# taz.de -- Dresdner Fanprojekt: Dynamos Dämonen | |
> Das Fanprojekt versucht, eine sachliche Debatte über Fan- und | |
> Polizeigewalt zu führen. Dabei gerät es selbst in den Fokus von | |
> Verdächtigungen. | |
Bild: Arminia Bielefeld gegen Dynamo Dresden: Polizei statt Fans auf den Rängen | |
Aufgeregt wird derzeit immer wieder über Dynamo Dresden und seine Fans | |
berichtet. Über die Vorfälle beim Spiel in Bielefeld am 6. Dezember etwa, | |
von „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ war die Rede und von „einer neuen | |
Dimension der Gewalt“. Die Dämonisierung wurde zum munteren Medienspiel. So | |
ziemlich alle waren sich einig, dass Dynamo Dresden und sein Anhang, die | |
Parias des deutschen Fußballs, ihrem Ruf als Krawallos wieder einmal alle | |
Ehre gemacht haben. Jetzt hat das Fanprojekt Dresden eine eigene Auswertung | |
der Geschehnisse veröffentlicht und entkräftet zahlreiche Vorwürfe. | |
Der Bericht des Fanprojekts umfasst acht Seiten. Regelmäßig wertet der | |
eingetragene und sozialpädagogisch arbeitende Verein die Auswärtsspiele von | |
Dynamo Dresden aus. Die Fans können ihre Eindrücke und Erlebnisberichte in | |
die Beurteilungen miteinfließen lassen. Entsprechend kritisch sind einige | |
Befunde des Berichts. „Es soll nichts schöngeredet werden“, betont | |
Fanprojektleiter Torsten Rudolph, „allerdings sind wir darum bemüht, aus | |
der Debatte die Emotionalität herauszunehmen und sie wieder auf eine | |
sachliche Ebene zu führen.“ | |
Auseinandersetzungen habe es in Bielefeld gegeben, aber Aussagen der | |
Bundespolizei werden zurückgewiesen, wonach 250 Fans versucht hätten, eine | |
Polizeikette zu durchbrechen. Vielmehr sei es nach Einschätzung des | |
Fanprojekts zu einem „kommunikativen Missverständnis“ vonseiten der | |
Einsatzleitung gekommen. | |
Deswegen seien die Fans am Bahnhof in eine falsche, von der Polizei nicht | |
vorhergesehene Richtung gelaufen. „Die Einsatzkräfte der Bundespolizei im | |
Bereich der Bahnhofshalle wirkten entsprechend überrascht, (…) In der Folge | |
gab es in der Bahnhofshalle (…) eine erhebliche Auseinandersetzung zwischen | |
der überraschten Bundespolizei und dieser ersten Gruppe an Fans“, heißt es. | |
Und weiter: „An dieser Stelle ging die Gewalt von Teilen der Bundespolizei | |
aus.“ | |
## Ein Fan stürzte ins Gleisbett | |
Bei einer weiteren Auseinandersetzung auf dem Bahnsteig wurden mindestens | |
15 Fans durch Pfeffersprayeinsatz der Polizei verletzt. Ein Fan stürzte ins | |
Gleisbett und wurde dabei schwer verletzt. Der Bericht nennt weitere | |
Vorfälle, in denen Beamte willentlich Fans beleidigt und mit körperlicher | |
Gewalt attackiert haben, obwohl es dazu keinen Anlass gegeben haben soll. | |
Mitunter sei Fans ärztliche Hilfe verweigert worden. Nach Zählung des | |
Fanprojekts wurden über 30 Fans vor allem durch Reizgas- und | |
Schlagstockeinsatz von der Polizei verletzt. | |
Falsch seien Berichte über die Plünderung eines Supermarkts gewesen, auch | |
habe es keinen gemeinschaftlichen Überfall auf ein Kino gegeben. Dort wurde | |
wohl nur von einem einzelnen Fan ein Feuerlöscher geklaut. Liest man die | |
acht Seiten, ergibt sich ein viel differenzierteres Bild als jenes, das | |
direkt nach dem Spiel gezeichnet wurde. | |
Jüngste Vorfälle bestätigen, dass auch die Bielefelder Polizei zuweilen | |
überhart agiert. Nach der Partie Bielefeld gegen Greuther Fürth am letzten | |
Wochenende sahen sich Fürther Fans einem mehr als fünf Stunden dauernden | |
Repressionsmarathon ausgesetzt, weil sie ihren Müll nicht korrekt entsorgt | |
haben sollen. Das Groteske daran: Im betroffenen Bereich gab es überhaupt | |
keine Mülleimer. | |
Vor allem ist der Bericht aber ein Zeugnis für tendenziöse, mediale | |
Berichterstattung und dadurch geschürte Hysterie. Besonders das | |
WDR-Lokalstudio Ostwestfalen-Lippe hat sich da hervorgetan. Die Intention | |
scheint offensichtlich: Skandalisierung geht vor Recherche. | |
## Zunächst Zutritt verwehrt | |
Fanprojektleiter Rudolph wird nicht müde, zu betonen, dass rund um Dynamos | |
Spiele „eine spürbare Verbesserung stattgefunden hat“. Viele Medien sehen | |
das anders. Die einseitige Berichterstattung bleibt nicht ohne Folgen. Die | |
Behauptung eines Bundespolizisten, das Fanprojekt Dresden habe | |
Feuerwerkskörper nach Bielefeld und ins dortige Stadion geschmuggelt, wurde | |
ungeprüft für eine Tatsache gehalten. | |
Wie zu erfahren ist, wollten die örtlichen Behörden dem Fanprojekt zunächst | |
den Zutritt zum Stadion beim folgenden Auswärtsspiel in Köln verwehren. Ein | |
heikles Vorhaben, treten die Fanprojekte doch als Vermittler zwischen den | |
Parteien auf. Sie sind eine feste Säule des „Nationalen Konzepts Sport und | |
Sicherheit“. | |
Allein die Intervention des DFB-Sicherheitsbeauftragten Hendrik | |
Große-Lefert verhinderte die Aussperrung des Fanprojekts. Dennoch kam es in | |
Köln zu einer Personalienfeststellung. Ein Auto wurde durchsucht. Taschen | |
der Fanprojekt-Mitarbeiter durchwühlte man. Gefunden wurde dabei nichts, | |
aber das Misstrauen zwischen den Parteien wächst weiter. | |
20 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Gerald Mander | |
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