| # taz.de -- Die Wahrheit: Schwester Pflanze lebt! | |
| > Ethos und Ernährung: Obst und Gemüse sind auch nur Menschen. Forderungen | |
| > nach Gemüseklappen, die rund um die Uhr geöffnet sind, sind leider noch | |
| > Zukunftsmusik. | |
| Bild: Tag und Nacht am pochenden Puls der Zeit: das gemeine Gemüse | |
| Aufmerksame Forscher der Rice-Universität in Houston haben kürzlich | |
| festgestellt, dass Obst und Gemüse im Supermarktregal weiterleben. | |
| Biologische Vorgänge wie Tag- und Nachtrhythmus des Organismus laufen also | |
| weiter ab. So schwanke etwa die Menge der Abwehrstoffe gegen Feinde wie | |
| auch die Nährstoffzusammensetzung eines Rübentrunks im Tagesverlauf. | |
| Diese Erkenntnisse erfordern tiefgreifende Konsequenzen für den bewussten | |
| Verbraucher – praktische und ethische. So sollten wir unser Gemüse | |
| möglichst abends oder morgens kaufen, wenn es noch schläft. Gemüse aus | |
| fernen Ländern lassen wir noch ein paar Tage liegen, bis es in unseren | |
| Rhythmus gefunden hat, denn im Jetlag schmeckt es müde und fad. | |
| Gemüse, das wir nicht gleich verzehren wollen, bringen wir vorübergehend in | |
| einem kleinen Gewächshaus unter. Ein Verbleib im Kühlschrank würde die | |
| lebenden Organismen nur unnötig ängstigen, das Gemüse würde unangenehm nach | |
| Angstschweiß schmecken. | |
| Wollen wir es jedoch sofort verzehren, lassen wir das Gemüse gleich im | |
| Supermarkt abtöten. Denn die neue Ethik schreibt uns zwingend vor, dass wir | |
| kein Obst und Gemüse lebend verzehren. Außerdem sollte es für uns | |
| selbstverständlich sein, dass wir nicht vor Kinderaugen Zwiebeln, Salat und | |
| Möhren hinrichten. | |
| ## Töten wir artgerecht? | |
| Doch wie töten wir unsere pflanzlichen Lebensmittel artgerecht? Wir | |
| benutzen scharfe Obstmesser und töten Gemüse durch einen raschen | |
| schmerzlosen Schnitt ins Leitbündelzentrum, dem „Herz“ der Pflanze. | |
| Schlagwerkzeuge wie Kartoffelstampfer und Nudelholz sollten tabu sein! | |
| Kartoffeln decken wir vorher rücksichtsvoll die Augen ab. | |
| Niemals dürfen wir Gemüse lebend totkochen. Auch die archaische | |
| Aztekenmethode, Tomaten lebend zu häuten, lehnen wir grundsätzlich ab. | |
| Blutorangen lassen wir vor dem Verzehr gründlich ausbluten. Kirschen | |
| entfernen wir mit dem Ausstecher das steinerne Herz, und Salatköpfe töten | |
| wir rasch und schmerzlos mit einem Bolzenschussgerät, wie es ja auch bei | |
| Kühen und Schweinen üblich ist. | |
| Gemüse, das wir nicht essen können, sei es wegen Urlaub oder | |
| Appetitlosigkeit, bringen wir ins Gemüseregal zurück. (Guerilla-Regaling). | |
| Forderungen nach Gemüseklappen, die rund um die Uhr geöffnet sind, sind | |
| leider noch Zukunftsmusik. | |
| Selbst gleich nach dem Einkauf Gemüse im Einpackregal vor den entsetzten | |
| Blicken der Umstehenden abzutöten, ist unbedingt zu unterlassen. Das wird | |
| der freundliche Supermarktfachscherge gern diskret im Nebenraum erledigen. | |
| Wer aber als mündiger Verbraucher Zeuge wird, wie lebendes Gemüse wilden | |
| Tieren wie Kaninchen oder Meerschweinchen vorgeworfen wird, sollte sich | |
| umgehend an eine Pflanzenschutzorganisation wie Planta wenden. | |
| Wenn wir alle diese Aspekte des pflanzengerechten Umgangs mit unseren | |
| Gemüsen berücksichtigen, werden wir bald wieder im biologischen | |
| Gleichgewicht mit Schwester Pflanze sein. Ein glücklicher gemeinsamer | |
| Tag-und-Nachtrhythmus wird unser verdienter Lohn sein. | |
| 27 Jun 2013 | |
| ## TAGS | |
| Konsum | |
| Gemüse | |
| Pink | |
| Maskottchen | |
| Journalismus | |
| Gedicht | |
| Neuseeland | |
| Kopftuch | |
| Jugend | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Die Wahrheit: Rosa für Rüde | |
| Farblehre: Pink soll besänftigen, macht aber eher aggressiv. Das gilt für | |
| Wandfarben wie für Unterhosen, wie viele Knackis erfahren mussten. | |
| Die Wahrheit: Leichtfigur der Landstraße | |
| Im Jahr 1898 waren alle Reifen grau oder beige. Dann erfand der Franzose | |
| Edouard Michelin das Reifenstapelmännchen Bibendum. | |
| Kolumne Die Wahrheit: Auf dem Kolumnistenplatz | |
| Pep Frankiola (42) schreibt seine erste Kolumne für die Wahrheit. Noch hat | |
| er nicht den Hauch einer Idee, was auf dem Platz passieren soll. | |
| Die Wahrheit: Die Mutter aller Gedichte | |
| Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit-Seite. Heute darf sich die | |
| Leserschaft an einem lyrischen Werk über Dichter und die Dichtung erfreuen. | |
| Die Wahrheit: Panik vor dem Schnee | |
| Neues aus Neuseeland: Auch 167 Jahre nach ihrer Gründung ist die Stadt | |
| Christchurch nicht auf den Winter eingestellt. | |
| Die Wahrheit: Allahs Wutbäuerinnen | |
| Wegen des Kopftuchverbots konvertieren immer mehr Allgäuer Landfrauen zum | |
| Islam. | |
| Die Wahrheit: Mit dem Mofa nach Hannova | |
| Sag mir, wo die Mofas sind. Wo sind sie geblieben? Wohin man auch blickt: | |
| Nur Autos, Fahrräder, Motorräder und ein paar einsame Motorroller. |