| # taz.de -- Dokumentarfilm „In the Darkroom“: Eine entrückt wirkende Frau | |
| > Wer ist Magdalena Kopp? Der Dokumentarfilm „In the Darkroom“ von Nadav | |
| > Schirman porträtiert die frühere Ehefrau des Terroristen Carlos. | |
| Bild: „In the Darkroom“ zeichnet ein starres Bild der Protagonistin Magdale… | |
| Magdalena Kopp wurde 1948 in Neu-Ulm geboren. Sie gelangte zeitweise zu | |
| einer gewissen Berühmtheit. Die Fotografin lebte in den 1970er Jahren in | |
| Frankfurt am Main und gehörte dort den Revolutionären Zellen (RZ) an. Die | |
| RZ waren zu jener Zeit strikt „antiimperialistisch“ ausgerichtet und | |
| kooperierten mit palästinensischen Terrorgruppen. 1975 überfiel ein | |
| gemischtes Kommando aus deutscher RZ und palästinensischer PFLP unter | |
| Führung des Venezolaners Carlos die Opec-Konferenz in Wien. | |
| Über ihren deutschen Kampf- und Liebesgefährten Johannes Weinrich kam Kopp | |
| in näheren Kontakt zu Carlos. Und als der nach dem Opec-Überfall seinen | |
| eigenen, von der PFLP unabhängigeren Laden aufmachte, sollten Kopp und | |
| Weinrich zu Carlos’ wichtigsten Weggefährten werden – bis zu dessen | |
| Verhaftung 1994 im Sudan. Carlos, der Schakal, galt bis zu diesem Zeitpunkt | |
| als meistgesuchter Terrorist der Welt, der Bin Laden der | |
| antiimperialistischen Linken. | |
| In der actiongeladenen Doku-Fiction „Carlos – Der Schakal“ erzählte Oliv… | |
| Assayas 2010 von dieser Geschichte, in der Nora von Waldstätten eine | |
| überzeugende Carlos-Ehefrau Magdalena Kopp spielte. Eine tastende, | |
| aufbegehrende, nicht immer unterwürfige Frau, die sich mit einem | |
| draufgängerischen und rücksichtslosen Mann zusammentat, und ihre | |
| kleinbürgerliche Neu-Ulmer Herkunft abzuschütteln versuchte. | |
| ## Untergrund-Jet-Set-Leben | |
| Kopp führte zeitweise ein Untergrund-Jet-Set-Leben, das von Ostblockstaaten | |
| sowie arabischen Despotien (Assads Syrien, Saddams Irak, Gaddafis Libyen) | |
| abgesichert wurde. Assayas’ Thriller beleuchtete dies facettenreich, | |
| unterhaltsam und analytisch zugleich. | |
| Carlos und seine Mitstreiter waren auf der Jagd nach Israelis, Juden, | |
| Amerikanern oder abtrünnigen arabischen Oppositionellen. Bereits 2007 hat | |
| Kopp ihre Autobiografie „Die Terrorjahre. Mein Leben an der Seite von | |
| Carlos“ veröffentlicht, in der sie wenig zu den politischen Hintergründen | |
| ihres Denkens sagte, sich als Mitläuferin, ja Opfer von Zeitumständen und | |
| Männern darstellte. | |
| Diese Linie behält sie auch in erschütternder Weise in Nadav Schirmans | |
| Dokumentarfilm „In the Darkroom“ bei. Der israelische Regisseur befragte | |
| Kopp in der Rotlichtatmosphäre eines Fotolabors. Ein Fotolabor soll auch | |
| der Ort der ersten Annäherung von Carlos an Kopp gewesen sein. | |
| ## Fälscherin der Carlos-Gruppe | |
| Kopp stieg aufgrund ihrer fototechnischen Fähigkeiten bald zur Fälscherin | |
| der Carlos-Gruppe auf. Sie spricht in Schirmans Dokumentarfilm aus einem | |
| maskenhaft unbeweglichen Gesicht, besteht weiterhin auf ihrer Rolle der | |
| Verführten – „er machte mich betrunken.“ | |
| Kopp, nur ein Opfer? Schwer nachvollziehbar. Als sie 1982 in Paris eine | |
| syrische Oppositionszeitung in die Luft sprengen wollte, wurde sie | |
| verhaftet. Nach ihrer Freilassung kehrte sie nach Neu-Ulm zurück. Ein Anruf | |
| von Carlos in Neu-Ulm genügte jedoch, dass sie sich 1985 erneut auf die | |
| Reise zu ihm und in den Untergrund begab. Im Dokumentarfilm sagt sie, sie | |
| wäre aus Furcht vor Carlos zu ihm zurückgekehrt. | |
| Der ebenfalls von Schirman befragte RZ-Aussteiger Hans-Joachim Klein | |
| bezweifelt dies. Ansonsten unternimmt „In the Darkroom“ erstaunlich wenig | |
| Anstrengungen, Kopps Legenden zu hinterfragen. Und so bleibt auch ihr | |
| damaliger ideologischer Hintergrund im Unklaren. Obwohl ihr gelebter | |
| Antiimperialismus sie damals an die Seite eines Mannes brachte, der auch | |
