# taz.de -- Homosauna-Betreiber über Verbotsdebatte: „Wir sind Vorbild für … | |
> Ein Schwulenaktivist fordert Homosaunen zu schließen. Sie förderten | |
> Homophobie. Der Chef einer Schwulensauna sagt dagegen, sie trügen zur | |
> Integration bei. | |
Bild: Heiß. | |
taz: Der britische Schwulen-Aktivist James Wharton hat gefordert, schwule | |
Saunen zu schließen, da sie Homohassern Angriffsfläche bieten. Befördern | |
Sie als Betreiber einer solchen also Homophobie? | |
Tim Vogler: Das ist absurd. Schwule Saunen stehen heute für Integration. | |
Wir stellen ein Stück die Normalität des alltäglichen, sichtbaren, | |
schwulen, queeren Lebens dar. Natürlich haben schwule Männer häufig eine | |
hedonistische Lebensweise, die haben aber Heteromänner auch. Ich sehe also | |
schwule Saunen nicht als Kontrast zum klassischen Heterolebensmodell. | |
Was meinen Sie mit Integration und Normalität? | |
Besucher einer schwulen Sauna sind meist aufgeschlossen gegenüber ihren | |
eigenen Bedürfnissen. Die wenigsten sind heute in irgendeiner Weise noch | |
versteckt oder verklemmt. Sie können selber entscheiden, was für sie gut | |
ist und was nicht. Und im Gegenteil zu vielen Heteromännern äußern sie das | |
auch. Mit dieser Offenheit leisten wir und unsere Besucher einen Beitrag | |
zur gesellschaftlichen Akzeptanz gegenüber der Vielschichtigkeit. Durch uns | |
wird sie sichtbar. | |
Für viele Heterosexuelle sind Saunen für Schwule Hort des sexuellen | |
Exzesses. Drogen, ungeschützter Verkehr mit fremden Männern und so weiter. | |
Auch Wharton argumentiert, dass Schwulensaunen Drogenkonsum und | |
risikohaftes Sexualverhalten fördern. Entspricht das der Realität? | |
In der Behauptung schwingt eine moralische Bewertung mit, der ich nicht | |
folgen kann. Wann ist denn unsere Gesellschaft zufrieden? Wenn wir alle in | |
weißgekachelten, sterilen Räumen sitzen, künstlich, kontrolliert, | |
gesichert. So ist das Leben nicht, so war es noch nie. Und: Was für den | |
einen ein Ort der unablässigen sexuellen Ausschweifung ist, das ist für den | |
anderen ein Ort der Kommunikation und der Begegnung. Die Wahrheit liegt in | |
der Mitte. | |
Gerade die moderne Betriebe bieten heute ja eine große Bandbreite der | |
Freizeitgestaltung: Gastronomie, Wellness und natürlich auch Sex. Kostenlos | |
dazu gibt es übrigens für unsere Gäste das nötige Präventionsmaterial. | |
Es gibt auch klassische Darkrooms und Sexpartys. Orte, an denen es explizit | |
um schwulen Sex geht. Schaden die dem Image der Schwulen? | |
Nein. Die Denkweise, dass Schwule, die hedonistisch leben, damit kein | |
Vorbild für die Gesellschaft sein können, würde ich gerne umdrehen. Jeder, | |
der so lebt, hat sich ja mit sich selbst auseinandergesetzt. Er hat sich | |
entschlossen, so zu sein, wie es ihm guttut. Damit trägt er dazu bei, offen | |
zu leben. Er ist also ein Gewinn für die Gesellschaft. Mir ist | |
Individualismus wichtig. Solange wir mit unserer Lebensweise niemand | |
anderem schaden, ist das doch super. | |
Auch Heteros gehen fremd, besuchen Swingerclubs, haben One-Night-Stand. | |
Dennoch wird sexueller Exzess häufiger mit Schwulen verbunden. Warum? | |
Ich will da jetzt keinen Neid unterstellen. Wir leben in einer | |
durchsexualisierten Welt. Aber Schwule werden noch immer viel zu oft allein | |
durch die Sexbrille gesehen. Es ist ja nicht so, dass alle schwulen Männer | |
sexuell ausschweifend leben. Da ist noch viel Vermittlungsaufwand nötig. | |
Die Debatte, die James Wharton in Großbritannien angestoßen hat, trägt dazu | |
nicht bei. Im Gegenteil, sie macht die Gräben noch tiefer. | |
6 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
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