# taz.de -- Carlos-Anwalt über den Film "Der Schakal": "Er wird als kranker Ki… | |
> "Der Schakal" sei eine Vorverurteilung seines Mandanten in einem neuen | |
> Verfahren, sagt Marcel Bosonnet, Anwalt von Topterrorist Carlos. Dieser | |
> erwägt nun eine Klage gegen die Filmemacher. | |
Bild: Falsch dargestellt? Szene aus dem Film "Carlos - Der Schakal". | |
taz: Herr Bosonnet, im November findet ein neues Verfahren gegen Ihren | |
Mandanten Ilich Ramírez Sánchez - besser bekannt als Carlos - in Paris | |
statt. Was wird ihm vorgeworfen? | |
Marcel Bosonnet: Es werden ihm Attentate auf zwei Züge und ein Anschlag in | |
der Rue Marbeuf, bei dem eine Frau starb und 63 Personen verletzt wurden, | |
vorgeworfen - Vorfälle aus den Jahren 1982 und 1983. | |
Seit einigen Tagen ist in den Schweizer Kinos der Film "Carlos - Der | |
Schakal" zu sehen. Sie überlegen nun gemeinsam mit Ihrem Mandanten, gegen | |
den Film zu klagen. Warum? | |
Ilich Ramírez Sánchez hat sich bereits 2008 an die Produktionsfirma | |
gewendet und wollte an der Realisierung des Films beteiligt werden. Doch | |
immer hieß es, es sei ein rein fiktionaler Film, seine Mitarbeit sei nicht | |
nötig, eine Kontaktaufnahme wurde verweigert. Doch nun ist klar, der Film | |
ist nicht fiktional. Im Gegenteil: Der Film macht geltend, Carlos richtiges | |
Leben zu zeigen. Es ist keine fiktionale Figur, sondern eine reale. | |
Der Film zeigt Ihren Mandanten als coolen Killer. Er trinkt, schießt und | |
vergnügt sich mit zahlreichen Frauen. Für einen Terroristen nicht die | |
schlechteste Darstellungsform. Was passt Ihrem Mandanten daran dennoch | |
nicht? | |
Er ist für eine Tat von 1997 lebenslänglich verurteilt worden. Alle anderen | |
Verdächtigungen wurden nie durch ein Gericht beurteilt und konnten ihm | |
nicht nachgewiesen werden. In dem Film wird er pauschal für Taten | |
verantwortlich gemacht, die er nie begangen hat. Die politischen | |
Zusammenhänge werden verschwiegen oder verfälscht. Auch ein einmal | |
Verurteilter darf nicht wahllos für Verbrechen verantwortlich gemacht | |
werden, über die nie ein Gericht geurteilt hat. Dass Ilich Ramírez Sánchez | |
sich als Revolutionär begreift, der sich für die Sache der Palästinenser | |
einsetzt, wird nicht thematisiert. Wie er sich politisiert hat und zum | |
Revolutionär wurde, wird nicht gezeigt. | |
Der Film ist aber doch nicht für die PR Ihres Mandanten zuständig … | |
Natürlich nicht. Aber Ilich Ramírez Sánchez wird als psychopathischer, | |
kranker Killer dargestellt - und das ganz bewusst. | |
Greifen hier nicht die Kunst- und Meinungsfreiheit? | |
Die Filmemacher nehmen für sich in Anspruch, die Biografie von Ilich | |
Ramírez Sánchez verfilmt zu haben. Deswegen ist die Kunstfreiheit hier | |
durchaus angreifbar, denn immerhin werden Fakten verändert und es findet | |
eine Vorverurteilung statt. Der Film beginnt ja in London, wo ihm im Film | |
ein Mordversuch unterstellt wird. Dabei fehlt es da an einer Anklage oder | |
an einem Urteil. | |
Ihr Mandant hat aus der Haftanstalt einen Brief an den Schauspieler Edgar | |
Ramírez geschrieben: "Warum, Edgar, akzeptierst du, dass die historische | |
Wahrheit verzerrt wird?", fragt er ihn darin. "Warum machst du mit bei | |
einer konterrevolutionären Propaganda, die den berühmtesten Ramírez der | |
Welt diffamiert?" Er scheint sehr eitel zu sein. | |
Wer hat nicht das Recht darauf, in der Öffentlichkeit richtig dargestellt | |
zu werden? Man sollte Ilich Ramírez Sánchez für seine Taten würdigen, als | |
Revolutionär für die palästinensische Sache … | |
… oder als Terroristen, Mörder und Antisemiten. | |
Was heißt schon Terrorist? Der Begriff ist völlig unklar und dient dazu, | |
den politischen Gegner zu denunzieren. Ilich Ramírez Sánchez hat sich für | |
die Sache der Palästinenser eingesetzt. | |
Herr Bosonnet, wie geht es Ihrem Mandanten heute? | |
Ilich Ramírez Sánchez hat seine Energie und Leidenschaft für vernünftige | |
Verhältnisse in der Welt nicht aufgegeben. Er schreibt Bücher und Artikel, | |
mischt aktiv in der Weltpolitik mit. Er wird weiterhin am Weltgeschehen | |
teilhaben und betrachtet sich als politischen Gefangenen. | |
28 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Cigdem Akyol | |
## TAGS | |
Carlos | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Dokumentarfilm „In the Darkroom“: Eine entrückt wirkende Frau | |
Wer ist Magdalena Kopp? Der Dokumentarfilm „In the Darkroom“ von Nadav | |
Schirman porträtiert die frühere Ehefrau des Terroristen Carlos. | |
Terrorist "Carlos" im Hungerstreik: Protest gegen Isolationshaft | |
Kurz bevor ein neuer Prozess gegen den internationalen Terroristen "Carlos" | |
beginnt, ist der in einem Gefängnis nahe Paris Inhaftierte in einen | |
Hungerstreik getreten. | |
Carlos-Biopic auf Arte: Der Spieler als Spielfigur | |
Zwei Abende und 330 Minuten lang zeigt Arte das Leben des Terroristen | |
Carlos. Ein großes Werk über persönliche Eitelkeiten und internationale | |
Zusammenhänge. | |
Assayas' Film über Carlos: Besoffen von sich selbst | |
In seinem furiosen Film inszentiert Olivier Assayas Carlos' Leben als | |
Augenblicke mit potenziell offenem Ausgang. Der antikapitalistische | |
Terrorist schillert dabei als flexibler Unternehmer. |