| heute nach der lebenslänglich verhängten Haftstrafe 1997 in Frankreich | |
| nicht schlauer geworden ist, mittlerweile zum Islam konvertierte und | |
| Al-Qaida-Fan geworden ist. | |
| ## Ein starres Bild | |
| Schirman wollte wohl einen persönlichen Film drehen. Es wurde aber vor | |
| allem ein starres Bild einer entrückt wirkenden 65-Jährigen. Und so schiebt | |
| sich – neben bislang weniger bekannten privaten und historischen | |
| Archivbildern – im Laufe der Doku eine junge Frau mehr und mehr in den | |
| Blickpunkt des Geschehens. | |
| Es ist Rosa, die gemeinsam mit Carlos gezeugte zweite Tochter Kopps, die | |
| hier erstmals vor der Kamera steht. Mit fünf Jahren ging sie mit ihrer | |
| Mutter von Damaskus nach Venezuela, mit acht kam sie mit ihrer Mutter nach | |
| Deutschland. Kopp stellte sich damals den deutschen Behörden, nach der | |
| Verhaftung von Carlos im Sudan. | |
| Das Filmteam begleitet die junge Erwachsene auf einer Reise nach Palästina. | |
| Dort will sie ein alter Carlos-Terroristenkumpel, Bassam Abu Sharif, davon | |
| überzeugen, ihr Vater sei ein edler Freiheitskämpfer gewesen. Doch Tochter | |
| Rosa wirkt in dem Film reflektiert genug, sich vom Fanatismus nicht blenden | |
| zu lassen. | |
| Einer gewissen Instrumentalisierung durch den Regisseur Schirman entkommt | |
| sie dennoch nicht. Das Filmteam ist zugegen, als Rosa zum ersten Mal seit | |
| ihrer Flucht aus Syrien Vater Carlos wieder sieht und im Gefängnis besucht. | |
| Im Pariser Hotelzimmer erzählt sie unter Tränen, wie es war, den Papa zu | |
| sehen. Rosa Kopp wäre in Zukunft gut beraten, voyeuristischen Angeboten aus | |
| dem Weg zu gehen und ihr Recht auf Privatheit zu verteidigen. | |
| 25 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Fanizadeh | |
| ## TAGS | |
| Carlos | |
| Terrorismus | |
| Sauna | |
| Bethlehem | |
| Kinofilm | |
| Carlos | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Homosauna-Betreiber über Verbotsdebatte: „Wir sind Vorbild für die Gesellsc… | |
| Ein Schwulenaktivist fordert Homosaunen zu schließen. Sie förderten | |
| Homophobie. Der Chef einer Schwulensauna sagt dagegen, sie trügen zur | |
| Integration bei. | |
| Nahost-Film „Bethlehem“: Wer spricht, der lügt | |
| Spannend und authentisch – „Bethlehem“ ist ein faszinierender Film über | |
| einen israelischen Geheimdienstler und seinen palästinensischen | |
| Informanten. | |
| Kinofilm „Prince Avalanche“: Zwei Männer und ein Mittelstreifen | |
| Wo die Die Latte niedrig liegt: „Prince Avalanche“ von David Gordon Green | |
| ist ein Roadmovie, in dem die Helden lieber zu Fuß gehen. | |
| Ex-Terrorist in Paris verurteilt: 18 Jahre Haft für Carlos | |
| Auch in zweiter Instanz wurde Ilich Ramírez Sánchez für Anschläge in den | |
| 80er Jahren schuldig befunden. Sein Schlusswort vor Gericht dauerte vier | |
| Stunden. | |
| Terrorist "Carlos" vor Gericht: Der Prozess der Bilder | |
| Am Montag steht Ilich Ramírez Sánchez alias "Carlos" in Paris vor Gericht. | |
| Er wird die Bühne nutzen, die ihm die Justiz bietet. Er gefällt sich in der | |
| Märtyrerrolle. | |
| Carlos-Anwalt über den Film "Der Schakal": "Er wird als kranker Killer dargest… | |
| "Der Schakal" sei eine Vorverurteilung seines Mandanten in einem neuen | |
| Verfahren, sagt Marcel Bosonnet, Anwalt von Topterrorist Carlos. Dieser | |
| erwägt nun eine Klage gegen die Filmemacher. | |
| Aufstieg und Fall der al-Qaida: Der Sturz des Phönix | |
| Mit den Anschlägen von 9/11 hatte Osama bin Laden bereits alles verspielt | |
| und seinen Untergang besiegelt. Aufstieg und Fall einer | |
| Provinzorganisation. | |
| Assayas' Film über Carlos: Besoffen von sich selbst | |
| In seinem furiosen Film inszentiert Olivier Assayas Carlos' Leben als | |
| Augenblicke mit potenziell offenem Ausgang. Der antikapitalistische | |
| Terrorist schillert dabei als flexibler Unternehmer. |