# taz.de -- Überwachungsstaat Neuseeland: Stasi, Kim und Eruptionen | |
> In Neuseeland sollen die Befugnisse des Geheimdienstes ausgeweitet | |
> werden. Auslöser des umstrittenen Plans ist der deutsche | |
> Internetunternehmer Kim Dotcom. | |
Bild: Von wegen deutsches Urlaubsparadies. Es brodelt in Neuseeland. | |
WELLINGTON/BANGKOK dpa | Als hätte „Big Brother“ sich zwei gigantische | |
Golfbälle zum Spielen bereitgelegt - so sieht Neuseelands Abhörstation im | |
Waihopai-Tal auf der Nordinsel aus. Hier fließen riesige Datenströme durch: | |
SMS, Emails, Handy-Nummern. Zur Terrorabwehr diene das, sagt | |
Premierminister John Key. Er will die Befugnisse des Geheimdienstes GSCB | |
ausweiten: Auch Neuseeländer und Ausländer mit Bleiberecht sollen anders | |
als bisher überwacht werden dürfen. [1][Das Gesetz hat schon die Hürde] der | |
zweite Lesung genommen. Die Neuseeländer sind empört. | |
In Waihopai, in der Hauptstadt Wellington und anderen Städten gehen | |
Tausende Menschen aus Protest auf die Straße. Sie ziehen Vergleiche mit | |
George Orwells Roman „1984“, in dem „Big Brother“ den Horror eines | |
totalitären Überwachungsstaates verkörpert. | |
Und mit Deutschland: „Nein“ steht auf Deutsch auf einem Plakat, das David | |
Fraser bei einer Demonstration in Christchurch kürzlich hochhielt, wie die | |
Zeitung Dominion Post berichtete. „Ich will die Leute damit aufrütteln, | |
damit sie sehen, dass [2][John Keys Pläne der Stasi in der DDR ähneln], | |
oder der Gestapo - maßlose Einmischung des Staates in die | |
Privatangelegenheiten der Bürger“, sagt er der Zeitung. | |
[3][Der konservative Premierminister malt das Terrorgespenst an die Wand], | |
um die Ausweitung der Schnüffelbefugnisse zu rechtfertigen. „Es gibt Leute, | |
die in Camps des Terrornetzwerks El Kaida trainiert haben und aus | |
Neuseeland heraus operieren“, sagte Key dem Rundfunksender More FM. Wer | |
sich nichts zu Schulden kommen lasse, habe nichts zu befürchten, sagen | |
Befürworter, doch Kritiker befürchten Missbrauch. | |
## Kein Schutz vor Missbrauch | |
„Eine Demokratie vertraut ihren Bürgern, eine Diktatur nicht“, zitierte die | |
prominente Anthropologin Anne Salmond bei einer Protestveranstaltung | |
Dokumente aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. „Die Gesetzesvorlage geht zu | |
weit und hat keine ausreichenden Schutzmechanismen vor Missbrauch“, | |
[4][sagte der Vorsitzende der Menschenrechtskommission, David Rutherford.] | |
Auslöser für die geplante Gesetzesänderung ist der deutsche | |
Internetunternehmer Kim Dotcom. Der Gründer der Datentausch-Plattform | |
Megaupload lebt in Neuseeland und ist illegal überwacht worden. Auf | |
US-Antrag stand Anfang 2012 die Polizei vor seiner Tür. Die US-Behörden | |
wollen ihm wegen massiver Copyrightverletzungen den Prozess machen. Dass | |
Dotcom abgehört wurde, kam in seinem [5][juristischen Kampf gegen den | |
Auslieferungsantrag] ans Licht. | |
Solche Aktionen sollen künftig legal sein. Dotcom macht jetzt als Opfer | |
eines übereifrigen Überwachungsstaates die Runde bei | |
Protestveranstaltungen. „Das ist, als wenn man nach einem Strafmandat wegen | |
zu schnellen Fahrens die Geschwindigkeitsbegrenzung erhöht“, wettert er. | |
Die allermeisten Bürger stimmen ihm zu. „Zu viele Leute können dann ohne | |
guten Grund in zu vielen Dingen herumschnüffeln“, sagt Gärtnerin Leoni | |
Hawkins. „Jeder kann bei ganz unschuldigen Aktivitäten überwacht werden und | |
wenn man es Jahre später aus dem Kontext reißt, kann einem plötzlich etwas | |
ans Zeug geflickt werden.“ | |
Mit Skepsis reagieren die Leute auf John Keys Terrorwarnung. „Ich glaube | |
dem Regierungschef gar nichts“, sagt Krankenschwester Megan Browne. | |
Dennoch, sie ist eine der wenigen, die das neue Gesetz nicht rundheraus | |
verdammt. „Ich bin misstrauisch, weil rund um den Abhördienst so viel im | |
Dunkeln liegt. Aber es ist natürlich eine Organisation, die wir brauchen, | |
sie hat eine wichtige Aufgab.“ | |
2 Aug 2013 | |
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## AUTOREN | |
Cheryl Norrie | |
Christiane Oelrich | |
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