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# taz.de -- Almut Klotz über neues Album: „Sauber ist verlogen“
> Mit den „Lassie Singers“ schrieb Almut Klotz Popgeschichte. Jetzt ist sie
> tot. Die taz sprach im Juli mit ihr und Reverend Dabeler über ihr
> gemeinsames Album, das jetzt erscheint.
Bild: Chris Dabeler und Almut Klotz kamen im Juli in die taz um über ihr Album…
taz: Erzählen Sie uns bitte die Geschichte hinter dem Albumtitel „Lass die
Lady rein“?
Almut Klotz: Da kannten wir uns schon, haben eine schicke Fernbeziehung
geführt. Ich hatte Sehnsucht und war pleite. Dann bin ich aufs Geratewohl
zum Busbahnhof, um von Berlin nach Hamburg zu fahren. Am Schalter saß eine
toughe Schlampe und hat dem Fahrer klargemacht: „Lass die Lady rein“ Der
Spruch hat uns begleitet, bis heute können wir uns nicht entscheiden, ob
Hamburg, oder Berlin.
Chris Dabeler: Ich bin immer froh, wenn ich aus Hamburg rauskomme, es hat
sich nicht zum Guten entwickelt. Stichwort Gentrifizierung.
Klotz: Dann bist du erleichtert, wenn du in mein gentrifiziertes Viertel
kommst: Berlin-Mitte.
Diese Duo-Situation findet ja in Ihren Songs als Spiel statt. Schweben
Ihnen dabei berühmte Duos vor?
Dabeler: Umgekehrt. Man macht das und entdeckt hinterher Parallelen.
Klotz: Mir ist das erst im Nachhinein aufgefallen. Es geht sehr viel um
Liebe. Und auch um Tod.
Im Song „Tausendschön“ heißt es: „Im Grunde deines Wesens bist du ein
schmutziger Charakter“.
Klotz: Na ja, das beruht auf Gegenseitigkeit. Man darf aber die zweite
Zeile nicht vergessen: „Im Grunde meines Wesens fand ich es sehr sehr
schön“.
Dabeler: Mir sind saubere Charaktere eher unheimlich.
Klotz: Genau, das ist verlogen, sauber.
Mir kam sofort der Gedanke an Memphis-Soul. An süffige
Südstaatenatmosphäre.
Dabeler: Korrekt gehört, alle Instrumente sind an den Memphis-Soul von Stax
Records angelehnt. Beim Gedanken daran kriege ich Gänsehaut.
Um so befreit zu klingen, was muss man da erlebt haben?
Klotz: Für uns ist dieses Album tatsächlich eine Befreiung. Mit unserem
Debüt 2007 haben wir versucht, es allen recht zu machen. Der
Indie-Gemeinde, dem Mainstream, der Plattenfirma. Darunter leidet die
Musik.
Sie haben das Album zu zweit aufgenommen. Wie entsteht daraus etwas
Kreatives?
Klotz: Ich finde, zu zweit funktioniert Arbeitsteilung viel besser als in
einer Bandkonstellation. Die Hierarchie ist geklärt. Bei zwei gibt es ja
nur einen Gegner, auf den man sich einstellen kann.
Ist die Empathie, die Ihre Texte ausdrücken, für Sie lebenswichtig?
Klotz: Ja, sie hat uns beide gepusht, definitiv. Prinzipiell geht es in
allen meinen Texten um Menschen, die nicht besonders konform sind. Sie
leben in ihrer eigenen Welt, sie schwimmen nicht im Mainstream. Sie haben
einen gewissen Stolz.
Deutsch gesungene Texte in Popsongs klingen oftmals penetrant banal oder
zentnerschwer bedeutsam. All dieser Ballast fehlt bei Ihnen.
Dabeler: Wir verklausulieren gar nichts. Die Zeile „Tanzen, bis der Eisbär
friert“ …
Klotz: Die hast du doch bis jetzt noch gar nicht so richtig wahrgenommen!
Dabeler: Doch, ich habe sie immerhin mitgesungen.
Klotz: Popmusik und ihre Texte müssen nicht von konkreten Gegenständen
handeln, um in einem aufklärerischen Sinne politisch zu sein. Meine Texte
rütteln durch etwas anderes auf. Das wird durch Bildlichkeit hervorgerufen,
es klingt poetisch oder auch mal unerklärlich.
Dabeler: Sie sind politisch, aber auf einer anderen Ebene. Politik
vollzieht sich bei uns eben nicht in Kausalitäten.
Klotz: Einverstanden. Ich finde es einen Unterschied, ob man Musik hört, um
abfliegen zu können, oder ob man Musik hört, in der es um Diskurse geht.
Manchmal geht es auch um beides zusammen.
Ist Ihre Musik eine Trotzreaktion auf den Lauf der Dinge?
Dabeler: Wir haben uns zur Einstimmung etwa alte Songs von Rod Stewart
angehört. Da geht es immer um Haltungsfragen. Diese Haltung des „loud and
proud“ ist eine klassische Soul-Losung. Dazu gehört auch eine Portion
Rockismus.
Andererseits bricht Ihre Stimme jedes Macho-Spurenelement. Sie klingt
unverbraucht und frisch, nicht angefasst.
Klotz: Eine Rockröhre bin ich definitiv nicht. Mich nervt aber, dass in
Deutschland seit gut 20 Jahren Rock nur noch ironisch gebrochen durchgeht.
Sie kommen beide aus der Subkultur, haben mit den Lassie Singers, mit Rocko
Schamoni Wegweisendes geschaffen. Ihr Album deutet an, dass sie eine lange
Geschichte hinter sich haben. Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?
Klotz: Natürlich nicht. Aber ich glaube, ich bin jetzt in einem Alter, wo
ich nicht mehr im Hamsterkäfig rennen muss. Das gibt mir viel Freiheit.
Dabeler: Erreicht haben wir ganz schön viel. Es war eine lange Wegstrecke,
wenn ich an die Lassie Singers denke, deine Musik, deine Texte bewegen die
Leute immer noch.
Klotz: Das stimmt, da haben wir wohl einen Nerv getroffen.
19 Aug 2013
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
Almut Klotz
Lassie Singers
Rocko Schamoni
Hamburg
Almut Klotz
Almut Klotz
Almut Klotz
Neues Album
Almut Klotz
Schwerpunkt Eurovision Song Contest
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