| # taz.de -- Die Wahrheit: Karikaturenstreit mit Maori | |
| > Neues aus Neuseeland: Ein Riesenkrach um Rassismus, Maori, Milch, | |
| > Frühstücksflocken und Zeichnungen, die eher einer Darmspiegelung ähneln. | |
| Immer hinken wir Europa hinterher. Mit zwölf Jahren Verspätung haben auch | |
| wir unseren Karikaturenstreit. Es geht um Rassismus, nicht um Religion. | |
| Nicht um Mohammed, sondern um Maori, Milch und Frühstücksflocken. Letztere | |
| fielen einigen Menschen aus dem Mund, als sie morgens die Zeitung | |
| aufschlugen und sahen, was Al Nisbet diesmal verbrochen hat. Nisbet ist | |
| Karikaturist der Press in Christchurch und schaut „dem Volk aufs Maul“. | |
| Hübsch ist das selten. Manchmal ähnelt es eher einer Darmspiegelung. | |
| Was war passiert? Die regierende National-Partei hat mit viel Lärm ein | |
| Programm namens „Kick Start“ gekickstartet, das in einkommensschwachen | |
| Gegenden ein kostenloses Schulfrühstück serviert. Schlappe zwei Millionen | |
| Dollar für Milch und Weetbix wandern in die Münder der armen Kleinen, und | |
| nebenbei gibt’s wunderbare PR für den umstrittenen Milchmogul Fonterra, der | |
| unsere Flüsse vergüllt – voll sozial für einen Premierminister, der da, wo | |
| andere Hirn und Herz haben, Firmenlogos sitzen hat. | |
| Bei den Kindern, die nicht richtig lernen, weil sie hungrig in die Schule | |
| kommen, herrschen oft auch desolate Zustände zu Hause: Eltern im Knast, auf | |
| Drogen oder Stütze. Und diese wiederum sind überproportional häufig Maori | |
| und Samoaner. Ob man sie mit Weizenpampe vor den Spätfolgen der | |
| Kolonialisierung rettet oder sie und ihre Brut mit so viel Wohltätigkeit | |
| erst recht in die Gosse treibt, war das Tagesthema zwischen Links und | |
| Rechts. Womit wir wieder bei Al Nisbet sind. | |
| Der signiert seine Werke so, dass das S in seinem Namen wie das der | |
| SS-Runen anmutet – was natürlich reiner Zufall ist. Genauso, wie es Zufall | |
| ist, dass die dicken, dunkelhaarigen Figuren mit runden Augen und breiten | |
| Nasen, die vorige Woche aus Nisbets Stift flossen, aufgrund ihrer | |
| Physiognomie für Polynesier oder Maori gehalten werden könnten. In der | |
| umstrittenen Karikatur wandern diese asozialen Prototypen – Fluppe, nackter | |
| Hängebauch, Tattoos – Richtung Schule, mit einem Ranzen auf dem Rücken und | |
| einem Schälchen in der Hand. „Psst – wenn wir damit durchkommen, haben wir | |
| mehr Kohle für Alkohol, Kippen und Spielautomaten!“, raunen sich die | |
| Essen-Erschleicher in der Sprechblase zu. | |
| Am nächsten Tag legte Nisbet in einer anderen Zeitung nach: Eine ähnlich | |
| derbe Truppe sitzt rülpsend und rauchend um einen Tisch voller Tippscheine, | |
| Aschenbecher und Bierdosen und lobt das kostenlose Staatsfrühstück: „Es | |
| lindert unsere Armut und ernährt die Kinder!“ Da half auch nicht mehr, dass | |
| in diesem Unterschicht-Idyll ein paar der fetten Gören mit helleren Haaren | |
| ausgestattet waren. Das waren die Alibi-Weißen. Die Botschaft war klar und | |
| der Aufschrei der Leser entsprechend. Sich über soziales Elend zu mokieren | |
| ist keine Ironie – und Maori zu verspotten ein Tabu. Der Chefredakteur | |
| musste sich rechtfertigen. Bei der Menschenrechtskommission gingen | |
| Rassismus-Beschwerden ein. Doch niemand denkt bei all dem Streit an die | |
| wahren Opfer von „Kick Start“: laktoseintolerante Kinder mit | |
| Glutenallergie. | |
| 12 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Anke Richter | |
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