| # taz.de -- Politische Krise in Ägypten: Rätselraten um ElBaradei | |
| > Mohammed ElBaradei sollte am Samstagabend als Übergangsregierungschef von | |
| > Ägypten vereidigt werden. Doch daraus wurde erstmal nichts. | |
| Bild: Hoffnungsträger? Mohamed ElBaradei im April 2013 | |
| KAIRO dpa | Ägypten sucht nach dem Sturz des islamistischen Präsidenten | |
| Mohammed Mursi weiter einen Chef für die Übergangsregierung. Die Ernennung | |
| von Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei zum Ministerpräsidenten | |
| wurde Stunden später von einem Präsidentensprecher dementiert. | |
| Offensichtlich gab es erheblichen Widerstand gegen ElBaradei. | |
| Der Sprecher von Übergangspräsident Adli Mansur betonte, es liefen | |
| Verhandlungen über die Besetzung des Postens. ElBaradei führe weiter | |
| Gespräche mit Mansur. Es gebe aber auch andere Kandidaten. | |
| In Ägypten gingen unterdessen die Demonstrationen weiter. Nach TV-Berichten | |
| versammelten sich erneut Anhänger und Gegner Mursis in Kairo. Auch für den | |
| heutigen Sonntag sind wieder Versammlungen beider Lager geplant, schrieb | |
| die Zeitung Al-Ahram online. | |
| Bei Ausschreitungen nach Massenprotesten gegen Mursis Absetzung waren am | |
| Freitag und in der Nacht zum Samstag nach Angaben des staatlichen | |
| Ambulanzdienstes mindestens 36 Menschen ums Leben gekommen, davon 16 durch | |
| Schüsse. Mehr als 1.100 weitere hatten Verletzungen erlitten. | |
| ## „Wir werden für ihn unsere Seelen opfern“ | |
| Der offene Machtkampf zwischen den neuen Machthabern und den islamistischen | |
| Unterstützern Mursis war am Vortag eskaliert. Der von den Religiösen | |
| ausgerufene „Freitag der Ablehnung“ gipfelte in landesweiten | |
| Massendemonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmern. | |
| Der Protesttag gegen den Militärputsch hatte ein chaotisches Nachspiel: In | |
| der Nähe des zentralen Tahrir-Platzes in Kairo prallten in den Abendstunden | |
| Mursis Anhänger und Gegner aufeinander, um sich heftige Straßenschlachten | |
| zu liefern. Sie bewarfen sich mit Pflastersteinen und gingen mit Stöcken, | |
| Brandsätzen und Feuerwerkskörpern aufeinander los. Die Sicherheitsleute | |
| griffen nicht ein. Zu Zusammenstößen kam es auch in Alexandria, Suez und in | |
| Al-Arisch auf dem Sinai. | |
| Im Norden des Sinai entglitt den Behörden die Kontrolle: Hunderte | |
| Islamisten stürmten in der Nacht zum Samstag den Sitz des Gouverneurs in | |
| Al-Arisch. Dutzende von ihnen hielten das Gebäude auch am Tag danach noch | |
| besetzt. Bewaffnete Extremisten erschossen in der Stadt einen | |
| koptisch-orthodoxen Priester. In der Nähe der oberägyptischen Stadt Luxor | |
| starben bei religiös motivierten Zusammenstößen vier Christen und ein | |
| Muslim. | |
| Die Muslimbrüder, aus deren Reihen Mursi stammt, riefen die Menge am | |
| Freitagabend bei ihrer Hauptkundgebung in Kairo auf, so lange auf der | |
| Straße zu bleiben, bis dieser wieder an der Macht sei. „Wir werden ihn | |
| (Mursi) auf unseren Schultern tragend (ins Amt) zurückbringen“, rief ihr | |
| Führer Mohammed Badia Zehntausenden zu. „Wir werden für ihn unsere Seelen | |
| opfern.“ | |
| ## Westerwelle gegen Gewalt | |
| Sowohl Mansur wie auch ElBaradei hatten in den letzten Tagen mehrfach | |
| betont, die Islamisten an der Regierung beteiligen zu wollen. Dies | |
| schlossen die religiösen Kräfte jedoch kategorisch aus. Mursi selbst | |
| bezeichnete seine Entmachtung als „klaren Militärputsch“. | |
| US-Präsident Barack Obama verurteilte die andauernde Gewalt in Ägypten und | |
| zeigte sich besorgt über die politische Polarisierung im Land. Wie das | |
| Weiße Haus am Samstag mitteilte, analysierte Obama in einer | |
| Telefonkonferenz mit dem Nationalen Sicherheitsrat die Lage in Ägypten. Der | |
| Präsident unterstrich erneut, dass die USA nicht mit einer bestimmten | |
| politischen Partei oder Gruppe in Ägypten verbunden seien oder sie | |
| unterstützten. Der künftige Weg des Landes könne nur von den Ägyptern | |
| selbst bestimmt werden. | |
| UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief indes die ägyptischen Sicherheitsleute | |
| auf, die Demonstranten zu schützen. Polizei und Militär müssten alle | |
| gewaltsamen Zusammenstöße vermeiden, erklärte Ban am Samstag in New York. | |
| Zugleich rief er das ägyptische Volk auf, „sein Recht auf Demonstrationen | |
| ausschließlich friedlich auszuüben“. | |
| Bundespräsident Joachim Gauck forderte, zu einer Regierung zurückzukehren, | |
| die demokratischen Standards entspreche. Am Rande seines Besuchs in | |
| Finnland äußerte er zugleich Verständnis dafür, dass „in einer Situation, | |
| in der ein Bürgerkrieg droht, außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen werden�… | |
| Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) rief zu einem Ende der Gewalt | |
| in Ägypten auf. Westerwelle sagte Bild am Sonntag: „Ich appelliere an alle | |
| Verantwortlichen, in dieser angespannten Lage nicht auf Gewalt zu setzen. | |
| Jetzt müssen zügig Schritte der Rückkehr zum demokratischen | |
| Transformationsprozess eingeleitet werden.“ Die Menschen hätten sich mit | |
| ihrer Revolution das Demonstrationsrecht, die Meinungsfreiheit und den | |
| Schutz vor staatlicher Willkür und politischer Verfolgung erkämpft. Das | |
| dürfe jetzt nicht preisgegeben werden. | |
| 6 Jul 2013 | |
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