| # taz.de -- Die Wahrheit: Steilvorlagen für schlechte Laune | |
| > Den Jahreswechsel verbringe ich inzwischen am liebsten mit einem Arzt, | |
| > einer Spezialistin für Gewaltprävention und einem Jazzmusiker. | |
| Bild: Dudelt nachts krank vor sich hin, das Hirn. | |
| Ich bin gern auf der sicheren Seite. Silvester feiere ich vorzugsweise mit | |
| Freunden, bei denen ich darauf vertrauen kann, dass sie für dieses Ereignis | |
| qualifiziert sind. Sie sollten zum Beispiel ohne Senfberliner, | |
| Tischfeuerwerk und Von-den-Stühlen-Hopsen auskommen können. Na gut, da | |
| kämen einige infrage. | |
| Da man im Alter aber immer ängstlicher wird, verbringe ich den | |
| Jahreswechsel inzwischen am liebsten mit einem Arzt, einer Spezialistin für | |
| Gewaltprävention und einem Jazzmusiker. Man kann ja nie wissen, was | |
| passiert. Am Ende braucht man um kurz vor zwölf noch einen alterierten | |
| Fis7-Akkord, und es ist keiner da. Dann ist das gesamte Jahr quasi im | |
| Eimer, also jedenfalls im Rückblick. | |
| Das blöde Jahr hatte uns sowieso noch knapp vorm Ende einen Streich | |
| gespielt, der den Liebsten in sanitätsdienstlicher Eigenlogik per | |
| Rettungswagen in die Notaufnahme eines Krankenhauses katapultierte („Wenn | |
| ich die Trage schon aufbaue, dann legen Sie sich da auch drauf!“). | |
| Da hängt man dann zwischen gebrochenen Nasen und Männern, die erklären, sie | |
| wollten dem Aufnahmearzt eine reinhauen, weil der so unfreundlich wäre. Ein | |
| interessantes Verfahren zur Verbesserung des Umgangstons in Krankenhäusern, | |
| eine Art alterierter Arzt-Patient-Akkord. Es ging dann aber alles gut aus, | |
| hoffentlich auch für den Notarzt. | |
| Das Thema Rückblick muss zu Silvester streng vermieden werden, damit kein | |
| Partygast Jahresend-Depressionen entwickeln kann. Eventuell sollte ich noch | |
| eine Psychotherapeutin in die Runde aufnehmen. Trotz aller Bemühungen | |
| schlenderte das angenehme Gespräch nämlich in Richtung Beziehungsbilanz. | |
| Wie lange kennen wir uns schon, und mit wem warst du vorher zusammen? | |
| Die Gäste hatten das vor Jahren schon geklärt und stritten nur zum Spaß | |
| darüber, mit wem sie liiert war, bevor sie ihn kennenlernte. Oder um uns | |
| eine Steilvorlage zu liefern. Ist mir sowieso ein Rätsel, warum jemand mit | |
| mir feiert, außer um mich zu quälen. Für 2014 plane ich die Eröffnung eines | |
| Schlechte-Laune-Event-Services. | |
| Der Liebste war bisher stets zu taktvoll, mich nach Details des | |
| Liebeslebens Hamburger Junggermanistinnen in den Roaring Eighties zu | |
| fragen. Da würde er doch wohl nicht ausgerechnet an Silvester damit | |
| anfangen wollen? Fieberhaft suchte ich nach unverfänglichen | |
| Rückblicksthemen. Das beste Essen des Jahres, der dümmste Monat, die | |
| fieseste Politikerratte. Hm. Essen ist dekadent, Politik kein Thema, und | |
| der dümmste Monat ist am Ende beleidigt und wird nächstes Jahr noch dümmer. | |
| Nächstes Jahr! Ein schönes Thema. Der Liebste hält gute Vorsätze für dummes | |
| Zeug, während ich mich gern an die Illusion klammere, ein neues Jahr | |
| brächte sensationelle Verbesserungen mit sich. Es ist schließlich noch ganz | |
| unbenutzt! Wenn ich ehrlich bin, hatte aber 2013 bereits 1.000 | |
| Wohlfühlpunkte auf der nach oben geschlossenen Skala. Ich sollte mich | |
| untersuchen lassen. Die Trage habe ich mir schon aufgebaut. Bitte liefern | |
| Sie mich ein, und sehen Sie mal unauffällig nach dem Aufnahmearzt. | |
| 10 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Fischer | |
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