Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: In der ewigen Pubertät
> Wenn manche Leute behaupten, Erwachsensein wäre kein pubertäres Spiel,
> dann lügen diese Scheinerwachsenen ganz gewaltig.
Erwachsenwerden ist blöder, anstrengender Bockmist. Jeder, der etwas
anderes behauptet, wird von mir sofort zurück in die Pubertät geschickt,
und zwar nicht über Los, und ohne 4.000 Mark einzuziehen. Na denn, ihr
Sentimentalisten, quält euch noch mal durch Trigonomotrie oder wie das Zeug
heißt und kollabiert nach der ersten Zigarette, während der Schwarm zusieht
und hässlich lacht. Ich besetze inzwischen schon mal die Schlossallee.
Damals, mit 13 Jahren, wusste ich, dass ich eines Tages alles allein
entscheiden dürfte und irgendwann erst nach der 30. Zigarette kollabieren
würde. Ein großes Versprechen für eine glorreiche Zukunft als coole
Erwachsene. Was ich nicht wusste, war, dass ich irgendwann freiwillig aus
Vernunftgründen mit dem Rauchen wieder aufhören würde. Und dass das so
ziemlich das Erwachsenste sein würde, was ich in diesem Leben hinkriege.
Denn alles andere, was man mit Recht von volljährigen Mitbürgern erwartet,
simuliere ich bloß. Die jährlich fällige Steuererklärung versetzt mich in
den Status einer greinenden Fünfjährigen. Nach der ersten Mahnung kreuze
ich blind irgendwas an und warte dann zitternd auf den Bescheid. Wenn
Handwerker klingeln, verstecke ich mich unter dem Tisch. Ich habe Angst vor
ihnen und ihren garstigen Sätzen: „Der Schnörgel paspelt nicht mehr
richtig, macht 400 Euro.“ – „Ja, äh, braucht man denn so einen Schnörgel
unbedingt?“ – „Machen sie Witze? Sonst schürbelt das ganze Thetan-Gewind…
Dann fliegt Ihnen hier mal alles um die Ohren.“
Die Zumutung, den richtigen Telefon- und Internetvertrag auszuwählen, lässt
mich stets überlegen, ob es eine gute Idee wäre, zum Zigarettenkonsum
zurückzukehren. Dann könnte ich mich auch gleich mittels Rauchzeichen
verständigen. Wieso muss ich wissen, was eine Bitrate ist? Was wollen die
Leute von mir? Ich möchte meine Sandförmchen zurück. Denn noch schlimmer
als Erwachsenwerden ist Erwachsensein.
Am meisten staune ich immer noch, wenn andere auf mein Getue hereinfallen.
Nie werde ich im Laden gefragt, ob meine Mami mir auch Geld mitgegeben hat,
wenn ich versuche, wie eine kompetente Einkäuferin zu wirken. Rede ich auf
einem Podium, hört man mir zu, na ja, meistens jedenfalls. Niemand hält
mich zurück, wenn ich in ein Auto steige und damit wirklich losfahre, und
nicht bloß, vor Freude auf und ab hüpfend, ununterbrochen auf die Hupe
drücke.
Das lässt allmählich in mir den Verdacht wachsen, dass das ganze ein Deal
auf Gegenseitigkeit ist. Die nette Frau hinter der Wursttheke spielt in
Wahrheit Kaufmannsladen und trägt noch Kniestrümpfe, jedenfalls mental oder
wie dieses Erwachsenenwort heißt. Der Polizist klebt rasch seinen Kaugummi
an meinen Rückspiegel, ehe er mir einen selbstgemalten Bußgeldbescheid
erteilt, auf dem „Strahfe“ steht. Und der Handwerker rumpelt im Keller
bestimmt mit Bauklötzen herum, während ich nicht hinsehe. Falls er nicht
sogar heimlich seine erste Zigarette raucht. Nur die 400 Euro, die ich der
Erwachsenenwelt schulde, sind am Ende immer echt.
10 Sep 2013
## AUTOREN
Susanne Fischer
## TAGS
Pubertät
Erwachsen werden
Erwachsene
Spam
Konsum
Rauchen
Dänemark
Sprache
Gastronomie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Stille Post, heilige Post
Die alltäglichen Quälgeister der Elektrokommunikation und ihre sagenhaften
Umgangsformen.
Die Wahrheit: In der Paybackhölle
„Haben Sie eine Kundenkarte?“ Ich hasse diese Frage. Warum ich einfach mal
so an der Kasse blechen und nicht länger an kapitalistischen Auswüchsen
leiden will.
Die Wahrheit: Die Leiden der alten Häsin
Ja, Oma erzählt wieder vom Krieg. Das war damals, als ich frisch auf die
Buchmesse kam. Den ganzen Tag Prosecco und Wettrauchen!
Die Wahrheit: Andere Urlauber kauften auch Hirn
Das dänische Ferienhaus buchte ich im Internet. Damit machte ich mich nicht
nur zum gläsernen Mitbürger, sondern gleich zum Affen.
Die Wahrheit: Der Kettenwortkritikpunkt
Was andere Nationen an den Deutschen fürchten, ist die fiese Sprache. Vor
allem sind es die Komposita, mit denen wir Schreckenspunkte sammeln können.
Die Wahrheit: Stirb, garstiges Gastrowesen!
Immer wird man schlecht behandelt, und falls man mal gut behandelt wird,
weiß man, sie tun nur so, weil man sie bezahlt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.