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# taz.de -- Ultras in Cottbus: Infernalisches Treiben
> Das Beispiel einer rechten Ultra-Fangruppierung aus Cottbus zeigt, wie
> der Sport gezielt unterwandert wird. Und die Grenzen von Sanktionen.
Bild: Inferno Cottbus 2010 zu Gast in Augsburg
Kürzlich sind die „mondiali antirazzisti“, die antirassistischen
Weltmeisterschaften der Fußballfans, im norditalienischen Castelfranco zu
Ende gegangen. Fünf Tage lang spielten dort über 200 meist europäische
Fangruppen ein Turnier aus, feierten zusammen und erläuterten Strategien
gegen Nazi-Fangruppen, die unter anderem in Osteuropa und Italien die
Fankurven dominieren.
Traditionell sind viele Ultras aus Deutschland bei den „mondiali“, allein
18 Teams, darunter Abordnungen aus Duisburg, Dresden, München oder
Schwerin, kamen aus deutschen Städten.
Einige deutsche Ultragruppen bezeichnen sich als „links“, die übergroße
Mehrheit verweigert eine politische Positionierung, grenzt sich aber
deutlich von Nazis ab, die sie nicht in ihre Gruppen aufnehmen. Nur wenige
Gruppen sind rechts. Eine davon hat sich zeitgleich mit den „mondiali“ in
Erinnerung gerufen.
Nur wenige Tage nachdem Zweitligist Energie Cottbus seiner von Neonazis
durchsetzten Ultragruppe „Inferno Cottbus“ wegen eines neuerlichen
antisemitischen Vorfalls die Existenzgrundlage im heimischen „Stadion der
Freundschaft“ entzogen hatte, saßen Mitglieder der Gruppe in einem Reisebus
Richtung Tirol, wo ihre Lieblingsmannschaft ihr Trainingslager abhielt.
Dort sorgten sie bereits vor ihrer Ankunft für helle Aufregung. Das für den
6. Juli geplante Testspiel der Cottbusser sagte die alarmierte Tiroler
Polizei jedenfalls kurzerhand ab. Antisemitische Fans kann man nun wirklich
nicht brauchen, wenn der Gegner Maccabi Tel Aviv heißt.
So dachte zumindest die Polizei, die allerdings vielleicht besser daran
getan hätte, den 40 Businsassen deutlich die Gesetzeslage in der
Alpenrepublik zu erklären. Die Nazis dürften sich jedenfalls ordentlich
darüber gefreut haben, dass allein die Nachricht von ihrem Kommen
ausreichte, um die Agenda in ihrem Sinne zu gestalten.
Das Cottbusser Beispiel zeigt damit auch die Grenzen von Sanktionen wie
Stadionverboten auf: Es setzt ein klares, im Falle von „Inferno“, ein
überfälliges Signal. Aber es hindert Ideologen nicht daran, sich zu
produzieren. Notfalls in Tirol, 700 Kilometer von Cottbus entfernt.
## Keltenkreuze, SS-Runen, Sensenmann
Die Gesinnung der Leute aus dem harten Kern von „Inferno“ ist dabei seit
deren Gründung 1999 bekannt. Die Zaunfahnen, die in der Ultraszene als
„Visitenkarte“ einer Gruppe gelten, zeigten mal Keltenkreuze, mal SS-Runen,
mal den gleichen Sensenmann, den auch die mittlerweile verbotene
Neonazi-Kameradschaft „Widerstand Südbrandenburg“ verwendete. 2012, beim
Auswärtsspiel auf St. Pauli, ließen sie aus dem aus einzeln emporgereckten
Buchstaben bestehenden Spruch „Ein Sieg heilt alle Wunden“ ein „Sieg heil…
entstehen.
Bereits „Inferno“-Gründer Markus W., ein Kickbox-Champion, war und ist ein
Nazikader. Vor dem Mann, der bis zu einem Stadionverbot Anfang 2013
Vorsänger der Gruppe war, warnte bereits der Brandenburger
Verfassungsschutz. Er gehöre der Führungsebene der örtlichen
Nazikameradschaft an. Der Cottbusser Fall ist sicher ein besonders krasses
Beispiel für eine von Nazis geführte Gruppe, doch auch in einigen anderen
Gruppen, wie Lok Leipzig oder in geringerem Maße bei Alemannia Aachen, sind
Teile der Fan- und Ultraszene mit langjährigen Nazikadern durchsetzt.
Susanne Kschenka, Mitarbeiterin des „Brandenburger Instituts für
Gemeinwesenberatung“ in Cottbus, weiß, wie es solche „Chefs“ in der
Fanszene schaffen, sich eine Gefolgschaft aufzubauen: „Wenn jemand lange in
der rechten Szene unterwegs war und gleichzeitig in der Fangruppe eines
Fußballvereins, schluckt das Fußballumfeld auch dessen Ideologie viel
leichter.“ Eine Frage der Glaubwürdigkeit also.
Während ein NPD-Kader, der vor Wahlen Flugblätter verteilt, eine Abfuhr
riskiert – Ultras lassen sich nicht gern instrumentalisieren –, gelingt die
schleichende Indoktrination vergleichsweise spielend, wenn die Agitatoren
seit langem fester Bestandteil der Fanszene sind. Und das nicht nur in
Cottbus.
15 Jul 2013
## AUTOREN
Christoph Ruf
## TAGS
Fußball-Bundesliga
Rechtsextremismus
Ultras
Deutscher Fußballbund (DFB)
Fußball
2. Bundesliga
Ultras
Gera
Schwerpunkt Rassismus
Rechtsrock
Fans
Ultras
Borussia Dortmund
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