# taz.de -- Schanzenfest steht vor Absage: Krawall-Kulisse Rote Flora | |
> Nach der Messerstich-Attacke im vergangenen Jahr findet das Schanzenfest | |
> 2013 wohl nicht statt: Die Organisatoren wollen offenbar nicht mehr. | |
Bild: Das letzte seiner Art? So sah das Schanzenfest im Jahr 2012 aus. | |
HAMBURG taz | Dieses Jahr wird es wohl kein Schanzenfest geben und damit | |
wäre nach 24 Jahren eine Tradition beendet. Die Organisatoren des Festes | |
ziehen nach langer Diskussion wohl die Konsequenzen aus den Ereignissen im | |
vergangenen Jahr. Unbekannte hatten bei den „traditionellen Krawallen“ | |
einen Baum unter dem Vordach der Roten Flora angezündet und zwei | |
Rote-Flora-Aktivisten mit Messern niedergestochen, als diese das Feuer | |
löschen wollten. Offiziell wollen die Organisatoren noch kein Statement | |
abgeben. | |
Im Transmitter, dem Programm-Magazin des Freien Sender Kombinats, hat sich | |
jetzt aber der Rote-Flora-Aktivist Andreas Blechschmidt, der in den 1990er | |
Jahren Mitorganisator des Festes war, zu Wort gemeldet. Er analysiert, wie | |
es dazu kommen konnte, dass das einst friedliche Straßenfest zu einem | |
Anziehungspunkt für Krawall-Macher geworden ist. Und ein solcher | |
Anziehungspunkt wollen die Organisatoren nicht sein. | |
Blechschmidt gibt dem früheren Innensenator Ronald Schill, (Schill-Partei) | |
die Schuld. Denn es war Schill, der das 13 Jahre währende Gentlemen's | |
Agreement zwischen Festorganisatoren und den Behörden aufgekündigte, als er | |
2003 Polizeitruppen mit Wasserwerfern in das ritualisierte Lagerfeuer zum | |
Ausklang des Festes auf das Schulterblatt schickte. In den Folgejahren | |
wurde dann die starke Polizeipräsenz zur Norm. | |
Der symbolische Ort Rote Flora, der eigentlich für politische Inhalte | |
stehe, sei zur Kulisse und „zur Bühne eines sich an sich selbst | |
berauschenden Krawalls“ geworden, sagt Blechschmidt. „Schlimmer noch, die | |
Flora dient nur als Plattform für diejenigen, die mal richtig loslegen | |
wollen.“ 2006 mischten sogar Polizisten, die gar nicht im Dienst waren, mit | |
und bewarfen ihre Kollegen mit Flaschen. | |
## „Eindimensionaler Militanzdiskurs“ | |
In der linken Szene sei damals der Diskurs „einfach gestrickt gewesen“, | |
sagt Blechschmidt. Die Mehrheitsmeinung ging so: Die Polizei habe mit ihrer | |
Eskalationsstrategie seit 2003 die Auseinandersetzungen selbst initiiert. | |
Und in der Folge verfestigte sich ein „eindimensionaler Militanzdiskurs, | |
dessen problematischer Aspekt schon seit langen zu beobachten war“, so | |
Blechschmidt. | |
Einige Schanzenfest-Besucher, die sonst stigmatisierenden Kontrollen und | |
institutionalisierten Rassismus ausgesetzt waren, nutzten die Krawalle am | |
Abend, um „offene Rechnungen zu begleichen“. Andere wollten | |
„männerdominierte Inszenierungen“ demonstrieren, die im Widerspruch zu | |
Politikansatz stehe, der sich als „emanzipatorisch, befreiend und | |
anti-hierarchisch begreift“, sagt Blechschmidt. | |
Und im Laufe der Jahre schienen die Aktionen ausschließlich das Ziel zu | |
haben, „die zuletzt gesuchten Konfrontationen mit der Polizei zu | |
rechtfertigen“, sagt Blechschmidt. „Damit werden brennende Mülltonnen und | |
Sofas ebenso zum leeren Ritual wie die Entglasung der Hamburger Sparkasse, | |
während die hundert Meter entfernte Deutsche Bank zumeist unangetastet | |
bleibt“, sagt er. | |
Immerhin habe sich laut Blechschmidt nun bei die Einsicht durchgesetzt, | |
dass diese Strategie der Diskussionsverhinderung seit den Messerstichen im | |
vergangenen Jahres inakzeptabel sei. Nun müsse seiner Auffassung in der | |
innerlinken Debatte die Frage sein, ob soziale Revolte und Widerstand nur | |
an einem vergleichsweise willkürlichen Tag des Schanzenfest stattzufinden | |
habe – oder ob nicht 364 andere Tage im Jahr dafür ausreichend Gelegenheit | |
geben. | |
5 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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