| # taz.de -- Die Wahrheit: Der Zustand des Erbes | |
| > Zwei uniformierte Polizisten standen vor der Tür. Ich erschrak, da ich | |
| > Schlimmes fürchtete, und rief unwillkürlich aus: „Um Gottes willen!“ | |
| Bild: Stiefsohn des Adoptivkindes: Eugen Egner. | |
| Zwei uniformierte Polizisten standen vor der Tür. Ich erschrak, da ich | |
| Schlimmes fürchtete, und rief unwillkürlich aus: „Um Gottes willen!“ – | |
| „Keine Angst, es ist nichts passiert“, beruhigten sie mich. Wie sie sodann | |
| darlegten, kamen sie in einer Erbschaftsangelegenheit. | |
| Einer der beiden schrieb eine Telefonnummer auf ein Blatt und reichte es | |
| mir. „Rufen Sie da mal an“, sagte er, „vielleicht springt was für Sie | |
| raus.“ Zweifellos war das eine liebenswürdige Geste, und ich bedankte mich. | |
| Wir verabschiedeten uns voneinander, und bald war von den Polizisten nichts | |
| mehr zu sehen. | |
| Unter der Rufnummer, die ich wenig später wählte, meldete sich eine Frau | |
| mit einem verheerenden Schnupfen. Sie war kaum in der Lage zu sprechen, und | |
| was sie sagte, war fast nicht zu verstehen. Trotzdem glaubte ich | |
| herauszuhören, dass irgendwo eine mir unbekannte Person gestorben war, die | |
| mir testamentarisch eine Fabrik vermacht hatte. Ich war neugierig genug, | |
| mir die Adresse zu notieren und hinzufahren. Was ich dort zu sehen bekam, | |
| war jedoch erschütternd. | |
| Von dem Betrieb, in dessen Planungsbüro einst die Katze erfunden worden | |
| war, wie ich auf einer Informationstafel las, hatten die Abnutzungskräfte | |
| der Natur nur eine Ruine übrig gelassen. Ich wollte mich sofort auf den | |
| Heimweg machen und das Erbe ausschlagen. Als ich mich schon umdrehen und zu | |
| meinem Fahrzeug gehen wollte, öffnete sich plötzlich die ramponierte | |
| Eingangstür. Vor Schreck blieb ich wie erstarrt stehen. | |
| ## Meine Neugier siegte über meine Angst | |
| „Möchten Sie hereinkommen und sich setzen?“, fragte mit sanfter Stimme ein | |
| ganz und gar harmlos aussehender älterer Herr in leicht schäbiger Kleidung. | |
| Der Eindruck, den er erweckte, beruhigte mich etwas, trotzdem war mir die | |
| Situation alles andere als geheuer. „Nein, ich muss jetzt gehen“, gab ich | |
| so selbstsicher wie möglich zurück. „Es hat eigentlich auch keinen Sinn, | |
| hereinzukommen“, ließ sich der Mann wieder unvermindert sanft hören und | |
| fuhr dann ebenso fort: „Kommen Sie bitte, ich möchte Ihnen etwas zeigen.“ | |
| Was sollte ich jetzt tun? Wegrennen oder mitgehen? Ich zögerte. Der | |
| freundliche ältere Herr sprach indessen weiter: „Es steht in direktem | |
| Zusammenhang mit dem Zustand dieser Fabrik. Sie werden dann vieles besser | |
| verstehen.“ | |
| Meine Neugier siegte über meine Angst, und ich folgte ihm langsam in das | |
| Gebäude, aus dem er gekommen war. Um nicht allzu willfährig zu erscheinen, | |
| erkundigte ich mich: „Darf ich fragen, wer Sie sind?“ Der wunderliche | |
| Mensch sah mich erstaunt an und antwortete in einem Tonfall, der erkennen | |
| ließ, wie unqualifiziert er meine Frage fand: „Der Prokurist der Firma!“ | |
| Das Innere der Fabrik entsprach dem Äußeren, doch das Büro, das wir dann | |
| betraten, wies einen deutlich niedrigeren Grad des Verfalls auf. Gleichwohl | |
| schien es ausgeschlossen, dass hier noch gearbeitet wurde. Ich war | |
| gespannt, was der angebliche Prokurist mir zeigen wollte. „Es wäre | |
| lebensgefährlich zu bleiben“, erklärte der Prokurist. Mit dem Gefühl, dass | |
| er wahrscheinlich nicht übertrieb, verließ ich ihn wortlos. | |
| 17 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Eugen Egner | |
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