# taz.de -- Politische Konflikte in Libyen: Machtkampf mit Auftragsmorden | |
> Ähnlich wie in Ägypten tobt auch im Nachbarland ein Konflikt zwischen | |
> zwei Weltanschauungen: Liberale gegen religiöse Gruppen. | |
Bild: Protest gegen Militärpräsenz auf einem Platz in Tripoli. | |
TRIPOLIS taz | Gebannt schauen die Libyer auf den Ausgang des Machtkampfes | |
bei ihrem östlichen Nachbarn. Das Schicksal beider Länder ist nicht nur | |
durch das Heer von ägyptischen Arbeitskräften in Libyens Haushalten und | |
Baustellen eng miteinander verknüpft. | |
Aus Angst vor Verfolgung flohen bis zu 200.000 Gaddafi-Getreue seit Beginn | |
der libyschen Revolution nach Ägypten. Jetzt befürchten viele Libyer, dass | |
die Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi ihr Land als | |
künftige Basis für den Kampf gegen die Armee nutzen wollen, auch wenn es | |
dafür bislang keine Anzeichen gibt. | |
Im Internet hat sich inzwischen eine libysche Tamarod-Bewegung zu Wort | |
gemeldet, die den Machtkampf zwischen Liberalen und Islamisten für die | |
politische Lähmung verantwortlich macht. Tamarod (Rebellion) nennt sich die | |
Initiative in Ägypten, die Unterschriften gegen Mursi gesammelt und für den | |
30. Juni zu der großen Demonstration in Kairo aufgerufen hatte. | |
In der an Ägypten grenzenden Provinz Cyreneika, in der Bengasi liegt, tobt | |
seit Langem ein Konflikt zweier Weltanschauungen: Das liberale Bürgertum | |
der Städte wehrt sich gegen religiöse Gruppierungen, die das Zusammenleben | |
mit der Scharia regeln wollen. „Dafür haben die politische Imame und | |
Parteien mit Milizen wie Ansar al-Scharia Koalitionen gebildet und so de | |
facto die Macht übernommen“, klagt Aktivist Taufwik Mansourey. | |
## Religiöse Fraktionen | |
Bei den Wahlen hatten sich die Libyer für die konservativ-gemäßigte Allianz | |
von Mahmud Dschibril entschieden, der von seinen Gegnern als „Liberaler“ | |
diffamiert wird. „Ich bin nicht liberal. Aber wir sind alle sunnitische | |
Muslime in Libyen und die Mehrheit will die Religion aus der Politik | |
heraushalten. Wer das nicht versteht, wird scheitern“, sagte Dschibril im | |
vergangenen Jahr das Schicksal der ägyptischen Muslimbrüder voraus. | |
Die religiösen Fraktionen in Libyen versuchen seit mehreren Monaten, mit | |
militärischer Stärke die Positionen zu ergattern, die ihnen das Volk an der | |
Wahlurne vorenthielt. Die Muslimbrüder von der Aufbau- und | |
Gerechtigkeitspartei erhielten trotz millionenschwerer Wahlkampfhilfe aus | |
Katar nur wenige Sitze im Parlament. | |
Mit Drohungen gegen die Abgeordnete und der Besetzung zweier Ministerien | |
erzwang eine Allianz aus Milizionären die Verabschiedung des sogenannten | |
Isolationsgesetzes. Damit sind seit dem 6. Juni alle aus dem politischen | |
Leben verbannt, die seit Muammar al-Gaddafis Machtübernahme 1969 eine | |
höhere Position innehatte. Seitdem erscheinen die Abgeordneten der Allianz | |
von Dschibril aus Protest nicht mehr zu den Sitzungen des Parlaments. | |
Professor Abdulmagid Mansour ist einer von denen, die einen | |
Entlassungsbrief erhalten haben. „Ich habe an der Universität im | |
Staatsdienst gearbeitet, nicht für das Regime“, beteuert er. „Es ist | |
zurzeit sehr leicht, sich über Kontakte als ehemaliger Revolutionär | |
auszugeben und sich von irgendeiner staatlich unterstützten Miliz bezahlen | |
zu lassen. Liberale wie ich sind den Vertretern des politischen Islam ein | |
Dorn im Auge.“ | |
## Sufi-Imame werden durch Salafisten ersetzt | |
Mansour weist darauf hin, dass liberale Sufi-Imame in Tripolis aus den | |
Moscheen vertrieben und durch Salafisten ersetzt werden. „Mit dem | |
Isolationsgesetz versucht man Vergangenheitsbewältigung mit dem Rasenmäher. | |
Ohne die ausgebildeten Beamten aus dem alten System kann man aber keinen | |
modernen Staat aufbauen“, fügt er hinzu. Gegen den stillen Vormarsch | |
religiöser Gruppen wie den Muslimbrüdern wehren sich politische Aktivisten | |
und Teile der Armee, die von Gaddafi bewusst kleingehalten wurde. In | |
Bengasi wird der Machtkampf inzwischen mit Auftragsmorden, Autobomben und | |
der Erstürmung von Kasernen ausgetragen. | |
„Libyen ist zurzeit nur ein loser Verbund von Städten, ohne Staatsmacht. | |
Gruppen wie die ägyptischen Muslimbrüder möchten, das dies möglichst lange | |
so bleibt“, sagt ein Demonstrant auf dem Algerien-Platz in Tripolis, wo | |
jetzt täglich gegen die Milizen demonstriert wird. | |
14 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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