# taz.de -- Autonomiebestrebungen in Somalia: Kein Jubel für Jubaland | |
> In Somalias neuestem Teilstaat hat ein Gegner der Zentralregierung den | |
> Machtkampf um den Hafen Kismayo gewonnen. Und der bringt wertvolle | |
> Einnahmen. | |
Bild: Auf ins letzte Geflecht: Ras-Kamboni-Milizionär beim Friseur in Kismayo. | |
MOGADISCHU taz | Der neueste Machtkampf in Somalia scheint vorerst | |
entschieden, ein neuer starker Mann meldet sich auf der politischen Bühne | |
des zerrissenen Landes. Sheikh Ahmed Madobe, „Präsident“ der autonomen | |
Region Jubaland im äußersten Süden Somalias, errang letzte Woche die | |
Kontrolle über die lukrative Hafenstadt Kismayo bei Kämpfen mit Dutzenden | |
Toten. Am Wochenende reiste er zu Besuch nach Puntland, eine andere | |
autonome Region im Nordosten des Landes. | |
Die schwache, aber international unterstützte Zentralregierung in | |
Mogadischu fühlt sich in die Zange genommen und wirft den in Südsomalia | |
stationierten Eingreiftruppen aus Kenia vor, unter dem Deckmantel des | |
Kampfs gegen Islamisten die Entstehung eines Satellitenstaates Jubaland zu | |
begünstigen. | |
Der Konflikt um Kismayo habe das Potenzial, die relative Stabilität zu | |
zerstören, zu der Somalia nach mehr als zwanzig Jahren als „failed state“ | |
allmählich zu finden schien, meint Cedric Barnes von der International | |
Crisis Group (ICG). Der Streit um Jubaland hat mindestens drei Ebenen. Es | |
handelt sich erstens um einen Machtkampf zwischen Clans. Zweitens gibt es | |
eine nationale und drittens eine internationale Dimension. | |
## Rivalisierende Clanälteste | |
Seit Mitte Mai beanspruchen mehrere Personen die Führung Jubalands für | |
sich. Einige traditionelle Älteste erklärten am 15. Mai den Führer der | |
südsomalischen Miliz Ras Kamboni, Ahmed Mohamed Islam, besser bekannt als | |
Madobe, zum Präsidenten. Der Schritt provozierte mehrere Milizführer dazu, | |
sich ihrerseits zum Präsidenten zu erklären, allen voran Iftin Hassan Basto | |
und Barre Hirale. Basto und Madobe erklären beide, die Ältesten von Kismayo | |
seien auf ihrer Seite, wobei es in Kismayo etliche Clans und Subclans mit | |
unterschiedlichen Ältesten gibt. | |
Der erbitterte Kampf um die Kontrolle über Jubaland erklärt sich nicht | |
zuletzt durch die Einnahmen, die der Hafen von Kismayo einbringt. | |
Einträglich ist vor allem der Handel mit Holzkohle für die Golfstaaten, | |
durch den sich nach UN-Recherchen schon die islamistische Shabaab-Miliz zu | |
einem erheblichen Teil finanzierte. | |
Die Hafenstadt war Hochburg der zu al-Qaida gehörenden Shabaab, bis diese | |
im September 2012 von kenianischen Truppen vertrieben wurde. Vorher | |
verdiente sie laut UNO 180 Millionen Dollar jährlich mit der Ausfuhr von | |
Holzkohle. | |
Die zweite, nationale Dimension bekommt der Konflikt, weil er die Frage | |
nach der Machtverteilung zwischen dem Zentrum und den Regionen aufwirft. | |
Die Zentralregierung des 2012 angetretenen neuen Präsidenten Hassan Sheikh | |
Mohamud in Mogadischu erkennt keinen der rivalisierenden Präsidenten | |
Jubalands an. | |
Das verärgert nun die halbautonome Republik Puntland im Nordosten des | |
Landes: Ihr Präsident Abdirahaman Mohamed Farole wirft Somalias Präsident | |
vor, sich nicht an die Verfassung zu halten. Farole warnte vor einem neuen | |
Konflikt für den Fall, dass die Regierung in Mogadischu den Aufbau von | |
Teilstaaten nicht fördere, wie in der Verfassung vereinbart. | |
## Das Doppelspiel Kenias | |
Diese vermeintlich klare Vereinbarung gebe es in der Verfassung aber gar | |
nicht, sagt Barnes von ICG. Das Grundlagenwerk sei sowieso vorläufig und | |
lasse viel Spielraum für Interpretation. „Einige Fragen wurden bei der | |
Bildung der somalischen Regierung nicht eindeutig geklärt. Das rächt sich | |
jetzt.“ | |
Drittens gibt es einen internationalen Aspekt: Somalias Nachbarland Kenia | |
verfolgt das Ziel, in Jubaland eine „freundliche“ Regierung einzusetzen. | |
Dabei geht es womöglich nicht nur um den Wunsch, das erneute Erstarken der | |
Shabaab-Miliz entlang der Grenze zu verhindern. Der eigentlich illegale | |
Export von Holzkohle aus Kismayo geht weiter, und unbestätigten Berichten | |
zufolge verdienen jetzt die kenianischen Truppen daran mit. | |
9 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Bettina Rühl | |
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