# taz.de -- Diskriminierung bei der Wohnungssuche: Wenn Vermieter nur noch abwi… | |
> Unter dem Wohnungsmangel leidet besonders, wer die „falsche“ Hautfarbe | |
> oder Herkunft hat. Beratungsstellen sagen, was man dagegen tun kann. | |
Bild: Wunschkandidaten bevorzugt: Wohnungssuche in München. | |
BERLIN taz | Die Ärztin Samira Al-Youm arbeitet in einem Dortmunder | |
Krankenhaus. Sie raucht nicht, besitzt keine Haustiere, ist alleinstehend | |
und verdient gut. Als sie in ihrer Lokalzeitung eine Anzeige aufgab, | |
meldeten sich viele Vermieter bei ihr. | |
Obwohl sie akzentfreies Deutsch spricht, wurde sie schon beim ersten | |
Telefonat gefragt, ob sie einen „Migrationshintergrund“ habe. Als sie zu | |
der Besichtigung einer Wohnung eingeladen wurde, die noch nicht | |
ausgeschrieben worden war, servierte die Vermieterin ihr Tee und plauderte | |
freundlich mit ihr. Als sie einige Tage später anrief, klang diese jedoch | |
etwas verunsichert und wollte nun wissen, welcher Religion Samira | |
eigentlich angehöre. Sie habe sich nicht getraut, diese Frage schon früher | |
zu stellen. | |
Als Samira antwortete, sie sei Muslimin, erzählte ihr die Vermieterin, dass | |
sie oft arabische und türkische Jugendliche auf der Straße sehe, die immer | |
sehr laut seien und aggressiv wirkten. Das dürfe Samira jetzt aber nicht | |
falsch verstehen! Kurz darauf erhielt Samira eine Absage. Die Begründung: | |
Da sie ja Ärztin sei, müsse sie sicher auch bis spät in die Nacht arbeiten. | |
Das Treppenhaus sei aber so hellhörig, dass sie zu später Uhrzeit womöglich | |
die Nachbarn stören könnte. | |
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) kennt viele solcher | |
Geschichten. „Besonders häufig erfahren wir von Muslimen auf Wohnungssuche, | |
die vom Vermieter oder der Hausverwaltung abgelehnt werden“, sagt Stefan | |
Bickerich, Sprecher der Antidiskriminierungsstelle. Manchmal kann seine | |
Behörde da vermitteln: Als eine Vermieterin von einer Wohnungszusage an ein | |
muslimisches Ehepaar wieder Abstand nahm, nachdem es deswegen in ihrem Haus | |
Gerede gab, habe die Behörde „zu einer gütlichen Einigung beitragen“ | |
können, so der Sprecher. | |
## 250.000 Wohnungen fehlen | |
In Deutschland fehlen nach Einschätzung des Deutschen Mieterbundes (DMB) | |
250.000 Wohnungen. Besonders schwer hat es da, wer die „falsche“ Hautfarbe, | |
Hekunft oder Religion hat. Die Studentin Sarah Kernbeck trägt ein Kopftuch, | |
seit sie vor einigen Jahren zum Islam konvertiert ist. Gemeinsam mit ihrem | |
Mann, ebenfalls Student und gebürtiger Syrer, wollte Sarah aus ihrem | |
Studentenheim in Tübingen ausziehen und eine größere Unterkunft finden. | |
Nach einem Besichtigungstermin sagte ihr die Vermieterin ab. Zur Begründung | |
sagte sie, dass „Leute aus arabischen Ländern zu viel Besuch bekommen | |
würden“. | |
Auch James Irubé* fiel die Wohnungssuche schwer, als er in Bonn nach einer | |
Bleibe suchte. Der gebürtige Ghanaer lebt schon lange in Deutschland, | |
spricht fließend Deutsch und war damals schon finanziell unabhängig. Als | |
ihn eine potenzielle Vermieterin einmal von oben bis unten beäugte und dann | |
feststellte, dass die Einzimmerwohnung nur an „Personen mit deutschen | |
Eltern“ zu vermieten sei, blieb ihm die Spucke weg. | |
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat eine „niedrige, dreistellige | |
Zahl“ solcher Fälle erfasst. Doch viele Betroffene wenden sich bis jetzt | |
gar nicht an solche Stellen. Außerdem müssen sie nachweisen können, dass | |
ihnen der Mietvertrages tatsächlich nur aufgrund ihrer Herkunft oder | |
Religion verwehrt wurde. | |
Um Diskriminierung nachzuweisen, dafür hat sich das „Testing-Verfahren“ | |
bewährt. Wer bei der Wohnungssuche eine Absage erhält, die ihm merkwürdig | |
erscheint, kann mit Hilfe einer Testperson überprüfen, ob es dabei mit | |
rechten Dingen zuging. Wenn ein Vermieter einem Bewerber gegenüber | |
behauptet, seine Wohnung sein schon vergeben, und einem anderen gegenüber | |
erklärt, sie sei frei, liegt der Verdacht auf eine gezielte Diskriminierung | |
nahe. | |
## „Testings“ vor Gericht zugelassen | |
In solchen Fällen kann man rechtlich gegen den Vermieter vorgehen und auf | |
Entschädigung klagen, solche „Testings“ werden vor Gericht als Beweis | |
zugelassen. Beim Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des Türkischen Bundes | |
in Berlin-Brandenburg rät man Menschen, die von Diskriminierung bei der | |
Wohnungssuche berichten, zur Klage, wenn ausreichende Indizien vorliegen. | |
Vielen Betroffenen ist das aber zu aufwändig, selbst wenn der Fall | |
eindeutig ist. „Viele fürchten das Risiko, am Ende auf den Prozesskosten | |
sitzen zu bleiben“, sagt Eva Maria Andrade vom Antidiskriminierungsnetzwerk | |
Berlin. Außerdem seien die Entschädigungssummen im Erfolgsfall zu gering. | |
Einer schwarzen Familie in Aachen wurde vor drei Jahren einmal eine | |
Entschädigung von 5.000 Euro zugesprochen, weil ihnen aufgrund ihrer | |
Herkunft die Besichtigung einer Wohnung verwehrt wurde. Doch das ist eine | |
Ausnahme geblieben: Seitdem gab es kein vergleichbares Urteil mehr. | |
*Namen geändert | |
20 Jun 2013 | |
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