| # taz.de -- Die Wahrheit: Stille Post, heilige Post | |
| > Die alltäglichen Quälgeister der Elektrokommunikation und ihre | |
| > sagenhaften Umgangsformen. | |
| Wenn die Hölle voll ist, schrieb Nicolas Mahler neulich, kehren die | |
| Germanisten auf die Erde zurück. Das kann ich nur bestätigen. In der Hölle | |
| war es etwas wärmer als hier, aber der Teufel sprach korrektes, stilvolles | |
| Deutsch. Was man von seinen irdischen Kollegen, die mir mein | |
| E-Mail-Postfach zumüllen, nicht behaupten kann. Ich rede gar nicht vom | |
| Übersetzungscomputer-Müll à la „Bei Prüfung ihre accounts die Zahlung | |
| wollte überschießen. Bitte Sie schicken alle Geld uns.“ Daraus kann man ja | |
| noch Inspiration ziehen. Ich meine die „Hallo, Frau Fischer!“-Mails. So | |
| brüllen mich Wildfremde morgens aus dem Computer an, das muss man sich mal | |
| vorstellen. Dabei habe ich noch nicht einmal gefrühstückt. | |
| Nicht so schlimm? Stimmt, ich werde nämlich auch gern mal mit einem | |
| launigen „Hallo, Frau Schmidt!“ begrüßt, weil mein Name offenbar zu | |
| schwierig zu merken ist. Neulich verpasste mir jemand gar den Namen unseres | |
| Anwalts. Auch interessant. Kontinuität wird vielleicht überschätzt. Dann | |
| folgen etwa zehn Tipp- und Kommafehler in drei Zeilen. Kommt ja nicht drauf | |
| an, ist ja nur an diese Frau Dings da. | |
| Ein Bankberater, mit dem ich mich gerade eine halbe Stunde lang am Telefon | |
| energisch angeschrien hatte, unterzeichnete dagegen gefühlvoll mit „lieben | |
| Grüßen“. Hallöchen, wie geht’s denn dem schönen Geld immer so, fühlt es | |
| sich noch wohl bei Ihnen? Und liebe Grüße auch an die Oma. | |
| Wer mein Geld will, gibt sich sonst mehr Mühe. Seit ich einmal in einen | |
| Öko-Stromfonds investiert habe, was ich nur allen empfehlen kann, die Wert | |
| auf moralisch einwandfrei Verluste legen, wird mein armer | |
| Schneckenpost-Briefkasten mit Werbebriefen für Windkraftanlagen in Polen | |
| und Solarstrom in der Sahara zugestopft. Diese Briefe beginnen allerdings | |
| nicht mit der Anrede: „Na, Klein-Doofi, man hat uns verraten, dass man Sie | |
| melken kann“, sondern stets korrekt. Hm, mal sehen, ob ich darauf | |
| reinfalle. | |
| Die Hundertschaft der Anwälte, die mir hingegen brieflich Hilfe gegen den | |
| Ökostromfonds anbietet, kenne ich schon. Ich habe ihnen persönlich in der | |
| Hölle Umgangsformen beigebracht. Deshalb muss ich ihre Briefe auch nicht | |
| beantworten, in denen sie stets vergessen, auf die Kosten ihrer Dienste | |
| hinzuweisen. | |
| Kommen wir zur Königsdisziplin der Fischer-Quälerei, dem vorweihnachtlichen | |
| Bettelbrief. Ja, ich unterstütze regelmäßig eine Hilfsorganisation. Seit | |
| ich das tue, habe ich den Eindruck, dass ich das Spendenaufkommen der | |
| Bundesrepublik allein zusammenkratzen muss. Meine siebenhundertmal | |
| verkaufte Klein-Doofi-Adresse, nur echt mit dem „Hat ein butterweiches | |
| Herz“-Aufkleber, zieht die Spendensammler magisch an. Brief nicht | |
| wegwerfen! Mit echtem Foto! Mit mundgemalter Weihnachtskarte! Mit | |
| Freundschaftsbändchen! Mit aufgehaltener Hand aus afrikanischem | |
| Recycling-Blech! | |
| Hallöchen, Leute, jetzt fragt doch mal die anderen, die noch nie gespendet | |
| haben. Schreibt einfach an Frau Schmidt. Und liebe Grüße aus der Hölle. | |
| 10 Dec 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Fischer | |
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