | |
Kohlekraftwerke fokussiert ist. Kohlekraftwerke passen jedoch nicht in die | |
Energiewende. Die Skepsis vieler Bürger ist also nachvollziehbar. | |
Immer lauter wird in der Stadt derzeit jedoch auch gefragt: Lohnen sich | |
kommunale Investitionen in Stadtwerke und Stromnetz? | |
Es gibt genügend empirische Belege kommunaler Netzunternehmen, die zeigen, | |
dass sich das für eine Kommune lohnen kann. Berlin steht vor großen | |
Herausforderungen, etwa was die Bewältigung seiner Schulden angeht. Aber | |
das spricht nicht dagegen, dass die Stadt unter anderem ihr Netz selbst | |
betreibt. | |
Was ist an diesem Netz so wichtig? | |
Wer die Netze hat, hat die Macht. Vattenfall hat bisher das Berliner Netz | |
gut bewirtschaftet. Aber es kommen neue Aufgaben hinzu, und da muss man | |
eben deutlich sagen: Vattenfall hat sich nicht unbedingt als Vorkämpfer für | |
die Energiewende präsentiert. Demgegenüber gibt es viele Beispiele | |
kommunaler Netzunternehmen wie im Südwesten oder in München, die sehr gut | |
funktionieren. Es spricht somit nichts dagegen, dass eine Kommune das Netz | |
selbst managt. | |
Sie sagen, derzeit tobe eine Propagandaschlacht um die Energiewende. | |
Inwiefern ist das der Fall? | |
Es gibt Menschen, die öffentlich sagen, sie seien für die Energiewende. | |
Hintenherum behaupten sie aber alles Mögliche: die Energiewende sei zu | |
teuer, ineffizient, sie führe zu Blackouts und dazu, dass wir Strom aus | |
Atomländern importieren müssten. All diese Mythen werden wie Graffiti an | |
die Wände gesprüht, um die Bürger zu verunsichern und die öffentliche | |
Akzeptanz zu mindern. | |
Was würde ein gescheitertes Volksbegehren in Berlin in dieser Hinsicht | |
bedeuten? | |
Ich glaube nicht, dass das Begehren scheitert – mehr als 160.000 | |
Unterzeichner sind ja schon gewonnen. Die Berliner sind sehr sensibilisiert | |
für das Thema. Aber nehmen wir mal an, dass es nicht funktioniert: Dann | |
heißt das eben, dass Berlin anders als Hamburg oder München weiter auf die | |
herkömmlichen Strukturen vertraut. | |
4 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Puschner | |
## TAGS | |
Hamburg | |
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