# taz.de -- Anti-Atom-Protest im Hamburger Hafen: Das Geschäft geht weiter | |
> Die "Atlantic Cartier" war wieder da. Am 1. Mai hatte sie gebrannt - mit | |
> einer gefährlichen Mischung aus radioaktiven und explosiven Stoffen an | |
> Bord. | |
Bild: Schiff mit gefährlicher Fracht: die Atlantic Cartier im Hamburger Hafen. | |
HAMBURG taz | Es ist noch dunkel, als die „Atlantic Cartier“ an diesem | |
Sonntagmorgen die Elbe hinauf schippert. Ohne Begrüßung am Willkomm-Höft | |
bei Wedel, kurz vor der Landesgrenze, biegt der 293 Meter lange kombinierte | |
Roll-on- Roll-off-Container- und Autofrachter wenig später ins Hafenbecken | |
des O’swald-Terminals ein. Am Kreuzfahrt-Terminal in der Hamburger | |
Hafencity, nicht weit entfernt, liegt gerade die „Queen Mary 2“. | |
Um 5. 35 Uhr macht die „Atlantic Cartier“ am Kai fest. Sie ist zum ersten | |
Mal wieder in Hamburg, seit ihrer umfassenden Reparatur. Beim letzten Mal, | |
im Mai dieses Jahres, brach ein Feuer an Bord aus, geladen hatte die | |
„Cartier“ damals allerlei radioaktive Fracht – und nur wenige hundert Met… | |
entfernt feierten Tausende die Eröffnung des Evangelischen Kirchentags. Nur | |
knapp schrammte die Hansestadt damals an einer Katastrophe vorbei, sagen | |
manche. | |
Und so ist es nun um 10 Uhr morgens mit der Heimlichkeit vorbei: Auf einer | |
Barkasse kommen von Backbord her Aktivisten des „Anti-Atom-Plenums“ auf den | |
Frachter zu. Mit Magneten befestigen sie ein Transparent an der Bordwand: | |
„Atomtransporte brandgefährlich“ steht darauf, „Urantransporte stoppen�… | |
einem weiteren Banner an der Barkasse selbst. Man habe „das Schiff | |
gebrandmarkt“, sagt später einer der Aktivisten. „Genau, wo das Transparent | |
hängt, war der Brandherd.“ | |
In den Abendstunden, gegen 19.30 Uhr, stand am 1. Mai ein Parkdeck des | |
Schiffes in Flammen. Warum, ist bis heute ungeklärt. Die Hamburger | |
Feuerwehr wurde erst alarmiert, als die bordeigenen Löschmittel, etwa eine | |
Kohlendioxid-Anlage, den Brand nicht zu ersticken vermochten. Anhand der | |
Ladelisten stellten die herbeigerufenen Helfer fest, dass in unmittelbarer | |
Nähe des Brandherdes ein hochbrisanter Cocktail lagerte: neun Tonnen | |
Uranhexafluorid (UF6), elf Tonnen angereichertes Uranoxid und unbestrahlte | |
Brennelemente sowie Munition und hochexplosives Ethanol. Intern riefen die | |
Löscher Katastrophenalarm aus. | |
„Bei der Freisetzung von UF 6 bilden sich mit der Luftfeuchtigkeit sofort | |
Flusssäure, die im Umkreis von 600 Metern schwere Verätzungen der Atemwege | |
erzeugt“, sagte am Sonntag der Physiker Fritz Storim von der Bremer | |
Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz. Was die „Atlantic Cartier“ diesm… | |
geladen habe, „wissen wir nicht genau, weil die Transportgenehmigungen | |
geheim gehalten werden“, fährt er fort. Er gehe aber davon aus, dass sie | |
„UF 6 aus der Urananreicherungsanlage Gronau für die Herstellung von | |
Brennelement an Bord nimmt“. | |
Nach dem Vorfall vom Mai sei der atomare Handel nicht abgeflaut, sagen die | |
Anti-Atom-Aktivisten. Sie loben, dass der rot-grüne Bremer Senat die | |
„Entwidmung“ – der juristische Begriff für Sperrung – der Bremer Häfe… | |
Kernbrennstoffe beschlossen hat. Doch seien damit Vorprodukte wie UF 6 eben | |
nicht erfasst. | |
„Durch den Hamburger Hafen gehen fast täglich Atomtransporte“, sagt Storim, | |
er sei „zur Drehscheibe des internationalen Atomgeschäfts“ geworden. Dabei | |
mischt laut einem Aktivisten mit Kenntnissen des Hafengeschäfts auch die | |
halb-staatseigene Reederei Hapag Lloyd mit: Deren Schiffe „Toronto Express“ | |
und „Montreal Express“ transportierten regelmäßig Radioaktives zwischen | |
Kanada und Europa. | |
25 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
## TAGS | |
Hamburg | |
Hamburg | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neues Kreuzfahrt-Terminal: Zwei, drei, viele Anleger | |
Die Stadt nimmt ihr drittes Kreuzfahrt-Terminal in Betrieb. Die Reedereien | |
fordern einen vierten Anleger für ihre schwimmenden Hotels. | |
Atomtransporte in Hamburg: Gefährliche Drehscheibe | |
Über Hamburgs Straßen rollen alle zwei Tage Transporte mit radioaktiven | |
Gütern. Bei Kontrollen sind viele sicherheitsrelevante Mängel gefunden | |
worden. | |
Urteil zum Zwischenlager Brunsbüttel: Und wenn der A 380 abstürzt? | |
Ein Gericht hat dem Atom-Zwischenlager die Genehmigung entzogen. Jetzt | |
liegen die Gründe vor: Viele Risiken wurden nicht bewertet. Eine Analyse. | |
Atomkraft-Logistik: Nicht in unserer Stadt | |
Bürgerschaft und Senat sollen Fahrten durch die Stadt verbieten. Antrag der | |
Linken wird am Donnerstag im Parlament beraten. | |
Der Zoff um den Atom-Frachter: Ein Lob auf die Feuerwehr | |
Innenausschuss befasst sich fünf Stunden lang mit dem Brand auf dem | |
Atomfrachter „Atlantic Cartier“. Innensenator spielt die | |
Beinahe-Katastrophe herunter. |