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# taz.de -- Peer Steinbrück und Ostdeutschland: Strategisch zugewandt
> Die SPD steht in der Gunst der Wähler gerade nicht besonders gut da.
> Deshalb sucht Kanzlerkandidat Peer Steinbrück den Zuspruch der
> Ostdeutschen.
Bild: Mensch, diese Ostdeutschen! Was ein nettes Völkchen. – Peer Steinbrüc…
Peer Steinbrück braucht jetzt wirklich jede Stimme. Bei besorgniserregenden
25 Prozent lag seine SPD in der letzten Emnid-Umfrage, da kann es nichts
schaden, mal bei der armen Verwandtschaft in den „neuen Ländern“
anzuklopfen und gut Wetter zu machen. Auf dass die Ossis diesmal der SPD
ihre Stimme geben mögen. Wie stellt er das an, der Spitzenkandidat?
In einem bemerkenswerten Interview mit der Internetausgabe der Zeit charmt
sich Peer Steinbrück an den Osten ran. Mithin an die Wähler der dort nach
wie vor starken Linkspartei. Die hat – beispielsweise – in Sachsen bei der
letzten Landtagswahl 29 Prozent geholt, während die Sozialdemokraten dort
mit 14 Prozent denselben Wert wie die FDP einfuhren. Derlei macht
nachdenklich. Könnte es vielleicht sein, dass östlich der Elbe Leute links
wählen, ihr Kreuzchen aber gewohnheitsmäßig bei der Linkspartei machen?
Wie könnte man die dazu bringen, diesmal für die Sozis zu stimmen? Richtig,
indem man ihnen Respekt zollt und ein bisschen verschwiemelt andeutet, dass
in der Wahrnehmung der SPD des 21. Jahrhunderts nicht jeder ein
geschichtsloser Scherge ist, der mal in der SED war oder heute die
Linkspartei wählt.
Peer Steinbrück formuliert das in dem Zeit-Online-Interview folgendermaßen:
„Mir ist erst spät klar geworden, dass wir alle nach 1989 wahrscheinlich
sehr viel mehr Verständnis hätten aufbringen müssen. Zum Beispiel dafür,
dass Leute Mitglieder der SED geworden sind: Das geschah oft mit einer
gewissen Selbstverständlichkeit, und zwar derselben, mit der man in Bayern
in die CSU eintrat oder im Ruhrgebiet in die SPD.“ Nach der Wende die
SED-Mitglieder komplett zurückzuweisen, sei ein Fehler gewesen, der
erkläre, warum die Sozialdemokratie noch heute relativ schwach ist „in den
neuen Ländern.“
## Begeisterung und Lob für den Osten
Gut und schön, das mit den „neuen Ländern“ sollte Peer Steinbrück noch m…
bedenken. So richtig neu sind die ja nun wirklich nicht mehr. Aber sein
Brückenschlag-Interview zeichnet sich durch eine erstaunliche – wenn auch
strategische – Zugewandtheit aus. Steinbrück war Anfang der Achtziger
Mitarbeiter der Ständigen Vertretung in Ostberlin. Begeistert erzählt er,
wie er die Stadt erkundet hat – in einem „alten VW Golf“, der gleich
zweimal durch das Interview klappert. Er schildert, wie die Stasi ihm auf
den Fersen war, und geriert sich nicht als Opfer. Das waren weiß Gott
andere.
Er lobt das DDR-Erbe der berufstätigen Mütter sowie „die bessere
Kinderbetreuung“ und wartet schließlich mit der eigenen Familiengeschichte
auf. Die Familie seiner Frau Gertrud stammt aus Sachsen-Anhalt, und auch
Steinbrück hat Ostverwandtschaft. Mit seiner Cousine, erzählt er, sei er
mal in Lubmin bei einer Jugendweihe gewesen, „bei klirrender Kälte. Aber es
gab viel Alkohol. Der hat von innen gewärmt.“ Die ganze Veranstaltung habe
er verstanden „als eine Art Initiationsritus, verbunden mit einem
Besäufnis“, eine „neue, durchaus faszinierende Erfahrung“. Insgesamt, so
scheint es, hat Peer Steinbrück die Ossis als trinkfreudige Arbeitsbienen
erlebt, deren Vergangenheit und Gegenwart er sich „sehr nahe fühlt“.
## Die etwas andere Charmeoffensive
Eigentlich war Steinbrücks Charmeoffensive anders geplant. Im Februar
hatten die Strategen im Willy-Brandt-Haus angekündigt, der Spitzenkandidat
werde sich schon bald mit Grundsatzreden zu Wort melden. Die Themen: Außen-
und Sicherheitspolitik, Migration sowie die deutsche Einheit. Die
außenpolitische Rede hat Steinbrück am 4. Juni an der FU Berlin gehalten.
Für die Einheitsrede war der Zeitraum um den 17. Juni herum avisiert, den
60. Jahrestag des Berliner Arbeiteraufstandes. Als es dann aber so weit
war, hatte er anderes zu tun.
Beim SPD-Konvent am Wochenende hatte es mal wieder dermaßen im Karton
gerappelt, dass der Spitzenkandidat und sein Parteivorsitzender damit
befasst waren, die innerparteilichen Wogen zu glätten. Da blieb keine Zeit,
ostdeutsche Seelen zu streicheln. Aber jetzt ist es vollbracht.
5 Jul 2013
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
Zeit Online
Peer Steinbrück
Schwerpunkt Ostdeutschland
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Sachsen-Anhalt
Steinbrück
SPD
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Gertrud Steinbrück
Gertrud Steinbrück
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