# taz.de -- Proteste beim Confed Cup: Wenig erreicht, aber viel bewegt | |
> Das Maracanã wird zum Symbol der Ungerechtigkeit. Denn einst war das | |
> Stadion ein Treffpunkt aller Brasilianer – jenseits gesellschaftlicher | |
> Konventionen. | |
Bild: Die Demonstranten versuchten, bis ins Stadion vorzudringen. | |
RIO DE JANEIRO taz | Es war der Tag des Maracanã. Drinnen sangen die Fans | |
„Der Champion ist zurück“, die neueste Version des „Brasilien ist | |
aufgewacht“, dem Leitspruch der Massendemonstrationen der vergangenen | |
Wochen. Draußen sangen die Demonstranten zur gleichen Melodie „(Gouverneur) | |
Cabral ist ein Diktator“ und versuchten mehrfach vergeblich, bis zum | |
Stadion vorzudringen. | |
Die 73.000 Zuschauer im frisch renovierten Maracanã waren bester Stimmung, | |
ihre Seleção besiegte Spanien im Endspiel des Confed Cups am Sonntag mit | |
3:0. Jahrelang bot der fünffache Weltmeister ein mickriges Bild, fast | |
hätten die Fans das Feiern verlernt. Jetzt ist die brasilianische | |
Fußballwelt wieder in Ordnung, die WM 2014 kann kommen. | |
Aber der Ärger über die Fifa ist nicht vergessen, trotz des Verbots | |
politischer Bekundungen wurde auch „Das Maracanã ist unser“ angestimmt. | |
Nicht ganz so lautstark, aber die Kritik an der Privatisierung des | |
populären Fußballtempels in Rio de Janeiro wird inzwischen auch von vielen | |
geteilt, die sich die gesalzenen Eintrittspreise leisten können. | |
Die Reste von Tränengasschwaden, die zu Spielbeginn ins Maracanã wehten, | |
waren kaum zu spüren. Schlechter erging es den rund 5.000 Demonstranten, | |
die 500 Meter von Stadion entfernt vor einer massiven Polizeisperre | |
ausharrten. Kurz vor Anpfiff kam es zur Konfrontation, erste Steine flogen | |
auf die Uniformierten. In üblicher Manier deckte die Polizei ganze | |
Straßenzüge mit Tränengas ein und machte mit Gummigeschossen und Knüppeln | |
Jagd auf die Protestler. | |
## Tränengas und Gummigeschosse | |
„Wir hier draußen waren für Spanien“, sagte Gilka später und wirkte gar | |
nicht glücklich dabei. Die junge Frau musste Anwohner um Hilfe bitten, da | |
sie vor lauter Tränengas nicht mehr sehen konnte. Danach kümmerte sie sich | |
um einen Demonstranten, der von zwei Gummigeschossen getroffen worden war. | |
An den friedlichen, kraftvollen Protestzug vom Nachmittag erinnert sie sich | |
kaum noch. | |
Schon am Vormittag war die erste Demo Richtung Maracanã unterwegs. Jenseits | |
der Tumulte wollte die Bewegung rund um das „Komitee gegen WM und Olympia“ | |
ihren Standpunkt nicht zuletzt den internationalen Medien vermitteln, die | |
die Stadt inzwischen verlassen haben. Früher war das legendäre Stadion, das | |
1950 für die erste WM in Brasilien errichtet wurde, ein öffentlicher Ort. | |
Hier trafen sich Menschen aus allen Stadtteilen, Arm und Reich jubelten und | |
litten miteinander. Generationen von Fußballfans kreierten hier eine ganz | |
eigene Kultur, Gesänge und Riten, die in Brasilien nicht wegzudenken sind. | |
Damit soll jetzt Schluss sein. Das Maracanã ist nicht nur an diesem Sonntag | |
abgesperrt. Der Geldbeutel entscheidet in Zukunft über die Besetzung der | |
Fankurve. Im Zuge der Privatisierung soll das ganze Areal in ein | |
Einkaufsparadies verwandelt werden, für die Parkplätze und Zufahrtswege | |
müssen eine Favela, eine öffentliche Schule, weitere Sportstätten und das | |
denkmalgeschützte Gebäude des Indígena-Museums weichen. | |
Einige der Demonstranten sind nicht nur wütend, sie sind den Tränen nahe. | |
Vor der unbeweglichen Polizeikette wird ihnen klar, dass das Maracanã | |
wirklich nicht mehr „unseres“ ist. Es wird zum Symbol einer ungerechten, | |
hygienischen Stadt, in der es nicht um die Bewohner geht, sondern um die | |
ökonomischen Interessen derjenigen, die großen Wert auf eine korrupte | |
Stadtverwaltung legen. | |
## Gut kalkuliert | |
Die Unternehmen, die das Maracanã in den kommenden Jahrzehnten | |
ausschlachten werden, haben bestimmt gut kalkuliert. Der Staat aber, | |
errechnete das „Bewegungskomitee“, wird von seinen Millioneninvestitionen | |
nicht einmal ein Drittel zurückbekommen, auch wenn Präsidentin Dilma | |
Rousseff das Gegenteil verspricht. Da wundert es auch nicht, dass das | |
Stadion nach dem Confed Cup gleich wieder geschlossen wird. Bevor dort | |
Ligaspiele stattfinden, muss es erst einmal fertig renoviert werden. | |
Auch jenseits der Stadien gibt es genug Gründe, in Brasilien weiter auf die | |
Straße zu gehen. Einige meinen, die stetig sinkende Teilnehmerzahl auf den | |
Demonstrationen sei ein Zeichen dafür, dass die Überraschungsbewegung ihrem | |
Ende zugeht, dass das Entgegenkommen seitens der Politik Wirkung zeigt. | |
Doch die Mehrheit auf der Straße ist optimistisch: Wir haben bisher nur | |
kleine Zugeständnisse erreicht, aber viel bewegt. Im ganzen Land wird auf | |
einmal über Politik geredet, so der Tenor. „Gut, dass ihr wisst, dass wir | |
aufgewacht sind“, stand am Sonntag auf einem der vielen Pappschilder. Es | |
richtet sich an alle Politiker. Die rätseln nach wie vor darüber, wie sie | |
mit dieser Bewegung umgehen sollen. | |
1 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Andreas Behn | |
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