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# taz.de -- Die Wahrheit: Die undisziplinierten Flugschüler
> Am Ende der Landschaft liegt der gemalte Himmel, und genau dort entdeckt
> der Abgesandte der Oberen Flugbehörde etwas Entsetzliches.
Bild: Stiefsohn des Adoptivkindes: Eugen Egner.
Als Abgesandter der Oberen Flugbehörde durchmaß ich auf dem Weg zur
Flugschule die Landschaft, deren breite Front den Raum nach beiden Seiten
bestimmte. Den Texten verschiedener Hinweisschilder entnahm ich, dass etwas
vorging in dieser Landschaft. Auf einem Schild stand „Gelände bleibt“, was
zwar beruhigend wirkte, doch immerhin die Möglichkeit einer in Betracht
gezogenen Veränderung anklingen ließ; andere wie „See verlegt“ oder „Be…
erhöht“ indessen zeugten von bereits erfolgtem menschlichen Eingreifen in
die Natur. Eigentlich ging es mich nichts an, trotzdem nahm ich innerlich
Anteil.
Es hielten sich Menschen in der Landschaft auf, zuerst dachte ich an
Missionare, weil man an die ja immer zuerst denkt, aber es waren dann doch
keine, sondern Landschafter, als solche zu erkennen an ihren Staffeleien,
Paletten und sonstigen Malutensilien. Um den Eindruck eines bescheidenen
Pilgers bemüht, trat ich ohne Scheu zu ihnen, infolge einer unverkennbaren
Aufgeregtheit ihrerseits nahmen sie meine Gegenwart jedoch gar nicht zur
Kenntnis. Es wurde angelegentlich über etwas debattiert, das in seiner
Ungeheuerlichkeit geeignet schien, die Grundfesten jeglicher
rechtschaffenen Wirklichkeitsauffassung zu erschüttern. Dabei handelte es
sich, wie ich heraushörte, um das Ansinnen gewisser Leute, eine neue
Bahnlinie quer durch die Landschaft zu errichten. Die den Landschaftern
verhassten Befürworter dieses Vorhabens wurden mit Sätzen zitiert wie „Die
Verlegung der Gleise entspricht der Wirklichkeit“ oder „Irgendwelche
Vorbereitungen des Geländes sind nicht erforderlich, man kann Gleise
überall verlegen“.
Schon war ich drauf und dran, mich mit den Landschaftern solidarisch zu
erklären, da entstand ein Geräusch und eine Bewegung in der Luft. Alle
erhoben ihre Augen und gewahrten in mittlerer Höhe ein dunkles Objekt, ein
zweimotoriges Flugzeug, welches zielstrebig auf den gemalten Himmel des
Hintergrunds zusteuerte.
„Die Flugschüler!“, riefen die Landschafter aus. „Womit wollen sie nunme…
ihre große Schuld noch vermehren?“ Das waren also die Flugschüler, um
derentwillen ich hier war? Dann war diese Maschine eine flugschuleigene und
gehörte in meinen Zuständigkeitsbereich. Was führten sie im Schilde? Sie
konnten nicht einfach mutwillig herumfliegen, damit verletzten sie
sämtliche Vorschriften und handelten sich eine strenge Bestrafung ein.
Gebannt verfolgten wir das Flugzeug. Um keinen Millimeter wich es von
seiner Bahn ab, keinerlei Anstalten unternahm sein Pilot, um nicht auf den
Himmel zu prallen. Schon war es zu spät zum Wenden – ich hielt die Luft an.
Um Gottes Willen! Wollten sie denn wirklich …
In der nächsten Sekunde durchschlug die Flugmaschine mit einem Knall das
Himmelsgemälde und verschwand. Nun waren die Flugschüler auf der anderen
Seite, wo nach landläufiger Auffassung der totale Unsinn herrschte. Der
konnte, musste und würde nun durch das Loch herübergelangen. Ich hörte
schrille Entsetzensschreie, darunter meine eigenen.
10 Jun 2013
## AUTOREN
Eugen Egner
## TAGS
Groteske
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Katzen
Eugen Egner
Bahnhof
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