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# taz.de -- Unterdrückung der Kultur im Iran: Starke Wächter am Tor zur Freih…
> Der neue Präsident Hassan Rohani verspricht größere Freiheiten für die
> Kultur. Die Zensurbehörden demonstrieren indes ihre Macht.
Bild: Iraner an der Kinokasse. Das Foto ist allerdings von 2006
Als nach der Wahl des neuen Präsidenten Millionen auf den Straßen den Sieg
Hassan Rohanis feierten, war der Ruf nach Freiheit und Wandel der
häufigste. Die Iraner erwarten nicht nur, dass die Wirtschaft wieder in
Gang kommt, man hofft auch auf ein Ende der Repressionen, der starken
Einschränkungen der Freiheit der Presse, der Kunst und Literatur.
Im Wahlkampf wurden kulturelle Probleme von der Kritik an den
wirtschaftlichen Zuständen überschattet, obwohl die Kulturpolitik der
Regierung Ahmadinedschad nicht weniger verheerende Folgen hatte als seine
Wirtschaftspolitik. Die Ära Ahmadinedschad gehört zu den dunkelsten Zeiten
seit der Gründung der Islamischen Republik.
Unmittelbar nach seinem Wahlsieg sagte Rohani: „Die Bürger müssen dem Staat
vertrauen und sicher sein, dass ihr materielles und geistiges Eigentum
nicht vergeudet wird.“ Seine Regierung werde, wie im Wahlkampf versprochen,
Radikalität vermeiden und die ökonomischen, geistigen und kulturellen
Probleme zu lösen versuchen.
Er plädierte für größere Freiheiten und mahnte zu mehr Zurückhaltung der
mächtigen Verantwortlichen. Zugleich forderte er freien Zugang zum
Internet. Das Filtern von Internetinhalten habe nichts gebracht.
Wieweit Rohanis Worten Taten folgen werden, ist Angesichts der Größe der
Macht der Ultras, die schwerlich zu zähmen sein werden, noch sehr ungewiss.
Um eine Wende in der gesamten Kulturpolitik herbeizuführen, muss die
Regierung neben der allgemeinen Öffnung einen ganzen Katalog von konkreten
Forderungen erfüllen, Forderungen der Journalisten, Schriftsteller,
Verleger, Filmemacher und Künstler.
## Jahrelang in der Zernsurbehörde
Die alles überragende Zensur, die sich nach einer ultrakonservativen Lesart
der islamische Ethik und Moral richtet, wurde mit der Machtübernahme der
Regierung Ahmadinedschad erheblich verstärkt. Bücher, die angeblich
„problematische“ Stellen enthielten, verharrten manchmal jahrelang in der
Zensurbehörde. Danach wurden sie entweder abgelehnt oder Verleger und Autor
aufgefordert, die oft zahlreichen nicht genehmigungswürdigen Stellen zu
streichen.
Der Autor Abu Torab Khosrawi wartet bereits seit vier Jahren auf eine
Genehmigung für sein Buch „Das Reich der Qual“. Der Roman des populären
Autors Mahmud Doulatabadi, „Der Colonel“, liegt schon seit zehn Jahren bei
der Behörde.
Damit nicht genug. Der ehemalige Kommandant der Revolutionsgarde, Saffar
Harandi, Minister für Kultur und Islamische Führung, forderte Autoren und
Verleger auf, „problematische“ Stellen selbst zu streichen, bevor sie sie
zur Genehmigung einreichen. Andernfalls werde man sie mit Sanktionen wie
Verbot der Teilnahme an Buchausstellungen und Streichung der Papierrationen
belegen und ihnen in Extremfällen die Lizenz entziehen. Zahlreiche Bücher,
die bereits einmal die Zensur überstanden hatten, erhielten für eine
Neuauflage keine Genehmigung.
## Verlage geschlossen
Die Folge war, dass eine ganze Reihe unabhängiger Verlage geschlossen
wurden und Autoren ihren Beruf aufgaben. Viele sind ins Exil gegangen und
fristen ihr Dasein mit Sozialhilfe, nur wenige haben eine Möglichkeit, ihre
Werke zu publizieren. Der Rest übte Selbstzensur.
Das betraf auch die Zeitungen und Zeitschriften. Die Selbstzensur ist wie
eine Seuche, die die Substanz der Literatur vernichtet. Der Autor Dawud
Ghaffarsadegan erklärte: „Seit einigen Jahren ist das Niveau der Literatur
auf erschreckende Weise gesunken. Demgegenüber erlebt die Trivialliteratur
eine ungeahnte Blüte.“
Dasselbe Schicksal traf auch Künstler und Filmemacher. Zahlreiche Galerien
wurden geschlossen. Jedes Werk, das selbst versteckte erotische Gefühle
ausdrückt oder politisch beziehungsweise sozialkritisch anmutet, hält vor
den engstirnigen Zensoren nicht stand.
Die iranische Filmkunst, die zu internationaler Berühmtheit gelangt ist und
mit wichtigsten Preisen geehrt wurde, erlitt in der Ära Ahmadinedschad
einen herben Rückschlag. Längst sind die bekanntesten Filmemacher wie
Kiarostami oder Makhmalbaf im Exil. Einige sitzen im Iran im Gefängnis,
andere, wie Djafar Panahi, der mehrfach international ausgezeichnet wurde,
wurden mit mehrjährigem Berufsverbot bestraft. „Wir stehen zurzeit vor
großen Fragezeichen“, sagte Kiarostami und fügte hinzu: „Nur noch ein
Wunder kann das Land (Iran) retten.“
Der Schauspieler Amir Djafari sprach von „unsinnigen Einschränkungen für
Filmemacher. „Das iranische Kino ist tot“, sagte er. Er stehe ständige vor
der Entscheidung, seinen Unterhalt zu verdienen oder in Armut gute Filme zu
machen.
Das Haus des Kinos, wo der einzige funktionierende und halbwegs unabhängige
Berufsverband der Filmemacher residiert, wurde im vergangenen Monat nach
langem Gezerre geschlossen. Selbst Mahmud Ahmadinedschad kritisierte die
Entscheidung der Zensurbehörde. Es sei ein „großer Fehler“ gewesen, sagte
er. Er hoffe, dass die Entscheidung bald rückgängig gemacht werde.
Eine Woche später wurden für das Haus des Kinos unter der Aufsicht der
Behörde eine neue Satzung und ein neuer Vorstand herbeigezaubert. Nach
Einschätzung des Leiters der Filmbehörde, Dschawad Schamghadri, werde auch
die künftige Regierung sich dieser Entscheidung beugen müssen: „Sie sollte
sich hüten, das Haus wieder den Filmemachern zu überlassen. Sollte sie es
versuchen, werden wir, gleichgültig ob wir weiter die Verantwortung haben
werden oder nicht, sie daran hindern.“
Rohani muss bei seinem Reformvorhaben gegen harte Fronten kämpfen und
ideologisch hohe Mauern niederreißen, um weiterzukommen. Es ist fraglich,
ob ihm das gelingt, oder ob er genauso wie einst Chatami letztendlich
scheitern wird.
5 Aug 2013
## AUTOREN
Bahman Nirumand
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